Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Ingonderimwrnngen. boten. In meiner Jugend gab es selten ein Huus, in dem man nicht einen Ein Wandschrank, welcher die Gesang- und Kommuuionbüchcr der Ehe- Das Kabinet war der Ort, wo der Bauer vou seiner Arbeit ausruhte, Ich habe schon angedeutet, daß ein stark religiöser Zug das eintönige Leben Selten verging ein Abend im Kabinet des Bauern, wo nicht die Rede In solchen unheimlichen Erzählungen, die auf empfängliche Kiudergcmütcr Ingonderimwrnngen. boten. In meiner Jugend gab es selten ein Huus, in dem man nicht einen Ein Wandschrank, welcher die Gesang- und Kommuuionbüchcr der Ehe- Das Kabinet war der Ort, wo der Bauer vou seiner Arbeit ausruhte, Ich habe schon angedeutet, daß ein stark religiöser Zug das eintönige Leben Selten verging ein Abend im Kabinet des Bauern, wo nicht die Rede In solchen unheimlichen Erzählungen, die auf empfängliche Kiudergcmütcr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200563"/> <fw type="header" place="top"> Ingonderimwrnngen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1427" prev="#ID_1426"> boten. In meiner Jugend gab es selten ein Huus, in dem man nicht einen<lb/> so ausgestatteten heiligen Geist vorfand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1428"> Ein Wandschrank, welcher die Gesang- und Kommuuionbüchcr der Ehe-<lb/> leute, Bibel, Postille und regelmäßig ein altes vielgelesenes Predigtbuch enthielt,<lb/> vervollständigte den einfachen Hausrat des Kabinets, nicht zu vergessen den<lb/> Kalender, welcher zu aller Einsicht und Gebrauch an der Thür desselben hing.</p><lb/> <p xml:id="ID_1429"> Das Kabinet war der Ort, wo der Bauer vou seiner Arbeit ausruhte,<lb/> wo er mit Handeltreibenden verkehrte, um Geschäfte abzuschließen, wo er seinen<lb/> Rechtsanwalt traktirte, wenn er dessen Rat und Hilfe bedürfte, was nicht selten<lb/> vorkam, denn rechthaberisch, starrsinnig und auf seinen Vorteil bedacht war der<lb/> echte Bauer bei allen seinen lobenswerten Eigenschaften fast immer. Hier end¬<lb/> lich bewirtete er eingeladene Gäste nach Landessitte aufs feinste und erging<lb/> sich des Abends mit besuchenden Freunden und Nachbarn im Gespräch über<lb/> die Tagesneuigkeiten und die Vorgänge im Dorfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1430"> Ich habe schon angedeutet, daß ein stark religiöser Zug das eintönige Leben<lb/> des Bauern durchgängig verklärte. Seine treuherzige Gläubigkeit, die keine<lb/> Skrupel kannte und auch das Unfaßbare ohne Bedeuten für volle, unbestrittene<lb/> Wahrheit hielt, verlieh ihm eine gewisse Würde. Starker, unerschütterlicher<lb/> Glaube machte auch auf den Zweifler Eindruck. Dieser so stark ausgeprägte<lb/> Glaube, der an der Allmacht Gottes wie an dessen allwaltender Liebe nicht<lb/> zweifelte, hatte aber auch eine Schattenseite. Mit ihm zugleich nämlich lebte<lb/> ein unvcrtilgbarer Aberglaube im Herzen des Volkes, und wie es felsenfest<lb/> überzeugt war, daß Gott in wunderbarer Majestät in: Himmel throne, so be¬<lb/> völkerte sich ihm die Erde, die ja der Schemel seiner Füße war, an den sich<lb/> der Teufel fest ankrallte, um die Gläubigen fortwährend zu versuchen, mit aller¬<lb/> hand gespenstigen Wesen. Im Abenddunkel und des Nachts umschlichen diese<lb/> Unholde in allerhand Gestalten auf leisen Sohlen die Wohnungen der Menschen<lb/> und blickten mit bösem Auge durch die kleinen in Blei gefaßten Scheiben der<lb/> viereckigen Fenster so lange in die schwach erleuchteten Zimmer, bis irgendwo<lb/> das Unheil haften blieb und der eine oder andre dadurch zu Schaden kam.</p><lb/> <p xml:id="ID_1431"> Selten verging ein Abend im Kabinet des Bauern, wo nicht die Rede<lb/> auf Vorgänge kam, die man sich auf natürliche Weise nicht erklären konnte.<lb/> Mau glaubte alles Ernstes an Hexen, die in Bettlergestalt um eine Gabe<lb/> flehten und dabei dem Vieh im Stalle Schaden zufügten. Die feurigen Drachen<lb/> hatten Hunderte durch die Lüfte fahren und über dem Schornsteine dieses oder<lb/> jenes Hauses unter seltsamem Geräusch verlöschen sehen, wodurch dann die Be-<lb/> wohner desselben mit mißtrauischem Auge betrachtet wurde», wohl auch ge¬<lb/> legentlich in bösen Leumund gerieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1432" next="#ID_1433"> In solchen unheimlichen Erzählungen, die auf empfängliche Kiudergcmütcr<lb/> eigentümlich, nicht aber in wohlthuenden Sinne aufregend wirke», besaß die<lb/> Mutter mei»es ländlichen Gespiele« eine merkwürdige Stärke. Sie war eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
Ingonderimwrnngen.
