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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

tages, welches noch unduldsamer als die Landesordnungen der Jcigellonen war.
Es hieß darin: 1. Künftig und in ewigen Zeiten soll kein Ausländer, welcher
der tschechischen Sprache unkundig ist und sich in derselben vor Gerichten nicht
gehörig ausdrücken kann, als Einwohner des Landes und Bürger einer Stadt
angenommen werden. 2. Ein Ausländer, der nach Erlernung des Tschechischen
endlich das Bürgerrecht einer Stadt erworben hat, soll demungeachtet zu keinem
öffentlichen Amte gelangen, und ebensowenig seine Kinder; erst seine Enkel sollen
als eingeborne Böhmen betrachtet und der Rechte von Landesangehörigen teil¬
haft werden. 3. Dann soll in den Kirchen und Schulen, wo vor zehn Jahren
tschechisch gepredigt oder gelehrt worden ist, dieser löbliche Gebrauch fortgesetzt
werden, und wo jetzt ein deutscher Pfarrer oder Schulmeister vorhanden ist,
foll ein tschechischer angestellt werden. Ausgenommen sollen hiervon nur die
neuen Kirchen und Schulen sein. 4. Weil man in Erfahrung gebracht hat,
daß einige Personen sowohl höheren und niederen Standes bei ihren Zusammen¬
künften nicht tschechisch, sondern eine andre Sprache reden, was Verachtung ihrer
Muttersprache andeutet und der ganzen Nation zur Schande gereicht, so sollen
diese Leute, wenn sie tschechisch sprechen können und doch in ihrem Vorhaben
fortfahren, in Zeit von einem halben Jahre das Land räumen, bis dahin aber
als Störer des allgemeinen Besten angesehen und keiner der Vorrechte und
Freiheiten der übrigen Einwohner Böhmens teilhaft sein. 5. Da ferner einige
Städter eine Gemeinde, welche sie die deutsche nennen, untereinander gebildet
haben, man aber in diesem Königreiche zu allen Zeiten nur von einer tschechischen
Gemeinde weiß, so sollen alle die, welche sich zu jener deutschen Gesellschaft
halten und dreist genug sind, dabei zu verbleiben, mit der oben genannten
Strafe belegt und gezüchtigt werden." Man ersieht hieraus, daß das Deutsch¬
tum trotz aller Ungunst der Zeit bereits wieder erheblich an Boden gewonnen
hatte. Die Natur der Dinge ließ sich durch Landtagsbeschlüsse und Verord¬
nungen eben nicht absperren und unterdrücken. Dazu kam, daß das jetzt deutsche
Regentenhaus das Wirken derselben wenigstens mittelbar förderte. Die Hof¬
sprache war deutsch, und der Adel mußte sie lernen, da er nicht ganz abseits
bleiben konnte. Die gelehrten Beisitzer des von Ferdinand errichteten Appell-
Hofs waren meist Deutsche, und die böhmische Kammer, unter deren Mitgliedern
wir mehrere Tiroler finden, wurde 1528 geradezu angewiesen, deutsch zu am-
tiren. Auch Reglerungserlasse ergingen allmählich häufiger in dieser Sprache.

Als die Lehre Luthers sich nach Süden Bahn brach, fand sie auch den
Weg nach Böhmen, und zwar zunächst zu den Deutschen im Norden und Nord¬
westen, daun auch zu den Tschechen, sodaß der Utraquismus zuletzt ganz im
Protestantismus aufging. Letzterer entwickelte sich unter der milden Negierung
Maximilians II. in Frieden, und Rudolfs Majestätsbrief gestattete ihm gesetz¬
liche Geltung. Selbstverständlich kam dies anch dem Dentschtume zu Gute, da
namentlich der Adel mit Luther in Verbindung trat, viele vornehme Böhme.n


Deutsch-böhmische Briefe.

tages, welches noch unduldsamer als die Landesordnungen der Jcigellonen war.
Es hieß darin: 1. Künftig und in ewigen Zeiten soll kein Ausländer, welcher
der tschechischen Sprache unkundig ist und sich in derselben vor Gerichten nicht
gehörig ausdrücken kann, als Einwohner des Landes und Bürger einer Stadt
angenommen werden. 2. Ein Ausländer, der nach Erlernung des Tschechischen
endlich das Bürgerrecht einer Stadt erworben hat, soll demungeachtet zu keinem
öffentlichen Amte gelangen, und ebensowenig seine Kinder; erst seine Enkel sollen
als eingeborne Böhmen betrachtet und der Rechte von Landesangehörigen teil¬
haft werden. 3. Dann soll in den Kirchen und Schulen, wo vor zehn Jahren
tschechisch gepredigt oder gelehrt worden ist, dieser löbliche Gebrauch fortgesetzt
werden, und wo jetzt ein deutscher Pfarrer oder Schulmeister vorhanden ist,
foll ein tschechischer angestellt werden. Ausgenommen sollen hiervon nur die
neuen Kirchen und Schulen sein. 4. Weil man in Erfahrung gebracht hat,
daß einige Personen sowohl höheren und niederen Standes bei ihren Zusammen¬
künften nicht tschechisch, sondern eine andre Sprache reden, was Verachtung ihrer
Muttersprache andeutet und der ganzen Nation zur Schande gereicht, so sollen
diese Leute, wenn sie tschechisch sprechen können und doch in ihrem Vorhaben
fortfahren, in Zeit von einem halben Jahre das Land räumen, bis dahin aber
als Störer des allgemeinen Besten angesehen und keiner der Vorrechte und
Freiheiten der übrigen Einwohner Böhmens teilhaft sein. 5. Da ferner einige
Städter eine Gemeinde, welche sie die deutsche nennen, untereinander gebildet
haben, man aber in diesem Königreiche zu allen Zeiten nur von einer tschechischen
Gemeinde weiß, so sollen alle die, welche sich zu jener deutschen Gesellschaft
halten und dreist genug sind, dabei zu verbleiben, mit der oben genannten
Strafe belegt und gezüchtigt werden." Man ersieht hieraus, daß das Deutsch¬
tum trotz aller Ungunst der Zeit bereits wieder erheblich an Boden gewonnen
hatte. Die Natur der Dinge ließ sich durch Landtagsbeschlüsse und Verord¬
nungen eben nicht absperren und unterdrücken. Dazu kam, daß das jetzt deutsche
Regentenhaus das Wirken derselben wenigstens mittelbar förderte. Die Hof¬
sprache war deutsch, und der Adel mußte sie lernen, da er nicht ganz abseits
bleiben konnte. Die gelehrten Beisitzer des von Ferdinand errichteten Appell-
Hofs waren meist Deutsche, und die böhmische Kammer, unter deren Mitgliedern
wir mehrere Tiroler finden, wurde 1528 geradezu angewiesen, deutsch zu am-
tiren. Auch Reglerungserlasse ergingen allmählich häufiger in dieser Sprache.

