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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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ausarten. Die Leipziger wissen, was sie an ihrem sitzenden Hahnemann haben,
und die Berliner sind auch nicht berechtigt, auf ihren zusammengeknickten
Alexander von Humboldt stolz zu sein, welcher, vor der Universität hockend,
trübselig nach dem königlichen Palais hinüberblickt, wo der Kammerherr hente
erheblich weniger gilt als der Feldherr.

Das Berliner Lessingtomitce ist trotz der Übeln Erfahrungen der letzten
Jahre und ohne einige glückliche Reformversuche zu berücksichtigen, auf die wir
noch zurückkommen werden, zu dem alten Denkmälertypus oder vielmehr zu dem
alten Zopfe zurückgekehrt. Es hat in seinem " Koukurrenzausschreiben an alle
deutschen Künstler," welches, nebenbei bemerkt, an Unklarheit in Bezug auf die
Teilnahmeberechtigung der Künstler nichts zu wünschen übrig läßt, die Be¬
stimmung getroffen, daß "die Figur Lessings stehend darzustellen" sei. Soweit
unsre Erinnerung reicht, ist dies das erstemal, daß in einem allgemeinen Kon-
kurrenzausschreibcu eine Forderung von solcher Engherzigkeit gestellt worden ist.
Es hat denn auch nicht an Nemoustrationen gefehlt, und man erzählt sich,
daß ein sehr berufener Lessingbildner seine Ansicht über diese allerdings ganz
unbegründete Beschränkung dem Komitee in unverblümter Weise mitgeteilt haben
soll. Hat das Komitee sich in diesem Punkte an dem alten Zopfe festge¬
klammert, so hat es in einem andern eine Neuerung beliebt, die, wie es scheint,
nicht wenige Bildhauer von der Beteiligung an der Konkurrenz abgeschreckt hat.
In dem Preisausschreiben vom 29. März heißt es nämlich, daß die "Herren
Donndorf, Encke, Otto Lessing, Paul Otto, Sicmering und Zumbusch ihre Teil¬
nahme an der Konkurrenz zugesagt haben." Das setzt doch zum mindesten
voraus, daß das Komitee vor Erlaß des Preisausschreibens mit den genannten
Künstlern in Verbindung getreten ist, und darin liegt eine Zurücksetzung von
zahlreichen andern, mindestens ebenso bedeutenden Künstlern. Vielleicht hat
auch das Komitee vor dem öffentlichen Preisansschrciben private Einladungen
an eine größere Anzahl von Bildhauern ergehe" lassen, und jene Zusagen waren
nur das Ergebnis der Einladungsbricfe. Aber in diesem Falle hätte eine
Nennung derjenigen Bildhauer unterbleiben müssen, die eine Zusage gemacht
hatten. Die Namen Siemering, Zumbusch, Donndorf und Encke haben diesem
und jenem als Bevorzugte gegolten, und mancher hat von vornherein alle
Hoffnung draußen gelassen und sich garnicht an der Konkurrenz beteiligt.

Und was ist das materielle Ergebnis des Wettbewerbes gewesen? Zum¬
busch und Pont Otto haben trotz ihrer Zusage -- sicherlich mit triftiger Ent¬
schuldigung bei dem Komitee -- keine Entwürfe eingesandt, und das Gesamt¬
ergebnis eines "an alle dentschen Künstler" erlassenen Preisausschreibens beläuft
sich auf -- sechsundzwanzig Entwürfe! Deutschland besitzt etwa dreihundert
Bildhauer, eine Schätzung, die vielleicht noch etwas zu niedrig ist und bei
der wir auch von den Deutschösterreichcrn abgesehen haben. Es haben sich also
ungefähr neun Prozent an der Konkurrenz beteiligt, ein Ergebnis, welches


ausarten. Die Leipziger wissen, was sie an ihrem sitzenden Hahnemann haben,
und die Berliner sind auch nicht berechtigt, auf ihren zusammengeknickten
Alexander von Humboldt stolz zu sein, welcher, vor der Universität hockend,
trübselig nach dem königlichen Palais hinüberblickt, wo der Kammerherr hente
erheblich weniger gilt als der Feldherr.

Das Berliner Lessingtomitce ist trotz der Übeln Erfahrungen der letzten
Jahre und ohne einige glückliche Reformversuche zu berücksichtigen, auf die wir
noch zurückkommen werden, zu dem alten Denkmälertypus oder vielmehr zu dem
alten Zopfe zurückgekehrt. Es hat in seinem „ Koukurrenzausschreiben an alle
deutschen Künstler," welches, nebenbei bemerkt, an Unklarheit in Bezug auf die
Teilnahmeberechtigung der Künstler nichts zu wünschen übrig läßt, die Be¬
stimmung getroffen, daß „die Figur Lessings stehend darzustellen" sei. Soweit
unsre Erinnerung reicht, ist dies das erstemal, daß in einem allgemeinen Kon-
kurrenzausschreibcu eine Forderung von solcher Engherzigkeit gestellt worden ist.
Es hat denn auch nicht an Nemoustrationen gefehlt, und man erzählt sich,
daß ein sehr berufener Lessingbildner seine Ansicht über diese allerdings ganz
unbegründete Beschränkung dem Komitee in unverblümter Weise mitgeteilt haben
soll. Hat das Komitee sich in diesem Punkte an dem alten Zopfe festge¬
klammert, so hat es in einem andern eine Neuerung beliebt, die, wie es scheint,
nicht wenige Bildhauer von der Beteiligung an der Konkurrenz abgeschreckt hat.
In dem Preisausschreiben vom 29. März heißt es nämlich, daß die „Herren
Donndorf, Encke, Otto Lessing, Paul Otto, Sicmering und Zumbusch ihre Teil¬
nahme an der Konkurrenz zugesagt haben." Das setzt doch zum mindesten
voraus, daß das Komitee vor Erlaß des Preisausschreibens mit den genannten
Künstlern in Verbindung getreten ist, und darin liegt eine Zurücksetzung von
zahlreichen andern, mindestens ebenso bedeutenden Künstlern. Vielleicht hat
auch das Komitee vor dem öffentlichen Preisansschrciben private Einladungen
an eine größere Anzahl von Bildhauern ergehe» lassen, und jene Zusagen waren
nur das Ergebnis der Einladungsbricfe. Aber in diesem Falle hätte eine
Nennung derjenigen Bildhauer unterbleiben müssen, die eine Zusage gemacht
hatten. Die Namen Siemering, Zumbusch, Donndorf und Encke haben diesem
und jenem als Bevorzugte gegolten, und mancher hat von vornherein alle
Hoffnung draußen gelassen und sich garnicht an der Konkurrenz beteiligt.

Und was ist das materielle Ergebnis des Wettbewerbes gewesen? Zum¬
busch und Pont Otto haben trotz ihrer Zusage — sicherlich mit triftiger Ent¬
schuldigung bei dem Komitee — keine Entwürfe eingesandt, und das Gesamt¬
ergebnis eines „an alle dentschen Künstler" erlassenen Preisausschreibens beläuft
sich auf — sechsundzwanzig Entwürfe! Deutschland besitzt etwa dreihundert
Bildhauer, eine Schätzung, die vielleicht noch etwas zu niedrig ist und bei
der wir auch von den Deutschösterreichcrn abgesehen haben. Es haben sich also
ungefähr neun Prozent an der Konkurrenz beteiligt, ein Ergebnis, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/40>, abgerufen am 23.12.2024.