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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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verbrechen bestraften Personen die Strafe in eindringlicher und abschreckender
Gestalt vollzogen werde, was jetzt schlechterdings nicht der Fall ist. Das
Hauptmittel, welches dem Strafvollzüge in dieser Beziehung zu Gebote steht,
kann für unsre Zeit nur in der Anwendung der körperlichen Züchtigung be¬
stehen, und ihre Einführung für gewisse Verbrechen wird nachgerade zu einer
brennenden Frage, mögen immerhin gewisse Leute hierin einen Rückfall in die
Barbarei des Mittelalters erblicken. Die Zeiten haben sich doch ganz bedeutend
geändert, seitdem die blendende These Berners: "Die Prügelstrafe drückt nicht
etwa nur dem Verbrecher den Stempel der Gemeinheit auf, sondern sie trägt
ihn selbst und entehrt dadurch die Behörde," in weiten Kreisen der Kriminalisten
schlechthin als Offenbarung galt, die keines Beweises bedürfe, und die heutige
Welt ist wenig geneigt, sich mit einem Hinweis ans die "verletzte Menschen¬
würde," wie die Phrase lautet, davon überzeugen zu lassen, dasz es ein Unrecht,
ein Verbrechen sei, denjenigen, der sich wie ein Vieh benimmt, auch als solches
z" behandeln. Die Prügelstrafe muß und wird dazu dienen, für die wegen
Körperverletzung verurteilten Personen die Strafe zu einer eindrucksvoller zu
machen, sie wird dafür sorgen, daß die Erinnerung an sie nicht so bald schwindet,
sie wird sie wenigstens zum Teil davon abschrecken, sich wieder einer Handlung
schuldig zu machen, die ihnen die gleiche Strafe einträgt und den Aufenthalt
im Gefängnisse weniger angenehm macht. Denn wenn auch die Peitsche aus
einem Strolche keinen gesitteten Menschen machen kann, so kann sie doch dem
Strolche das Vergnügen am Unfug verderben und die Strafe zu einem Übel
machen, was sie leider hente nicht mehr ist. Die Richtigkeit dieser Behauptung
vermag keinerlei Phrase zu bestreiten, nicht einmal die so beliebte Berufung auf
die bekannte Äußerung Lord Broughams im englischen Unterhause, daß die
Prügelstrafe eine Beleidigung der öffentlichen Schamhaftigkeit sei, eine Be¬
hauptung, die sich im Munde des Vertreters der offiziellen Heuchelei nicht
schlecht ausnimmt, aber für den zopfigen "Kant" Altcnglands bezeichnend ist.
England denkt wahrlich zuletzt daran, von der Anwendung der körperlichen Züch¬
tigung abzusehen, und selbst wenn dem so wäre, so bewiese dies für deutsche Ver¬
hältnisse erst recht nichts, da wir doch -- mit Erlaubnis unsrer Anglomanen --
wohl die unsern Bedürfnissen entsprechenden Strafen aufstelle!? wollen und dabei
das, was andern Ländern frommt, uns sehr gleichgiltig sein kann.

Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß sich in Deutschland politischer Radi¬
kalismus fast regelmäßig mit der Abneigung gegen die Prügelstrafe verbindet; in
andern Ländern ist der Radikalismus vernünftiger. In der großen Republik jen¬
seits des Ozeans wissen auch die extremen Demokraten nichts davon, daß die körper¬
liche Züchtigung als Strafmittel mit ihrem Programm unvereinbar sei; erst
dem deutschen Radikalismus blieb es vorbehalten, die Welt mit dieser Er¬
leuchtung zu beglücken. Robert von Mohl sagte einmal, es gehöre in Deutsch¬
land ein gewisser Mut dazu, für die Prügelstrafe einzutreten. Angesichts des


verbrechen bestraften Personen die Strafe in eindringlicher und abschreckender
Gestalt vollzogen werde, was jetzt schlechterdings nicht der Fall ist. Das
Hauptmittel, welches dem Strafvollzüge in dieser Beziehung zu Gebote steht,
kann für unsre Zeit nur in der Anwendung der körperlichen Züchtigung be¬
stehen, und ihre Einführung für gewisse Verbrechen wird nachgerade zu einer
brennenden Frage, mögen immerhin gewisse Leute hierin einen Rückfall in die
Barbarei des Mittelalters erblicken. Die Zeiten haben sich doch ganz bedeutend
geändert, seitdem die blendende These Berners: „Die Prügelstrafe drückt nicht
etwa nur dem Verbrecher den Stempel der Gemeinheit auf, sondern sie trägt
ihn selbst und entehrt dadurch die Behörde," in weiten Kreisen der Kriminalisten
schlechthin als Offenbarung galt, die keines Beweises bedürfe, und die heutige
Welt ist wenig geneigt, sich mit einem Hinweis ans die „verletzte Menschen¬
würde," wie die Phrase lautet, davon überzeugen zu lassen, dasz es ein Unrecht,
ein Verbrechen sei, denjenigen, der sich wie ein Vieh benimmt, auch als solches
z» behandeln. Die Prügelstrafe muß und wird dazu dienen, für die wegen
Körperverletzung verurteilten Personen die Strafe zu einer eindrucksvoller zu
machen, sie wird dafür sorgen, daß die Erinnerung an sie nicht so bald schwindet,
sie wird sie wenigstens zum Teil davon abschrecken, sich wieder einer Handlung
schuldig zu machen, die ihnen die gleiche Strafe einträgt und den Aufenthalt
im Gefängnisse weniger angenehm macht. Denn wenn auch die Peitsche aus
einem Strolche keinen gesitteten Menschen machen kann, so kann sie doch dem
Strolche das Vergnügen am Unfug verderben und die Strafe zu einem Übel
machen, was sie leider hente nicht mehr ist. Die Richtigkeit dieser Behauptung
vermag keinerlei Phrase zu bestreiten, nicht einmal die so beliebte Berufung auf
die bekannte Äußerung Lord Broughams im englischen Unterhause, daß die
Prügelstrafe eine Beleidigung der öffentlichen Schamhaftigkeit sei, eine Be¬
hauptung, die sich im Munde des Vertreters der offiziellen Heuchelei nicht
schlecht ausnimmt, aber für den zopfigen „Kant" Altcnglands bezeichnend ist.
England denkt wahrlich zuletzt daran, von der Anwendung der körperlichen Züch¬
tigung abzusehen, und selbst wenn dem so wäre, so bewiese dies für deutsche Ver¬
hältnisse erst recht nichts, da wir doch — mit Erlaubnis unsrer Anglomanen —
wohl die unsern Bedürfnissen entsprechenden Strafen aufstelle!? wollen und dabei
das, was andern Ländern frommt, uns sehr gleichgiltig sein kann.

Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß sich in Deutschland politischer Radi¬
kalismus fast regelmäßig mit der Abneigung gegen die Prügelstrafe verbindet; in
andern Ländern ist der Radikalismus vernünftiger. In der großen Republik jen¬
seits des Ozeans wissen auch die extremen Demokraten nichts davon, daß die körper¬
liche Züchtigung als Strafmittel mit ihrem Programm unvereinbar sei; erst
dem deutschen Radikalismus blieb es vorbehalten, die Welt mit dieser Er¬
leuchtung zu beglücken. Robert von Mohl sagte einmal, es gehöre in Deutsch¬
land ein gewisser Mut dazu, für die Prügelstrafe einzutreten. Angesichts des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/490>, abgerufen am 23.12.2024.