Als die Lehre Luthers sich nach Süden Bahn brach, fand sie auch den
Weg nach Böhmen, und zwar zunächst zu den Deutschen im Norden und Nord¬
westen, daun auch zu den Tschechen, sodaß der Utraquismus zuletzt ganz im
Protestantismus aufging. Letzterer entwickelte sich unter der milden Negierung
Maximilians II. in Frieden, und Rudolfs Majestätsbrief gestattete ihm gesetz¬
liche Geltung. Selbstverständlich kam dies anch dem Dentschtume zu Gute, da
namentlich der Adel mit Luther in Verbindung trat, viele vornehme Böhme.n


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[0413] Deutsch-böhmische Briefe. tages, welches noch unduldsamer als die Landesordnungen der Jcigellonen war. Es hieß darin: 1. Künftig und in ewigen Zeiten soll kein Ausländer, welcher der tschechischen Sprache unkundig ist und sich in derselben vor Gerichten nicht gehörig ausdrücken kann, als Einwohner des Landes und Bürger einer Stadt angenommen werden. 2. Ein Ausländer, der nach Erlernung des Tschechischen endlich das Bürgerrecht einer Stadt erworben hat, soll demungeachtet zu keinem öffentlichen Amte gelangen, und ebensowenig seine Kinder; erst seine Enkel sollen als eingeborne Böhmen betrachtet und der Rechte von Landesangehörigen teil¬ haft werden. 3. Dann soll in den Kirchen und Schulen, wo vor zehn Jahren tschechisch gepredigt oder gelehrt worden ist, dieser löbliche Gebrauch fortgesetzt werden, und wo jetzt ein deutscher Pfarrer oder Schulmeister vorhanden ist, foll ein tschechischer angestellt werden. Ausgenommen sollen hiervon nur die neuen Kirchen und Schulen sein. 4. Weil man in Erfahrung gebracht hat, daß einige Personen sowohl höheren und niederen Standes bei ihren Zusammen¬ künften nicht tschechisch, sondern eine andre Sprache reden, was Verachtung ihrer Muttersprache andeutet und der ganzen Nation zur Schande gereicht, so sollen diese Leute, wenn sie tschechisch sprechen können und doch in ihrem Vorhaben fortfahren, in Zeit von einem halben Jahre das Land räumen, bis dahin aber als Störer des allgemeinen Besten angesehen und keiner der Vorrechte und Freiheiten der übrigen Einwohner Böhmens teilhaft sein. 5. Da ferner einige Städter eine Gemeinde, welche sie die deutsche nennen, untereinander gebildet haben, man aber in diesem Königreiche zu allen Zeiten nur von einer tschechischen Gemeinde weiß, so sollen alle die, welche sich zu jener deutschen Gesellschaft halten und dreist genug sind, dabei zu verbleiben, mit der oben genannten Strafe belegt und gezüchtigt werden." Man ersieht hieraus, daß das Deutsch¬ tum trotz aller Ungunst der Zeit bereits wieder erheblich an Boden gewonnen hatte. Die Natur der Dinge ließ sich durch Landtagsbeschlüsse und Verord¬ nungen eben nicht absperren und unterdrücken. Dazu kam, daß das jetzt deutsche Regentenhaus das Wirken derselben wenigstens mittelbar förderte. Die Hof¬ sprache war deutsch, und der Adel mußte sie lernen, da er nicht ganz abseits bleiben konnte. Die gelehrten Beisitzer des von Ferdinand errichteten Appell- Hofs waren meist Deutsche, und die böhmische Kammer, unter deren Mitgliedern wir mehrere Tiroler finden, wurde 1528 geradezu angewiesen, deutsch zu am- tiren. Auch Reglerungserlasse ergingen allmählich häufiger in dieser Sprache. Als die Lehre Luthers sich nach Süden Bahn brach, fand sie auch den Weg nach Böhmen, und zwar zunächst zu den Deutschen im Norden und Nord¬ westen, daun auch zu den Tschechen, sodaß der Utraquismus zuletzt ganz im Protestantismus aufging. Letzterer entwickelte sich unter der milden Negierung Maximilians II. in Frieden, und Rudolfs Majestätsbrief gestattete ihm gesetz¬ liche Geltung. Selbstverständlich kam dies anch dem Dentschtume zu Gute, da namentlich der Adel mit Luther in Verbindung trat, viele vornehme Böhme.n

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/413>, abgerufen am 23.12.2024.