boten. In meiner Jugend gab es selten ein Huus, in dem man nicht einen
so ausgestatteten heiligen Geist vorfand.
Ein Wandschrank, welcher die Gesang- und Kommuuionbüchcr der Ehe-
leute, Bibel, Postille und regelmäßig ein altes vielgelesenes Predigtbuch enthielt,
vervollständigte den einfachen Hausrat des Kabinets, nicht zu vergessen den
Kalender, welcher zu aller Einsicht und Gebrauch an der Thür desselben hing.
Das Kabinet war der Ort, wo der Bauer vou seiner Arbeit ausruhte,
wo er mit Handeltreibenden verkehrte, um Geschäfte abzuschließen, wo er seinen
Rechtsanwalt traktirte, wenn er dessen Rat und Hilfe bedürfte, was nicht selten
vorkam, denn rechthaberisch, starrsinnig und auf seinen Vorteil bedacht war der
echte Bauer bei allen seinen lobenswerten Eigenschaften fast immer. Hier end¬
lich bewirtete er eingeladene Gäste nach Landessitte aufs feinste und erging
sich des Abends mit besuchenden Freunden und Nachbarn im Gespräch über
die Tagesneuigkeiten und die Vorgänge im Dorfe.
Ich habe schon angedeutet, daß ein stark religiöser Zug das eintönige Leben
des Bauern durchgängig verklärte. Seine treuherzige Gläubigkeit, die keine
Skrupel kannte und auch das Unfaßbare ohne Bedeuten für volle, unbestrittene
Wahrheit hielt, verlieh ihm eine gewisse Würde. Starker, unerschütterlicher
Glaube machte auch auf den Zweifler Eindruck. Dieser so stark ausgeprägte
Glaube, der an der Allmacht Gottes wie an dessen allwaltender Liebe nicht
zweifelte, hatte aber auch eine Schattenseite. Mit ihm zugleich nämlich lebte
ein unvcrtilgbarer Aberglaube im Herzen des Volkes, und wie es felsenfest
überzeugt war, daß Gott in wunderbarer Majestät in: Himmel throne, so be¬
völkerte sich ihm die Erde, die ja der Schemel seiner Füße war, an den sich
der Teufel fest ankrallte, um die Gläubigen fortwährend zu versuchen, mit aller¬
hand gespenstigen Wesen. Im Abenddunkel und des Nachts umschlichen diese
Unholde in allerhand Gestalten auf leisen Sohlen die Wohnungen der Menschen
und blickten mit bösem Auge durch die kleinen in Blei gefaßten Scheiben der
viereckigen Fenster so lange in die schwach erleuchteten Zimmer, bis irgendwo
das Unheil haften blieb und der eine oder andre dadurch zu Schaden kam.
Selten verging ein Abend im Kabinet des Bauern, wo nicht die Rede
auf Vorgänge kam, die man sich auf natürliche Weise nicht erklären konnte.
Mau glaubte alles Ernstes an Hexen, die in Bettlergestalt um eine Gabe
flehten und dabei dem Vieh im Stalle Schaden zufügten. Die feurigen Drachen
hatten Hunderte durch die Lüfte fahren und über dem Schornsteine dieses oder
jenes Hauses unter seltsamem Geräusch verlöschen sehen, wodurch dann die Be-
wohner desselben mit mißtrauischem Auge betrachtet wurde», wohl auch ge¬
legentlich in bösen Leumund gerieten.
In solchen unheimlichen Erzählungen, die auf empfängliche Kiudergcmütcr
eigentümlich, nicht aber in wohlthuenden Sinne aufregend wirke», besaß die
Mutter mei»es ländlichen Gespiele« eine merkwürdige Stärke. Sie war eine
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |