Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Jugeudorinnerungon. Kreise und erforderte noch mancherlei Kenntnisse, die vom bloßen Sehen nie¬ Wie war nun dies rastlos thätige Leben, das ich wöchentlich mehrmals in Vergleiche, die ich zwischen dem Leben der vielen Verwandten in der Stadt Wie anders lebte der Bauer auf seinem Hofe! Rund um denselben legten Jugeudorinnerungon. Kreise und erforderte noch mancherlei Kenntnisse, die vom bloßen Sehen nie¬ Wie war nun dies rastlos thätige Leben, das ich wöchentlich mehrmals in Vergleiche, die ich zwischen dem Leben der vielen Verwandten in der Stadt Wie anders lebte der Bauer auf seinem Hofe! Rund um denselben legten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0398" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200503"/> <fw type="header" place="top"> Jugeudorinnerungon.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1252" prev="#ID_1251"> Kreise und erforderte noch mancherlei Kenntnisse, die vom bloßen Sehen nie¬<lb/> mand anflogen. Hier mußte jeder feine Kräfte üben, selbst entschlossen Hand<lb/> anlegen, wenn er es zur Fertigkeit und Meisterschaft bringen wollte. Dies nun<lb/> that allen voran und in allen Dingen mit Lust und Eifer der Vater meines<lb/> jugendlichen Genossen, Im Hofe bei irgendwelcher häuslichen, oft ganz unter¬<lb/> geordneten Arbeit, auf dem Felde hinter Pflug und Egge, auf der Tenne ?e.,<lb/> überall war der Bauer der erste, der maßgebende. Ihm zunächst folgte der<lb/> erwachsene Sohn, und diesem eine ganze Reihe stattlicher Knechte und Mägde.<lb/> Es griff alles in einander, wie ein Uhrwerk, ohne vieles Befehlen, ohne Schimpfen<lb/> und Zanken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1253"> Wie war nun dies rastlos thätige Leben, das ich wöchentlich mehrmals in<lb/> seinen verschiednen Erscheinungen beobachten konnte, in Einklang zu bringen mit<lb/> den absprechender Urteilen, die ich so häufig von den Verwandten in der Stadt<lb/> über die Bauern hören mußte? Diese sprachen gewöhnlich mit hochmütigem<lb/> Naserümpfen von dem Bauer, legten ihm häßliche Ekelnamen bei und blickten<lb/> mit unverkennbarer Verachtung auf ihn herab, als auf eine Klasse, die ab¬<lb/> grundtief unter ihnen stehe. Auch das Wort „dumm" ward dem Bauer nicht<lb/> selten beigelegt, doch sollte dies mehr den Mangel an wirklichem Wissen andeuten,<lb/> als eine Bezeichnung für seine ungnügende geistige Begabung sein. In gewissem<lb/> Sinne gestand man ihm eine solche sogar zu, denn man nannte ihn auch be¬<lb/> rechnend und schlau und bestritt nicht, daß er es sehr Wohl verstehe, seinen<lb/> Vorteil im Auge zu behalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Vergleiche, die ich zwischen dem Leben der vielen Verwandten in der Stadt<lb/> und dem der Bauern auf dem Lande anstellte, fielen nicht eben zu Gunsten der<lb/> ersteren aus. Dort war alles beengt, das Leben eintönig und dabei in ge¬<lb/> wissem Sinne anspruchsvoll. Ein eignes Hans besaß fast keiner; die meisten<lb/> bewohnten enge Stockwerke mit wenigen Zimmern; wollten sie frische Luft atmen,<lb/> so mußten sie diese außerhalb der Stadtmauern suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255"> Wie anders lebte der Bauer auf seinem Hofe! Rund um denselben legten<lb/> sich weite Gärten mit den schönsten Obstbäumen, die gewöhnlich Früchte im<lb/> Überfluß trugen, Haus und Hof mit allem, was sein Herz begehrte, war er¬<lb/> erbtes Eigentum, dessen Wert durch sein Alter und längeres Verbleibe» in ein<lb/> und derselben Familie noch bedeutend erhöht wurde. Trat er aber aus dem<lb/> Gehöft heraus, so lagen vor ihm reiche Felder mit blühenden Saaten, und<lb/> wohin er seinen Fuß auch setzen mochte, immer war es eigner Boden, der ihn<lb/> trug, auf dem er als freier Herr schaltete und waltete. Und fast alles zum<lb/> Leben nötige erbaute er selbst, wenn er sich in gewissen Grenzen zu halten ver¬<lb/> stand und es nicht etwa den eidlichen Gutsbesitzern gleich thun wollte. Wahrlich,<lb/> die Entscheidung der Frage, wessen Loos beneidenswerter sei, das des städtischen<lb/> Beamten oder des auf seiner Hufe unbeschränkt herrschenden und gebietenden<lb/> Bauern, dünkte mir nicht schwer zu entscheiden!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0398]
Jugeudorinnerungon.
