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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Moderne DenkmKler.

Es ist bekannt, in wie grausamer Weise der Versuch, künstlerische Genialität in
die soliden Bahnen kleinbürgerlicher Pvrträtplastik zurückzudrängen, bestraft
worden ist. Aber eine Lehre hat kein später zusammengetretenes Deutmäler-
komitee aus diesem Falle gezogen. Auch das Lessingkomitce nicht. Berlin wird
einen sehr wohlgekleideter und anständigen Lessing erhalten, das Bataillon seiner
Standbilder wird um einen gut gewachsenen Rekruten vermehrt werden.

Mau konnte mit Rücksicht ans die oben zitirten Beispiele aus Dresden
und Karlsbad den Einwand machen, daß Stand- und Sitzbilder mehr für
öffentliche Plätze geeignet seien, während sich malerische Kompositionen, die etwa
aus Büsten, allegorischen Figuren, Genien und Fontänen bestehen, besser in
Garten- und Parkanlagen fügten. Dieser Einwand erscheint auf den ersten
Blick stichhaltig. Aber schon seit geraumer Zeit macht sich überall das Be¬
streben geltend, auf öffentlichen Plätzen errichtete Denkmäler durch Gebüsche,
Blumenbeete und kleinere Gartenanlagen von dein Straßenverkehr abzusondern.
Wo es sich also um Denkmäler für Geisteshelden handelt, können die Künstler
ihre Skizzen von vornherein auf das Zusammenwirken mit einem kleinen Land-
schaftsbilde oder gärtnerischen Schmuckplatze berechnen. Bei dem Lessingdenkmal
sür Berlin war auf die landschaftliche Umgebung schon in dem Koukurrcnz-
ciusschreiben hingewiesen worden.

Es ließe sich zu dem Thema "Moderne Denkmäler" noch unendlich viel
mehr kritisches Material beibringen, als in diesen aphoristischen Bemerkungen
versucht worden ist. Wir wollen jedoch nur uoch mit einigen Worten die no^
terre Denkmälerwut streifen. Sie ist bei uns noch nicht in ein so gefährliches
Stadium getreten wie in Frankreich, wo der in den Jahren 1870 und 1871
so tief verletzte Patriotismus darin einen Trost sucht, daß er dein Dämon der
nationalen Eitelkeit wahre Hekatomben von Denkmälern weiht. Aber mich bei
uns sucht der Lvkalpatriotismus bereits hie und da mit der Laterne nach ver¬
schollenen Größen, deren Gedächtnis die dankbare Nachwelt mit einem Monu¬
mente belasten kann. Zur Besänftigung dieser Denkmälcrwut dürfte ein Vor¬
schlag sehr geeignet sein, der kürzlich aus deu Kreisen der Berliner Kommunal-
verwaltuug gemacht worden ist. Man geht nämlich mit der Absicht um, auf
einem öffentlichen Platze Berlins -- vielleicht auf dem Neuen Markte -- eine
Halle zu erbauen, in welcher Büsten von Männern, die in Berlin gewirkt oder
sich um das Wohl der Stadt verdient gemacht haben, aufgestellt werden könnten.
Wenn dieser Gedanke zur Ausführung gelangte, würde die Dentmälerwnt einiger¬
maßen besänftigt werden, und die Stadt würde sich durch bestimmt geregelte,
periodisch wiederkehrende Auftrüge an Künstler ein größeres Verdienst um die
allgemeine Förderung der Kunst erwerben, als wenn sie seltener, aber desto
tiefer in den Säckel greift und Beiträge zu einem Goethe-, Luther- oder Lessing¬
denkmal giebt.

Seit Jahr und Tag befinden sich die deutschen Künstler, wenige Ans-


Moderne DenkmKler.

Es ist bekannt, in wie grausamer Weise der Versuch, künstlerische Genialität in
die soliden Bahnen kleinbürgerlicher Pvrträtplastik zurückzudrängen, bestraft
worden ist. Aber eine Lehre hat kein später zusammengetretenes Deutmäler-
komitee aus diesem Falle gezogen. Auch das Lessingkomitce nicht. Berlin wird
einen sehr wohlgekleideter und anständigen Lessing erhalten, das Bataillon seiner
Standbilder wird um einen gut gewachsenen Rekruten vermehrt werden.

Mau konnte mit Rücksicht ans die oben zitirten Beispiele aus Dresden
und Karlsbad den Einwand machen, daß Stand- und Sitzbilder mehr für
öffentliche Plätze geeignet seien, während sich malerische Kompositionen, die etwa
aus Büsten, allegorischen Figuren, Genien und Fontänen bestehen, besser in
Garten- und Parkanlagen fügten. Dieser Einwand erscheint auf den ersten
Blick stichhaltig. Aber schon seit geraumer Zeit macht sich überall das Be¬
streben geltend, auf öffentlichen Plätzen errichtete Denkmäler durch Gebüsche,
Blumenbeete und kleinere Gartenanlagen von dein Straßenverkehr abzusondern.
Wo es sich also um Denkmäler für Geisteshelden handelt, können die Künstler
ihre Skizzen von vornherein auf das Zusammenwirken mit einem kleinen Land-
schaftsbilde oder gärtnerischen Schmuckplatze berechnen. Bei dem Lessingdenkmal
sür Berlin war auf die landschaftliche Umgebung schon in dem Koukurrcnz-
ciusschreiben hingewiesen worden.

