Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Iugeildermnermigen. Wohlbeleibte, behäbige Frau, häuslich, thätig, wohlwollend und ihren Unter¬ Ich war von Natur schwächlich und nervös. So gern ich hernmtobte, Es währte garnicht lange, so kam mir in der Dämmerung, wie man zu Ihr Sohn betrachtete die Dinge nüchterner. Ihm "kam nichts vor," wohl Gegen meine Eltern beobachtete ich über diese Gebilde meiner Phantasie Iugeildermnermigen. Wohlbeleibte, behäbige Frau, häuslich, thätig, wohlwollend und ihren Unter¬ Ich war von Natur schwächlich und nervös. So gern ich hernmtobte, Es währte garnicht lange, so kam mir in der Dämmerung, wie man zu Ihr Sohn betrachtete die Dinge nüchterner. Ihm „kam nichts vor," wohl Gegen meine Eltern beobachtete ich über diese Gebilde meiner Phantasie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200564"/> <fw type="header" place="top"> Iugeildermnermigen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1433" prev="#ID_1432"> Wohlbeleibte, behäbige Frau, häuslich, thätig, wohlwollend und ihren Unter¬<lb/> gebenen eine milde Gebieterin. Ihrem ganzen Wesen nach konnte man lebhafte<lb/> Phantasie nicht bei ihr vermuten. Dennoch trug sie, so oft sie ans das Kapitel<lb/> schwer zu enträtselnder Vorgänge kam, das ihr Überlieferte mit solcher Lebendig¬<lb/> keit und mit so felsenfester Überzeugung vor, daß uns zuhörenden Kindern in<lb/> dem dämmerigen Kabinet oft genug das Gruseln ankam. Vieles war der guten<lb/> Frau, der es nicht entfernt einfiel, daß ihre Erzählungen für uus üble Folgen<lb/> haben konnten, nach ihrer Behauptung selbst begegnet, und gerade diese Vorgänge<lb/> fesselten uns natürlich am meisten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434"> Ich war von Natur schwächlich und nervös. So gern ich hernmtobte,<lb/> lärmte, beim Spiel Wohl auch laut bramarbnsirte, so fuhr ich doch bei jedem<lb/> ungewohnten Geräusch zusammen. Furcht in eigentlichem Sinne war dies Er¬<lb/> schrecken nicht, es erklärte sich leicht aus einer krankhaften Reizbarkeit der<lb/> Nerven. Daß diese Reizbarkeit durch Erzählungen, wie sie uns die Bauerfrau<lb/> zum Besten gab, nur gesteigert werden mußte, lag auf der Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1435"> Es währte garnicht lange, so kam mir in der Dämmerung, wie man zu<lb/> sagen Pflegte, allerhand vor. Hinter jeder Hecke, in jedem dunkeln Winkel hörte<lb/> ich Geflüster. Falbe Schatten mit lang nachschleppenden Gewändern schwebten<lb/> über Wiesen und Weihern oder blieben mir bis an den Pfarrhof als treue Be¬<lb/> gleiter zur Seite, wenn ich des Abends, sei es allein, sei es mit andern zu¬<lb/> sammen, den kurzen Weg von dem Hofe des Gerichtsmannes nach der Pfarrei<lb/> zurücklegte. Es war gar kein Zweifel, ich fing an, Geister oder Gespenster<lb/> zu sehen, und weil ich sie sah, weil vor meinen eignen Augen sich die Luft mit un¬<lb/> greifbaren Gestalten und allerhand grinsenden Fratzen bevölkerte, mußte die gute<lb/> Frau Recht haben, und ich verehrte sie wie eine Prophetin.</p><lb/> <p xml:id="ID_1436"> Ihr Sohn betrachtete die Dinge nüchterner. Ihm „kam nichts vor," wohl<lb/> aber glaubte er, daß ich wirklich sähe, was meine erregte Phantasie mir vor¬<lb/> spiegelte. Er zweifelte nie an meinen Gesichten, was jedenfalls besser gewesen<lb/> wäre, sondern bestärkte mich vielmehr darin, indem er sagte: Du Hast's gerade<lb/> wie meine Mutter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1437"> Gegen meine Eltern beobachtete ich über diese Gebilde meiner Phantasie<lb/> strenges Stillschweigen. Ich wußte, daß der Vater sehr ärgerlich werden würde,<lb/> wenn ihm etwas davon zu Ohren käme, denn er war ein kräftiger, gesunder<lb/> Mann, aller Überspanntheit in hohem Grade abhold und ein abgesagter Feind<lb/> nervenschwacher Menschen. Bei der Mutter hätte ich wohl eher Anklang ge¬<lb/> funden; jedenfalls würde sie mich verstanden haben, denn sie hatte wiederholt<lb/> wunderbar prophetische Trcinme gehabt, sodaß sie in der ganzen Familie für<lb/> eine seltsam begabte Natur galt. Wenn ich aber der Mutter verriet, was mir<lb/> alles „vorkam" und was mich von Tag zu Tag ängstlicher und schreckhafter<lb/> machte, so wurde anch der Vater sofort davon unterrichtet, denn die Mutter<lb/> hatte niemals anch nur das kleinste Geheimnis vor ihm.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
Iugeildermnermigen.