Kreise und erforderte noch mancherlei Kenntnisse, die vom bloßen Sehen nie¬
mand anflogen. Hier mußte jeder feine Kräfte üben, selbst entschlossen Hand
anlegen, wenn er es zur Fertigkeit und Meisterschaft bringen wollte. Dies nun
that allen voran und in allen Dingen mit Lust und Eifer der Vater meines
jugendlichen Genossen, Im Hofe bei irgendwelcher häuslichen, oft ganz unter¬
geordneten Arbeit, auf dem Felde hinter Pflug und Egge, auf der Tenne ?e.,
überall war der Bauer der erste, der maßgebende. Ihm zunächst folgte der
erwachsene Sohn, und diesem eine ganze Reihe stattlicher Knechte und Mägde.
Es griff alles in einander, wie ein Uhrwerk, ohne vieles Befehlen, ohne Schimpfen
und Zanken.
Wie war nun dies rastlos thätige Leben, das ich wöchentlich mehrmals in
seinen verschiednen Erscheinungen beobachten konnte, in Einklang zu bringen mit
den absprechender Urteilen, die ich so häufig von den Verwandten in der Stadt
über die Bauern hören mußte? Diese sprachen gewöhnlich mit hochmütigem
Naserümpfen von dem Bauer, legten ihm häßliche Ekelnamen bei und blickten
mit unverkennbarer Verachtung auf ihn herab, als auf eine Klasse, die ab¬
grundtief unter ihnen stehe. Auch das Wort „dumm" ward dem Bauer nicht
selten beigelegt, doch sollte dies mehr den Mangel an wirklichem Wissen andeuten,
als eine Bezeichnung für seine ungnügende geistige Begabung sein. In gewissem
Sinne gestand man ihm eine solche sogar zu, denn man nannte ihn auch be¬
rechnend und schlau und bestritt nicht, daß er es sehr Wohl verstehe, seinen
Vorteil im Auge zu behalten.
Vergleiche, die ich zwischen dem Leben der vielen Verwandten in der Stadt
und dem der Bauern auf dem Lande anstellte, fielen nicht eben zu Gunsten der
ersteren aus. Dort war alles beengt, das Leben eintönig und dabei in ge¬
wissem Sinne anspruchsvoll. Ein eignes Hans besaß fast keiner; die meisten
bewohnten enge Stockwerke mit wenigen Zimmern; wollten sie frische Luft atmen,
so mußten sie diese außerhalb der Stadtmauern suchen.
Wie anders lebte der Bauer auf seinem Hofe! Rund um denselben legten
sich weite Gärten mit den schönsten Obstbäumen, die gewöhnlich Früchte im
Überfluß trugen, Haus und Hof mit allem, was sein Herz begehrte, war er¬
erbtes Eigentum, dessen Wert durch sein Alter und längeres Verbleibe» in ein
und derselben Familie noch bedeutend erhöht wurde. Trat er aber aus dem
Gehöft heraus, so lagen vor ihm reiche Felder mit blühenden Saaten, und
wohin er seinen Fuß auch setzen mochte, immer war es eigner Boden, der ihn
trug, auf dem er als freier Herr schaltete und waltete. Und fast alles zum
Leben nötige erbaute er selbst, wenn er sich in gewissen Grenzen zu halten ver¬
stand und es nicht etwa den eidlichen Gutsbesitzern gleich thun wollte. Wahrlich,
die Entscheidung der Frage, wessen Loos beneidenswerter sei, das des städtischen
Beamten oder des auf seiner Hufe unbeschränkt herrschenden und gebietenden
Bauern, dünkte mir nicht schwer zu entscheiden!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |