Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Wilhelm Herzen.

kommen war, zu gemeinsamer Reise nach Griechenland aufbrach. Im August
1842 kehrte er nach Rom zurück und schlug seine Wohnung in der Heimstätte
deutscher Gelehrter in Rom, im Institut auf dem Kapitol, auf.

Das Institut für archäologische Korrespondenz, zunächst von privatem und
internationalem Charakter als eine Gesellschaft in Rom lebender Gelehrten ge¬
gründet, welche Winckelmanns geistiges Erbe hochzuhalten entschlossen waren, war
im Jahre 1830 ans Grund fester Satzungen und uuter dem Schutze des je¬
weiligen preußischen Gesandten in Rom zu einer wissenschaftlichen Anstalt ge¬
worden, die bis zu Herzens Ankunft in Rom zuerst unter Gerhards, dann
uuter Emil Brauns, seines Schülers, Leitung, uuter mannichfachen Bedräng¬
nissen und Kämpfen um ihr Bestehen zu ehrenvoller Stellung gelangt war,
aber einer keineswegs wolkenlosen und gesicherten Zukunft entgegenging.

Goethe bezeichnet den Tag seiner Ankunft in Rom als seinen zweiten Ge¬
burtstag; auch von Herzen kann man das in gewissem Sinne sagen. Der
Weggang und der baldige Tod W. Abekens, des bisherigen Assistenten E. Brauns,
wies Wilhelm Herzen, bald nach seiner Rückkehr nach Rom, den Platz an, der
ihm wie von höherer Schickung vorausbestimmt zu sein schien und den er bis
zu seinem Tode mit höchsten Ehren behauptet hat. Zunächst als Assistent
Brauns, dann als zweiter Sekretär, stellte Herzen gegenüber dem immer
mehr ins Planlose schweifenden und an keine Grenzen sich bindenden Idealismus
Brauns, das Gegengewicht sorgfältigster und streng disziplinirter Forschung her
und wurde -- wahrhaftig kein geringeres Verdienst -- in schweren Krisen der
zuverlässigste und sicherste Leiter der geschäftlichen Ordnung des Instituts.

Herzens Studien waren zunächst der archäologisch-antiquarischen Forschung
gewidmet. Seine Abhandlung über das römische Gladiatoreuwesen im An¬
schluß an das große Borghesische Gladiatorenmosaik gewann ihm 1843 den von
der päpstlichen Akademie ausgesetzten Preis, eine Anerkennung vonseiten der
italienischen Wissenschaft, die gewissermaßen vorbildlich für seine ganze Wirk¬
samkeit geworden ist. Vielleicht ebensosehr durch natürliche Anlage^ als dnrch
Brauns ausschließliche Herrschaft in Dingen der Archäologie wurde Herzen bald
auf die Epigrnphik (Inschriftenkunde) als seinen eigentlichen Lebensberuf hinge¬
drängt. Seitdem ist diese gleichberechtigt in den Jnstitutsschriften neben der
Archäologie aufgetreten, vielfach sie fördernd und wechselseitig von ihr Förderung
erhaltend. Bartolommeo Borghesi war zu jener Zeit das Haupt epigraphischer
Forscher in Italien. In feine Schule nach San Marino ging Herzen, und im
Jahre darauf auch Theodor Mommsen. Untrennbar sind diese drei Namen
als die Begründer der modernen römischen Epigraphik für alle Zeiten ver¬
bunden. Herzens lebhaft angefochtene aber ebenso mutvoll verteidigte Ab¬
handlung über das römische Alimentarwesen ist die erste Frucht seiner bei
Borghesi gepflogenen Studien. In den folgenden Jahren war Herzen mit
der Fortsetzung von Orellis Jnschriftensammlung beschäftigt und sicherte durch


Wilhelm Herzen.

kommen war, zu gemeinsamer Reise nach Griechenland aufbrach. Im August
1842 kehrte er nach Rom zurück und schlug seine Wohnung in der Heimstätte
deutscher Gelehrter in Rom, im Institut auf dem Kapitol, auf.