Es ließe sich zu dem Thema „Moderne Denkmäler" noch unendlich viel
mehr kritisches Material beibringen, als in diesen aphoristischen Bemerkungen
versucht worden ist. Wir wollen jedoch nur uoch mit einigen Worten die no^
terre Denkmälerwut streifen. Sie ist bei uns noch nicht in ein so gefährliches
Stadium getreten wie in Frankreich, wo der in den Jahren 1870 und 1871
so tief verletzte Patriotismus darin einen Trost sucht, daß er dein Dämon der
nationalen Eitelkeit wahre Hekatomben von Denkmälern weiht. Aber mich bei
uns sucht der Lvkalpatriotismus bereits hie und da mit der Laterne nach ver¬
schollenen Größen, deren Gedächtnis die dankbare Nachwelt mit einem Monu¬
mente belasten kann. Zur Besänftigung dieser Denkmälcrwut dürfte ein Vor¬
schlag sehr geeignet sein, der kürzlich aus deu Kreisen der Berliner Kommunal-
verwaltuug gemacht worden ist. Man geht nämlich mit der Absicht um, auf
einem öffentlichen Platze Berlins — vielleicht auf dem Neuen Markte — eine
Halle zu erbauen, in welcher Büsten von Männern, die in Berlin gewirkt oder
sich um das Wohl der Stadt verdient gemacht haben, aufgestellt werden könnten.
Wenn dieser Gedanke zur Ausführung gelangte, würde die Dentmälerwnt einiger¬
maßen besänftigt werden, und die Stadt würde sich durch bestimmt geregelte,
periodisch wiederkehrende Auftrüge an Künstler ein größeres Verdienst um die
allgemeine Förderung der Kunst erwerben, als wenn sie seltener, aber desto
tiefer in den Säckel greift und Beiträge zu einem Goethe-, Luther- oder Lessing¬
denkmal giebt.

Seit Jahr und Tag befinden sich die deutschen Künstler, wenige Ans-


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[0045] Moderne DenkmKler. Es ist bekannt, in wie grausamer Weise der Versuch, künstlerische Genialität in die soliden Bahnen kleinbürgerlicher Pvrträtplastik zurückzudrängen, bestraft worden ist. Aber eine Lehre hat kein später zusammengetretenes Deutmäler- komitee aus diesem Falle gezogen. Auch das Lessingkomitce nicht. Berlin wird einen sehr wohlgekleideter und anständigen Lessing erhalten, das Bataillon seiner Standbilder wird um einen gut gewachsenen Rekruten vermehrt werden. Mau konnte mit Rücksicht ans die oben zitirten Beispiele aus Dresden und Karlsbad den Einwand machen, daß Stand- und Sitzbilder mehr für öffentliche Plätze geeignet seien, während sich malerische Kompositionen, die etwa aus Büsten, allegorischen Figuren, Genien und Fontänen bestehen, besser in Garten- und Parkanlagen fügten. Dieser Einwand erscheint auf den ersten Blick stichhaltig. Aber schon seit geraumer Zeit macht sich überall das Be¬ streben geltend, auf öffentlichen Plätzen errichtete Denkmäler durch Gebüsche, Blumenbeete und kleinere Gartenanlagen von dein Straßenverkehr abzusondern. Wo es sich also um Denkmäler für Geisteshelden handelt, können die Künstler ihre Skizzen von vornherein auf das Zusammenwirken mit einem kleinen Land- schaftsbilde oder gärtnerischen Schmuckplatze berechnen. Bei dem Lessingdenkmal sür Berlin war auf die landschaftliche Umgebung schon in dem Koukurrcnz- ciusschreiben hingewiesen worden. Es ließe sich zu dem Thema „Moderne Denkmäler" noch unendlich viel mehr kritisches Material beibringen, als in diesen aphoristischen Bemerkungen versucht worden ist. Wir wollen jedoch nur uoch mit einigen Worten die no^ terre Denkmälerwut streifen. Sie ist bei uns noch nicht in ein so gefährliches Stadium getreten wie in Frankreich, wo der in den Jahren 1870 und 1871 so tief verletzte Patriotismus darin einen Trost sucht, daß er dein Dämon der nationalen Eitelkeit wahre Hekatomben von Denkmälern weiht. Aber mich bei uns sucht der Lvkalpatriotismus bereits hie und da mit der Laterne nach ver¬ schollenen Größen, deren Gedächtnis die dankbare Nachwelt mit einem Monu¬ mente belasten kann. Zur Besänftigung dieser Denkmälcrwut dürfte ein Vor¬ schlag sehr geeignet sein, der kürzlich aus deu Kreisen der Berliner Kommunal- verwaltuug gemacht worden ist. Man geht nämlich mit der Absicht um, auf einem öffentlichen Platze Berlins — vielleicht auf dem Neuen Markte — eine Halle zu erbauen, in welcher Büsten von Männern, die in Berlin gewirkt oder sich um das Wohl der Stadt verdient gemacht haben, aufgestellt werden könnten. Wenn dieser Gedanke zur Ausführung gelangte, würde die Dentmälerwnt einiger¬ maßen besänftigt werden, und die Stadt würde sich durch bestimmt geregelte, periodisch wiederkehrende Auftrüge an Künstler ein größeres Verdienst um die allgemeine Förderung der Kunst erwerben, als wenn sie seltener, aber desto tiefer in den Säckel greift und Beiträge zu einem Goethe-, Luther- oder Lessing¬ denkmal giebt. Seit Jahr und Tag befinden sich die deutschen Künstler, wenige Ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/45>, abgerufen am 23.12.2024.