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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Toynboe-Hall.

Bild, Die Colleges mit ihren gothischen Türmen und Tiirmchcn, ihren alters¬
grauen Kreuzgängen und stillen Parks muszten ihnen wie ans einer fremden
Welt erscheinen. Die Universität brachte den Ooox<zrator8 die wärmste Zu¬
neigung entgegen. Man quartierte sie in den Colleges ein und bewirtete sie in
den ehrwürdigen Halts an den langen Tafeln der Studenten. Unter den
Rednern, welche die Arbeiter im Namen der Universität begrüßten, that sich
besonders Arnold Tonybee hervor. Seine Worte über Cooperation zeichnen
sich durch große Gesichtspunkte und Verständnis wahren Genosscnschaftslebens
ans. Manchem jener einfachen Männer mag in den Tagen ihres Besuches in
Oxford zum erstenmale klar geworden sein, daß auf den Universitäten nicht uur
genossen, sondern auch ernste Arbeit geleistet wird, die, wenn auch von der
ihrigen verschieden, doch wie jede Arbeit Achtung verdient. Aber auch an dem
jugendlichen Wirten sind jene Tage nicht ohne Einfluß vorübergegangen. Gern
mögen sie sich ihres Zusammenseins mit Männern erinnern, die sie trotz frcmd-
vrtiger Schale sich doch innerlich näher verwandt gefunden hatten, als sie er¬
wartet hatten.

Wenige Tage nach dem Tode Toynbees kamen etwa zwanzig seiner Freunde
im Commonroom des Baliolcollege zusammen und gaben sich das Wort, das
Werk, das der Verstorbene so eifrig betrieben hatte, in seinem Sinne zur Voll¬
endung zu führen. Bei dem Interesse, das auch die übrigem Colleges der Sache
entgegenbrachten, ließ sich eine Überwindung der Schwierigkeiten, die sich der
Allsführung entgegensetzten, von vornherein hoffen. Zu Anfang des folgenden
Jahres (1883) wurde eine Kommission erwählt, welche die Verhältnisse an Ort
und Stelle prüfen und über das Wie und Wo der Ansiedlung Vorschläge
machen sollte. Zugleich wandte man sich, um sachverständiger Führung sicher
zu sein, an S. A. Barret, den Vikar von Se. Judas. Dieser, selbst alter
Oxkorä-ruf-u, aber auf ein mehr als zwanzigjähriges Wirken im Osten Londons
zurückblickend, kam den Plänen, die ihm von der Universität aus unterbreitet
wurden, aufs bereitwilligste entgegen. Auf die ebenso vielseitige wie erfolgreiche
Thätigkeit dieses Mannes hier einzugehen, würde weit über den Nahmen dieses
Aufsatzes hinausführen. Nur soviel sei bemerkt, daß er einer der unermüdlichsten
Arbeiter in Ost-London ist und sein Arbeitsfeld wie wenige kennt. Man war,
durch seine Erfahrungen geleitet, bereits im Anfange des folgenden Jahres im¬
stande, mit praktischen Vorschlägen vor die Öffentlichkeit zu treten. Bei der
Presse fanden diese warme Zustimmung, und was noch wichtiger war, auch bei
angesehenen Männern der verschiedenartigsten Berufe und Richtungen, Männern
wie Goschen, dem Marquis of Salisbury, Professor Huxby. So wurde denn
unter den günstigsten Auspizien die llnivorsikic-s Lettloiriizirt asMoi-Mon gestiftet.
Ihr Zweck ist laut Z 1 ihres Statuts folgender: "Gelegenheit zu Belehrung
sowie Vergnügen und Erholung der Bevölkerung der ärmern Bezirke Londons
und andrer großer Städte zu gewähren, Untersuchungen über die Lebenslage


Grenzboten I. 1887. 59
Toynboe-Hall.

Bild, Die Colleges mit ihren gothischen Türmen und Tiirmchcn, ihren alters¬
grauen Kreuzgängen und stillen Parks muszten ihnen wie ans einer fremden
Welt erscheinen. Die Universität brachte den Ooox<zrator8 die wärmste Zu¬
neigung entgegen. Man quartierte sie in den Colleges ein und bewirtete sie in
den ehrwürdigen Halts an den langen Tafeln der Studenten. Unter den
Rednern, welche die Arbeiter im Namen der Universität begrüßten, that sich
besonders Arnold Tonybee hervor. Seine Worte über Cooperation zeichnen
sich durch große Gesichtspunkte und Verständnis wahren Genosscnschaftslebens
ans. Manchem jener einfachen Männer mag in den Tagen ihres Besuches in
Oxford zum erstenmale klar geworden sein, daß auf den Universitäten nicht uur
genossen, sondern auch ernste Arbeit geleistet wird, die, wenn auch von der
ihrigen verschieden, doch wie jede Arbeit Achtung verdient. Aber auch an dem
jugendlichen Wirten sind jene Tage nicht ohne Einfluß vorübergegangen. Gern
mögen sie sich ihres Zusammenseins mit Männern erinnern, die sie trotz frcmd-
vrtiger Schale sich doch innerlich näher verwandt gefunden hatten, als sie er¬
wartet hatten.