Das Institut für archäologische Korrespondenz, zunächst von privatem und
internationalem Charakter als eine Gesellschaft in Rom lebender Gelehrten ge¬
gründet, welche Winckelmanns geistiges Erbe hochzuhalten entschlossen waren, war
im Jahre 1830 ans Grund fester Satzungen und uuter dem Schutze des je¬
weiligen preußischen Gesandten in Rom zu einer wissenschaftlichen Anstalt ge¬
worden, die bis zu Herzens Ankunft in Rom zuerst unter Gerhards, dann
uuter Emil Brauns, seines Schülers, Leitung, uuter mannichfachen Bedräng¬
nissen und Kämpfen um ihr Bestehen zu ehrenvoller Stellung gelangt war,
aber einer keineswegs wolkenlosen und gesicherten Zukunft entgegenging.

Goethe bezeichnet den Tag seiner Ankunft in Rom als seinen zweiten Ge¬
burtstag; auch von Herzen kann man das in gewissem Sinne sagen. Der
Weggang und der baldige Tod W. Abekens, des bisherigen Assistenten E. Brauns,
wies Wilhelm Herzen, bald nach seiner Rückkehr nach Rom, den Platz an, der
ihm wie von höherer Schickung vorausbestimmt zu sein schien und den er bis
zu seinem Tode mit höchsten Ehren behauptet hat. Zunächst als Assistent
Brauns, dann als zweiter Sekretär, stellte Herzen gegenüber dem immer
mehr ins Planlose schweifenden und an keine Grenzen sich bindenden Idealismus
Brauns, das Gegengewicht sorgfältigster und streng disziplinirter Forschung her
und wurde — wahrhaftig kein geringeres Verdienst — in schweren Krisen der
zuverlässigste und sicherste Leiter der geschäftlichen Ordnung des Instituts.