Wohlbeleibte, behäbige Frau, häuslich, thätig, wohlwollend und ihren Unter¬
gebenen eine milde Gebieterin. Ihrem ganzen Wesen nach konnte man lebhafte
Phantasie nicht bei ihr vermuten. Dennoch trug sie, so oft sie ans das Kapitel
schwer zu enträtselnder Vorgänge kam, das ihr Überlieferte mit solcher Lebendig¬
keit und mit so felsenfester Überzeugung vor, daß uns zuhörenden Kindern in
dem dämmerigen Kabinet oft genug das Gruseln ankam. Vieles war der guten
Frau, der es nicht entfernt einfiel, daß ihre Erzählungen für uus üble Folgen
haben konnten, nach ihrer Behauptung selbst begegnet, und gerade diese Vorgänge
fesselten uns natürlich am meisten.
Ich war von Natur schwächlich und nervös. So gern ich hernmtobte,
lärmte, beim Spiel Wohl auch laut bramarbnsirte, so fuhr ich doch bei jedem
ungewohnten Geräusch zusammen. Furcht in eigentlichem Sinne war dies Er¬
schrecken nicht, es erklärte sich leicht aus einer krankhaften Reizbarkeit der
Nerven. Daß diese Reizbarkeit durch Erzählungen, wie sie uns die Bauerfrau
zum Besten gab, nur gesteigert werden mußte, lag auf der Hand.
Es währte garnicht lange, so kam mir in der Dämmerung, wie man zu
sagen Pflegte, allerhand vor. Hinter jeder Hecke, in jedem dunkeln Winkel hörte
ich Geflüster. Falbe Schatten mit lang nachschleppenden Gewändern schwebten
über Wiesen und Weihern oder blieben mir bis an den Pfarrhof als treue Be¬
gleiter zur Seite, wenn ich des Abends, sei es allein, sei es mit andern zu¬
sammen, den kurzen Weg von dem Hofe des Gerichtsmannes nach der Pfarrei
zurücklegte. Es war gar kein Zweifel, ich fing an, Geister oder Gespenster
zu sehen, und weil ich sie sah, weil vor meinen eignen Augen sich die Luft mit un¬
greifbaren Gestalten und allerhand grinsenden Fratzen bevölkerte, mußte die gute
Frau Recht haben, und ich verehrte sie wie eine Prophetin.
Ihr Sohn betrachtete die Dinge nüchterner. Ihm „kam nichts vor," wohl
aber glaubte er, daß ich wirklich sähe, was meine erregte Phantasie mir vor¬
spiegelte. Er zweifelte nie an meinen Gesichten, was jedenfalls besser gewesen
wäre, sondern bestärkte mich vielmehr darin, indem er sagte: Du Hast's gerade
wie meine Mutter.
Gegen meine Eltern beobachtete ich über diese Gebilde meiner Phantasie
strenges Stillschweigen. Ich wußte, daß der Vater sehr ärgerlich werden würde,
wenn ihm etwas davon zu Ohren käme, denn er war ein kräftiger, gesunder
Mann, aller Überspanntheit in hohem Grade abhold und ein abgesagter Feind
nervenschwacher Menschen. Bei der Mutter hätte ich wohl eher Anklang ge¬
funden; jedenfalls würde sie mich verstanden haben, denn sie hatte wiederholt
wunderbar prophetische Trcinme gehabt, sodaß sie in der ganzen Familie für
eine seltsam begabte Natur galt. Wenn ich aber der Mutter verriet, was mir
alles „vorkam" und was mich von Tag zu Tag ängstlicher und schreckhafter
machte, so wurde anch der Vater sofort davon unterrichtet, denn die Mutter
hatte niemals anch nur das kleinste Geheimnis vor ihm.
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