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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Naticmallibercileii.

Partei; und so boten seine Aufzeichnungen von Erlebnissen, Urteilen, Eindrücken,
Sorgen und Hoffnungen in der Thut Marksteine für eine Geschichte der
nntivnulliberalcn Partei und im besondern der gemäßigt liberalen Partei
Sachsens.

Diese letztere hatte von altersher ihr Hauptquartier in Leipzig. Dort er¬
schienen Zeitungen und Zeitschriften aller Arten, Forme" und Farben, als Dres¬
dens ganze,,Publizistik" ans dem Anzeiger und der belletristischen Abendzeitung
bestand. Robert Blum "beherrschte die Massen und hätte jeden Augenblick mit
ihnen einen Aufstand ins Werk richten können," hatte aber, mit richtigem Blick
für das Mögliche begabt, "seinen ganzen Einfluß eingesetzt, die Massen ans dem
gesetzlichen Boden festzuhalten. Dennoch wäre ihm dies schwerlich gelungen,
wenn er nicht in den" thatkräftigen Eintreten des liberalen Bürgertums für
die konstitutionellen Forderungen eine Art Rückendeckung gefunden hätte." In
der That verliefen sowohl die Märztage 1848 wie die Maitage 1849, dank
der besonnenen Haltung der städtischen Behörden, in welchen jene Partei die Ober¬
hand hatte, friedlich. Aber Reaktionäre, Partikulciristen und Demokraten waren
damit gleich unzufrieden. Und es verdient als Kuriosum erwähnt zu werden,
daß der Minister von Friesen noch in seinen "Erinnerungen" die kühne Ansicht
aussprach, energische Unterdrückung jener Leipziger Bewegung von 1848 Hütte
die späteren revolutionären Ereignisse in Sachsen und, vermöge des Beispiels,
auch in andern deutschen Staaten verhindern können. Interessant sind ans
dieser Zeit die Auszüge aus einem Schreiben Stephanis an den Minister
v. d. Pfordten, welchem er persönlich nahe gestanden hatte, und welchen er
dringend und herzlich bittet, die Gerüchte zu widerlegen, denen zufolge der
Minister ganz partikularistisch geworden sein sollte. "O werden Sie nicht sächsisch,
bleiben Sie deutsch, wie Sie es waren!" schließt er. Nur zu bald mußte er
erfahren, daß sein Freund allerdings nicht sächsisch geworden war, aber "ganz
königlich bairisch."

An dem Entschlüsse der Leipziger Behörden, die Anerkenmmg der Provi¬
sorischen Regierung in Dresden zu verweigern, aber die Stadt uuter den Schutz
der -- freilich selbst schon schutzbedürftiger -- deutschen Zentrulgcwalt zu
stellen, hatte Stephani hervorragenden Anteil. Er war am 6. Mai nach Dresden
gesandt worden, und sein den Akten entnommener Bericht über seine dortige"
Wahrnehmungen ist von geschichtlichem Werte. Dasselbe läßt sich von den
Bemerkungen sagen, die Stephani nach einem Besuche des Uniousparlaments
in Erfurt niederschrieb. Er ist erbittert über den Rücktritt Sachsens vom
Bündnisse, erbittert gegen die Stahl-Gerlachsche Partei, und diese Stimmung
beeinflußt natürlich auch sein Urteil über die einzelnen Personen.

Als Beust sich einer Revision der Gesetze und Einrichtungen von 1348
dnrch deren einfache Beseitigung überhob, war auch Leipzig vom "Taumel der
Reaktion" ergriffen. "Ich gelte jetzt Wohl allgemein als ein schrecklich demo-


Zur Geschichte der Naticmallibercileii.

Partei; und so boten seine Aufzeichnungen von Erlebnissen, Urteilen, Eindrücken,
Sorgen und Hoffnungen in der Thut Marksteine für eine Geschichte der
nntivnulliberalcn Partei und im besondern der gemäßigt liberalen Partei
Sachsens.

Diese letztere hatte von altersher ihr Hauptquartier in Leipzig. Dort er¬
schienen Zeitungen und Zeitschriften aller Arten, Forme» und Farben, als Dres¬
dens ganze,,Publizistik" ans dem Anzeiger und der belletristischen Abendzeitung
bestand. Robert Blum „beherrschte die Massen und hätte jeden Augenblick mit
ihnen einen Aufstand ins Werk richten können," hatte aber, mit richtigem Blick
für das Mögliche begabt, „seinen ganzen Einfluß eingesetzt, die Massen ans dem
gesetzlichen Boden festzuhalten. Dennoch wäre ihm dies schwerlich gelungen,
wenn er nicht in den» thatkräftigen Eintreten des liberalen Bürgertums für
die konstitutionellen Forderungen eine Art Rückendeckung gefunden hätte." In
der That verliefen sowohl die Märztage 1848 wie die Maitage 1849, dank
der besonnenen Haltung der städtischen Behörden, in welchen jene Partei die Ober¬
hand hatte, friedlich. Aber Reaktionäre, Partikulciristen und Demokraten waren
damit gleich unzufrieden. Und es verdient als Kuriosum erwähnt zu werden,
daß der Minister von Friesen noch in seinen „Erinnerungen" die kühne Ansicht
aussprach, energische Unterdrückung jener Leipziger Bewegung von 1848 Hütte
die späteren revolutionären Ereignisse in Sachsen und, vermöge des Beispiels,
auch in andern deutschen Staaten verhindern können. Interessant sind ans
dieser Zeit die Auszüge aus einem Schreiben Stephanis an den Minister
v. d. Pfordten, welchem er persönlich nahe gestanden hatte, und welchen er
dringend und herzlich bittet, die Gerüchte zu widerlegen, denen zufolge der
Minister ganz partikularistisch geworden sein sollte. „O werden Sie nicht sächsisch,
bleiben Sie deutsch, wie Sie es waren!" schließt er. Nur zu bald mußte er
erfahren, daß sein Freund allerdings nicht sächsisch geworden war, aber „ganz
königlich bairisch."