Herzens Studien waren zunächst der archäologisch-antiquarischen Forschung
gewidmet. Seine Abhandlung über das römische Gladiatoreuwesen im An¬
schluß an das große Borghesische Gladiatorenmosaik gewann ihm 1843 den von
der päpstlichen Akademie ausgesetzten Preis, eine Anerkennung vonseiten der
italienischen Wissenschaft, die gewissermaßen vorbildlich für seine ganze Wirk¬
samkeit geworden ist. Vielleicht ebensosehr durch natürliche Anlage^ als dnrch
Brauns ausschließliche Herrschaft in Dingen der Archäologie wurde Herzen bald
auf die Epigrnphik (Inschriftenkunde) als seinen eigentlichen Lebensberuf hinge¬
drängt. Seitdem ist diese gleichberechtigt in den Jnstitutsschriften neben der
Archäologie aufgetreten, vielfach sie fördernd und wechselseitig von ihr Förderung
erhaltend. Bartolommeo Borghesi war zu jener Zeit das Haupt epigraphischer
Forscher in Italien. In feine Schule nach San Marino ging Herzen, und im
Jahre darauf auch Theodor Mommsen. Untrennbar sind diese drei Namen
als die Begründer der modernen römischen Epigraphik für alle Zeiten ver¬
bunden. Herzens lebhaft angefochtene aber ebenso mutvoll verteidigte Ab¬
handlung über das römische Alimentarwesen ist die erste Frucht seiner bei
Borghesi gepflogenen Studien. In den folgenden Jahren war Herzen mit
der Fortsetzung von Orellis Jnschriftensammlung beschäftigt und sicherte durch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200533"/>
          <fw type="header" place="top"> Wilhelm Herzen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1339" prev="#ID_1338"> kommen war, zu gemeinsamer Reise nach Griechenland aufbrach. Im August<lb/>
1842 kehrte er nach Rom zurück und schlug seine Wohnung in der Heimstätte<lb/>
deutscher Gelehrter in Rom, im Institut auf dem Kapitol, auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1340"> Das Institut für archäologische Korrespondenz, zunächst von privatem und<lb/>
internationalem Charakter als eine Gesellschaft in Rom lebender Gelehrten ge¬<lb/>
gründet, welche Winckelmanns geistiges Erbe hochzuhalten entschlossen waren, war<lb/>
im Jahre 1830 ans Grund fester Satzungen und uuter dem Schutze des je¬<lb/>
weiligen preußischen Gesandten in Rom zu einer wissenschaftlichen Anstalt ge¬<lb/>
worden, die bis zu Herzens Ankunft in Rom zuerst unter Gerhards, dann<lb/>
uuter Emil Brauns, seines Schülers, Leitung, uuter mannichfachen Bedräng¬<lb/>
nissen und Kämpfen um ihr Bestehen zu ehrenvoller Stellung gelangt war,<lb/>
aber einer keineswegs wolkenlosen und gesicherten Zukunft entgegenging.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1341"> Goethe bezeichnet den Tag seiner Ankunft in Rom als seinen zweiten Ge¬<lb/>
burtstag; auch von Herzen kann man das in gewissem Sinne sagen. Der<lb/>
Weggang und der baldige Tod W. Abekens, des bisherigen Assistenten E. Brauns,<lb/>
wies Wilhelm Herzen, bald nach seiner Rückkehr nach Rom, den Platz an, der<lb/>
ihm wie von höherer Schickung vorausbestimmt zu sein schien und den er bis<lb/>
zu seinem Tode mit höchsten Ehren behauptet hat. Zunächst als Assistent<lb/>
Brauns, dann als zweiter Sekretär, stellte Herzen gegenüber dem immer<lb/>
mehr ins Planlose schweifenden und an keine Grenzen sich bindenden Idealismus<lb/>
Brauns, das Gegengewicht sorgfältigster und streng disziplinirter Forschung her<lb/>
und wurde &#x2014; wahrhaftig kein geringeres Verdienst &#x2014; in schweren Krisen der<lb/>
zuverlässigste und sicherste Leiter der geschäftlichen Ordnung des Instituts.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1342" next="#ID_1343"> Herzens Studien waren zunächst der archäologisch-antiquarischen Forschung<lb/>
gewidmet. Seine Abhandlung über das römische Gladiatoreuwesen im An¬<lb/>
schluß an das große Borghesische Gladiatorenmosaik gewann ihm 1843 den von<lb/>
der päpstlichen Akademie ausgesetzten Preis, eine Anerkennung vonseiten der<lb/>
italienischen Wissenschaft, die gewissermaßen vorbildlich für seine ganze Wirk¬<lb/>
samkeit geworden ist. Vielleicht ebensosehr durch natürliche Anlage^ als dnrch<lb/>
Brauns ausschließliche Herrschaft in Dingen der Archäologie wurde Herzen bald<lb/>