Wenige Tage nach dem Tode Toynbees kamen etwa zwanzig seiner Freunde
im Commonroom des Baliolcollege zusammen und gaben sich das Wort, das
Werk, das der Verstorbene so eifrig betrieben hatte, in seinem Sinne zur Voll¬
endung zu führen. Bei dem Interesse, das auch die übrigem Colleges der Sache
entgegenbrachten, ließ sich eine Überwindung der Schwierigkeiten, die sich der
Allsführung entgegensetzten, von vornherein hoffen. Zu Anfang des folgenden
Jahres (1883) wurde eine Kommission erwählt, welche die Verhältnisse an Ort
und Stelle prüfen und über das Wie und Wo der Ansiedlung Vorschläge
machen sollte. Zugleich wandte man sich, um sachverständiger Führung sicher
zu sein, an S. A. Barret, den Vikar von Se. Judas. Dieser, selbst alter
Oxkorä-ruf-u, aber auf ein mehr als zwanzigjähriges Wirken im Osten Londons
zurückblickend, kam den Plänen, die ihm von der Universität aus unterbreitet
wurden, aufs bereitwilligste entgegen. Auf die ebenso vielseitige wie erfolgreiche
Thätigkeit dieses Mannes hier einzugehen, würde weit über den Nahmen dieses
Aufsatzes hinausführen. Nur soviel sei bemerkt, daß er einer der unermüdlichsten
Arbeiter in Ost-London ist und sein Arbeitsfeld wie wenige kennt. Man war,
durch seine Erfahrungen geleitet, bereits im Anfange des folgenden Jahres im¬
stande, mit praktischen Vorschlägen vor die Öffentlichkeit zu treten. Bei der
Presse fanden diese warme Zustimmung, und was noch wichtiger war, auch bei
angesehenen Männern der verschiedenartigsten Berufe und Richtungen, Männern
wie Goschen, dem Marquis of Salisbury, Professor Huxby. So wurde denn
unter den günstigsten Auspizien die llnivorsikic-s Lettloiriizirt asMoi-Mon gestiftet.
Ihr Zweck ist laut Z 1 ihres Statuts folgender: „Gelegenheit zu Belehrung
sowie Vergnügen und Erholung der Bevölkerung der ärmern Bezirke Londons
und andrer großer Städte zu gewähren, Untersuchungen über die Lebenslage


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[0473] Toynboe-Hall. Bild, Die Colleges mit ihren gothischen Türmen und Tiirmchcn, ihren alters¬ grauen Kreuzgängen und stillen Parks muszten ihnen wie ans einer fremden Welt erscheinen. Die Universität brachte den Ooox<zrator8 die wärmste Zu¬ neigung entgegen. Man quartierte sie in den Colleges ein und bewirtete sie in den ehrwürdigen Halts an den langen Tafeln der Studenten. Unter den Rednern, welche die Arbeiter im Namen der Universität begrüßten, that sich besonders Arnold Tonybee hervor. Seine Worte über Cooperation zeichnen sich durch große Gesichtspunkte und Verständnis wahren Genosscnschaftslebens ans. Manchem jener einfachen Männer mag in den Tagen ihres Besuches in Oxford zum erstenmale klar geworden sein, daß auf den Universitäten nicht uur genossen, sondern auch ernste Arbeit geleistet wird, die, wenn auch von der ihrigen verschieden, doch wie jede Arbeit Achtung verdient. Aber auch an dem jugendlichen Wirten sind jene Tage nicht ohne Einfluß vorübergegangen. Gern mögen sie sich ihres Zusammenseins mit Männern erinnern, die sie trotz frcmd- vrtiger Schale sich doch innerlich näher verwandt gefunden hatten, als sie er¬ wartet hatten. Wenige Tage nach dem Tode Toynbees kamen etwa zwanzig seiner Freunde im Commonroom des Baliolcollege zusammen und gaben sich das Wort, das Werk, das der Verstorbene so eifrig betrieben hatte, in seinem Sinne zur Voll¬ endung zu führen. Bei dem Interesse, das auch die übrigem Colleges der Sache entgegenbrachten, ließ sich eine Überwindung der Schwierigkeiten, die sich der Allsführung entgegensetzten, von vornherein hoffen. Zu Anfang des folgenden Jahres (1883) wurde eine Kommission erwählt, welche die Verhältnisse an Ort und Stelle prüfen und über das Wie und Wo der Ansiedlung Vorschläge machen sollte. Zugleich wandte man sich, um sachverständiger Führung sicher zu sein, an S. A. Barret, den Vikar von Se. Judas. Dieser, selbst alter Oxkorä-ruf-u, aber auf ein mehr als zwanzigjähriges Wirken im Osten Londons zurückblickend, kam den Plänen, die ihm von der Universität aus unterbreitet wurden, aufs bereitwilligste entgegen. Auf die ebenso vielseitige wie erfolgreiche Thätigkeit dieses Mannes hier einzugehen, würde weit über den Nahmen dieses Aufsatzes hinausführen. Nur soviel sei bemerkt, daß er einer der unermüdlichsten Arbeiter in Ost-London ist und sein Arbeitsfeld wie wenige kennt. Man war, durch seine Erfahrungen geleitet, bereits im Anfange des folgenden Jahres im¬ stande, mit praktischen Vorschlägen vor die Öffentlichkeit zu treten. Bei der Presse fanden diese warme Zustimmung, und was noch wichtiger war, auch bei angesehenen Männern der verschiedenartigsten Berufe und Richtungen, Männern wie Goschen, dem Marquis of Salisbury, Professor Huxby. So wurde denn unter den günstigsten Auspizien die llnivorsikic-s Lettloiriizirt asMoi-Mon gestiftet. Ihr Zweck ist laut Z 1 ihres Statuts folgender: „Gelegenheit zu Belehrung sowie Vergnügen und Erholung der Bevölkerung der ärmern Bezirke Londons und andrer großer Städte zu gewähren, Untersuchungen über die Lebenslage Grenzboten I. 1887. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/473>, abgerufen am 03.07.2024.