An dem Entschlüsse der Leipziger Behörden, die Anerkenmmg der Provi¬
sorischen Regierung in Dresden zu verweigern, aber die Stadt uuter den Schutz
der — freilich selbst schon schutzbedürftiger — deutschen Zentrulgcwalt zu
stellen, hatte Stephani hervorragenden Anteil. Er war am 6. Mai nach Dresden
gesandt worden, und sein den Akten entnommener Bericht über seine dortige»
Wahrnehmungen ist von geschichtlichem Werte. Dasselbe läßt sich von den
Bemerkungen sagen, die Stephani nach einem Besuche des Uniousparlaments
in Erfurt niederschrieb. Er ist erbittert über den Rücktritt Sachsens vom
Bündnisse, erbittert gegen die Stahl-Gerlachsche Partei, und diese Stimmung
beeinflußt natürlich auch sein Urteil über die einzelnen Personen.

Als Beust sich einer Revision der Gesetze und Einrichtungen von 1348
dnrch deren einfache Beseitigung überhob, war auch Leipzig vom „Taumel der
Reaktion" ergriffen. „Ich gelte jetzt Wohl allgemein als ein schrecklich demo-


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[0519] Zur Geschichte der Naticmallibercileii. Partei; und so boten seine Aufzeichnungen von Erlebnissen, Urteilen, Eindrücken, Sorgen und Hoffnungen in der Thut Marksteine für eine Geschichte der nntivnulliberalcn Partei und im besondern der gemäßigt liberalen Partei Sachsens. Diese letztere hatte von altersher ihr Hauptquartier in Leipzig. Dort er¬ schienen Zeitungen und Zeitschriften aller Arten, Forme» und Farben, als Dres¬ dens ganze,,Publizistik" ans dem Anzeiger und der belletristischen Abendzeitung bestand. Robert Blum „beherrschte die Massen und hätte jeden Augenblick mit ihnen einen Aufstand ins Werk richten können," hatte aber, mit richtigem Blick für das Mögliche begabt, „seinen ganzen Einfluß eingesetzt, die Massen ans dem gesetzlichen Boden festzuhalten. Dennoch wäre ihm dies schwerlich gelungen, wenn er nicht in den» thatkräftigen Eintreten des liberalen Bürgertums für die konstitutionellen Forderungen eine Art Rückendeckung gefunden hätte." In der That verliefen sowohl die Märztage 1848 wie die Maitage 1849, dank der besonnenen Haltung der städtischen Behörden, in welchen jene Partei die Ober¬ hand hatte, friedlich. Aber Reaktionäre, Partikulciristen und Demokraten waren damit gleich unzufrieden. Und es verdient als Kuriosum erwähnt zu werden, daß der Minister von Friesen noch in seinen „Erinnerungen" die kühne Ansicht aussprach, energische Unterdrückung jener Leipziger Bewegung von 1848 Hütte die späteren revolutionären Ereignisse in Sachsen und, vermöge des Beispiels, auch in andern deutschen Staaten verhindern können. Interessant sind ans dieser Zeit die Auszüge aus einem Schreiben Stephanis an den Minister v. d. Pfordten, welchem er persönlich nahe gestanden hatte, und welchen er dringend und herzlich bittet, die Gerüchte zu widerlegen, denen zufolge der Minister ganz partikularistisch geworden sein sollte. „O werden Sie nicht sächsisch, bleiben Sie deutsch, wie Sie es waren!" schließt er. Nur zu bald mußte er erfahren, daß sein Freund allerdings nicht sächsisch geworden war, aber „ganz königlich bairisch." An dem Entschlüsse der Leipziger Behörden, die Anerkenmmg der Provi¬ sorischen Regierung in Dresden zu verweigern, aber die Stadt uuter den Schutz der — freilich selbst schon schutzbedürftiger — deutschen Zentrulgcwalt zu stellen, hatte Stephani hervorragenden Anteil. Er war am 6. Mai nach Dresden gesandt worden, und sein den Akten entnommener Bericht über seine dortige» Wahrnehmungen ist von geschichtlichem Werte. Dasselbe läßt sich von den Bemerkungen sagen, die Stephani nach einem Besuche des Uniousparlaments in Erfurt niederschrieb. Er ist erbittert über den Rücktritt Sachsens vom Bündnisse, erbittert gegen die Stahl-Gerlachsche Partei, und diese Stimmung beeinflußt natürlich auch sein Urteil über die einzelnen Personen. Als Beust sich einer Revision der Gesetze und Einrichtungen von 1348 dnrch deren einfache Beseitigung überhob, war auch Leipzig vom „Taumel der Reaktion" ergriffen. „Ich gelte jetzt Wohl allgemein als ein schrecklich demo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/519>, abgerufen am 25.08.2024.