auf die Epigrnphik (Inschriftenkunde) als seinen eigentlichen Lebensberuf hinge¬<lb/>
drängt. Seitdem ist diese gleichberechtigt in den Jnstitutsschriften neben der<lb/>
Archäologie aufgetreten, vielfach sie fördernd und wechselseitig von ihr Förderung<lb/>
erhaltend. Bartolommeo Borghesi war zu jener Zeit das Haupt epigraphischer<lb/>
Forscher in Italien. In feine Schule nach San Marino ging Herzen, und im<lb/>
Jahre darauf auch Theodor Mommsen. Untrennbar sind diese drei Namen<lb/>
als die Begründer der modernen römischen Epigraphik für alle Zeiten ver¬<lb/>
bunden. Herzens lebhaft angefochtene aber ebenso mutvoll verteidigte Ab¬<lb/>
handlung über das römische Alimentarwesen ist die erste Frucht seiner bei<lb/>
Borghesi gepflogenen Studien. In den folgenden Jahren war Herzen mit<lb/>
der Fortsetzung von Orellis Jnschriftensammlung beschäftigt und sicherte durch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0428] Wilhelm Herzen. kommen war, zu gemeinsamer Reise nach Griechenland aufbrach. Im August 1842 kehrte er nach Rom zurück und schlug seine Wohnung in der Heimstätte deutscher Gelehrter in Rom, im Institut auf dem Kapitol, auf. Das Institut für archäologische Korrespondenz, zunächst von privatem und internationalem Charakter als eine Gesellschaft in Rom lebender Gelehrten ge¬ gründet, welche Winckelmanns geistiges Erbe hochzuhalten entschlossen waren, war im Jahre 1830 ans Grund fester Satzungen und uuter dem Schutze des je¬ weiligen preußischen Gesandten in Rom zu einer wissenschaftlichen Anstalt ge¬ worden, die bis zu Herzens Ankunft in Rom zuerst unter Gerhards, dann uuter Emil Brauns, seines Schülers, Leitung, uuter mannichfachen Bedräng¬ nissen und Kämpfen um ihr Bestehen zu ehrenvoller Stellung gelangt war, aber einer keineswegs wolkenlosen und gesicherten Zukunft entgegenging. Goethe bezeichnet den Tag seiner Ankunft in Rom als seinen zweiten Ge¬ burtstag; auch von Herzen kann man das in gewissem Sinne sagen. Der Weggang und der baldige Tod W. Abekens, des bisherigen Assistenten E. Brauns, wies Wilhelm Herzen, bald nach seiner Rückkehr nach Rom, den Platz an, der ihm wie von höherer Schickung vorausbestimmt zu sein schien und den er bis zu seinem Tode mit höchsten Ehren behauptet hat. Zunächst als Assistent Brauns, dann als zweiter Sekretär, stellte Herzen gegenüber dem immer mehr ins Planlose schweifenden und an keine Grenzen sich bindenden Idealismus Brauns, das Gegengewicht sorgfältigster und streng disziplinirter Forschung her und wurde — wahrhaftig kein geringeres Verdienst — in schweren Krisen der zuverlässigste und sicherste Leiter der geschäftlichen Ordnung des Instituts. Herzens Studien waren zunächst der archäologisch-antiquarischen Forschung gewidmet. Seine Abhandlung über das römische Gladiatoreuwesen im An¬ schluß an das große Borghesische Gladiatorenmosaik gewann ihm 1843 den von der päpstlichen Akademie ausgesetzten Preis, eine Anerkennung vonseiten der italienischen Wissenschaft, die gewissermaßen vorbildlich für seine ganze Wirk¬ samkeit geworden ist. Vielleicht ebensosehr durch natürliche Anlage^ als dnrch Brauns ausschließliche Herrschaft in Dingen der Archäologie wurde Herzen bald auf die Epigrnphik (Inschriftenkunde) als seinen eigentlichen Lebensberuf hinge¬ drängt. Seitdem ist diese gleichberechtigt in den Jnstitutsschriften neben der Archäologie aufgetreten, vielfach sie fördernd und wechselseitig von ihr Förderung erhaltend. Bartolommeo Borghesi war zu jener Zeit das Haupt epigraphischer Forscher in Italien. In feine Schule nach San Marino ging Herzen, und im Jahre darauf auch Theodor Mommsen. Untrennbar sind diese drei Namen als die Begründer der modernen römischen Epigraphik für alle Zeiten ver¬ bunden. Herzens lebhaft angefochtene aber ebenso mutvoll verteidigte Ab¬ handlung über das römische Alimentarwesen ist die erste Frucht seiner bei Borghesi gepflogenen Studien. In den folgenden Jahren war Herzen mit der Fortsetzung von Orellis Jnschriftensammlung beschäftigt und sicherte durch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/428
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/428>, abgerufen am 23.12.2024.