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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Die Literatur über dieses wunderbare Kapitel der Kriegsgeschichte ist
ungemein ausgedehnt, aber in der Regel etwas weitschweifig und besonders in
den Veröffentlichungen der fremden Autoren übermäßig mit Frage" politischer
und sentimentaler Natur versetzt, die für deu Studirenden kein Interesse haben.
Davon unterscheiden sich die "Taktischen Studien" des Kapitäns Stone sehr
vorteilhaft, indem sie sich ausschließlich mit technische" Fragen beschäftigen und
einen klaren, erschöpfenden Bericht über die Schlachten von Wörth, Spicheren,
Mars la Tour, Gravelotte und sedem darbieten. Diese Auswahl, sagt der
Verfasser, ist in der Absicht getroffen, die Führung großer Schlachten in
modernen Zeiten zu erläutern, und zwar unter Bedingungen, welche in jedem
Falle lehrreich für die Anwendung der taktischen Prinzipien sind fast für alle
nur denkbaren Lagen, in die ein General oder Stabsoffizier gelangen kann.
Das erste Erfordernis eines technischem Werkes, das einer streng methodischen
Anordnung, ist hier in vollste": Maße erfüllt. Alle strategische" Betrachtungen
werden in dem ersten Kapitel erledigt, welches in kurzen: Abriß die Geschichte
des Krieges vom 6. bis zum 31. August giebt und die getrennten Operationen
der drei deutschen Heere von der Niederlage Mac-Masons bei Wörth bis zur
Gefangennahme des französischen Kaisers bei sedem umfaßt. So kommen die
taktischen Fragen, die in dem übrigen Teile des Buches systematisch besprochen
werden, schön und rein zur Darstellung. Diese Anordnung wird der praktische
Leser wohl zu würdigen wissen, der sich in den meisten Werken dieser Art
gezwungen sieht, das Technische aus einer erdrückenden Masse von fremdem
Beiwerk herauszusuchen. Rührende Vorfälle und tapfere Thaten sind wohl für
das große Publikum recht anziehend; in militärischen Abhandlungen können sie
aber nur als unbequeme Nebensache betrachtet werden. Übrigens scheint Kapitän
Stone, da er die Schlachtfelder, von denen er handelt, oft besucht hat, auch die
gewöhnlich von den fremden Offizieren vernachlässigte Aufgabe auf sich genommen
zu haben, sich von den Behauptungen und Schlüssen der frühern Schriftsteller
dnrch eignen Augenschein zu überzeugen.

Wenn man das ungeheure Terrain berücksichtigt, welches die moderne
Feuertaktik im Laufe einer einzigen großen Schlacht zu bedecken nötigt, so könnte
eS scheinen, als ob alle leitenden Gesichtspunkte der modernen Kriegführung
innerhalb ein und desselben Kampfes in ziemlicher Vollständigkeit zur Anschauung
kämen. Dennoch hat jedes irgendwie bedeutendere Treffen seine besondern tak¬
tischen und strategischen Merkmale, die ihm seinen eigentümlichen Charakter ver¬
leihen; und gerade in der klaren und sichern Hervorhebung dieser Merkmale
besteht der Hauptwert des Stoueschen Werkes.

So hatten beispielsweise die Schlachten von Wörth und Spicheren, die
uiid der vollständigen Lahmlegung von Mac Masons Armee endigten, das
außerordentliche strategische Ergebnis, die französischen Truppen von Straßburg
von denen um Metz zu trennen und so ein gemeinsames Vorgehen Bazaines


Die Literatur über dieses wunderbare Kapitel der Kriegsgeschichte ist
ungemein ausgedehnt, aber in der Regel etwas weitschweifig und besonders in
den Veröffentlichungen der fremden Autoren übermäßig mit Frage» politischer
und sentimentaler Natur versetzt, die für deu Studirenden kein Interesse haben.
Davon unterscheiden sich die „Taktischen Studien" des Kapitäns Stone sehr
vorteilhaft, indem sie sich ausschließlich mit technische» Fragen beschäftigen und
einen klaren, erschöpfenden Bericht über die Schlachten von Wörth, Spicheren,
Mars la Tour, Gravelotte und sedem darbieten. Diese Auswahl, sagt der
Verfasser, ist in der Absicht getroffen, die Führung großer Schlachten in
modernen Zeiten zu erläutern, und zwar unter Bedingungen, welche in jedem
Falle lehrreich für die Anwendung der taktischen Prinzipien sind fast für alle
nur denkbaren Lagen, in die ein General oder Stabsoffizier gelangen kann.
Das erste Erfordernis eines technischem Werkes, das einer streng methodischen
Anordnung, ist hier in vollste»: Maße erfüllt. Alle strategische» Betrachtungen
werden in dem ersten Kapitel erledigt, welches in kurzen: Abriß die Geschichte
des Krieges vom 6. bis zum 31. August giebt und die getrennten Operationen
der drei deutschen Heere von der Niederlage Mac-Masons bei Wörth bis zur
Gefangennahme des französischen Kaisers bei sedem umfaßt. So kommen die
taktischen Fragen, die in dem übrigen Teile des Buches systematisch besprochen
werden, schön und rein zur Darstellung. Diese Anordnung wird der praktische
Leser wohl zu würdigen wissen, der sich in den meisten Werken dieser Art
gezwungen sieht, das Technische aus einer erdrückenden Masse von fremdem
Beiwerk herauszusuchen. Rührende Vorfälle und tapfere Thaten sind wohl für
das große Publikum recht anziehend; in militärischen Abhandlungen können sie
aber nur als unbequeme Nebensache betrachtet werden. Übrigens scheint Kapitän
Stone, da er die Schlachtfelder, von denen er handelt, oft besucht hat, auch die
gewöhnlich von den fremden Offizieren vernachlässigte Aufgabe auf sich genommen
zu haben, sich von den Behauptungen und Schlüssen der frühern Schriftsteller
dnrch eignen Augenschein zu überzeugen.

Wenn man das ungeheure Terrain berücksichtigt, welches die moderne
Feuertaktik im Laufe einer einzigen großen Schlacht zu bedecken nötigt, so könnte
eS scheinen, als ob alle leitenden Gesichtspunkte der modernen Kriegführung
innerhalb ein und desselben Kampfes in ziemlicher Vollständigkeit zur Anschauung
kämen. Dennoch hat jedes irgendwie bedeutendere Treffen seine besondern tak¬
tischen und strategischen Merkmale, die ihm seinen eigentümlichen Charakter ver¬
leihen; und gerade in der klaren und sichern Hervorhebung dieser Merkmale
besteht der Hauptwert des Stoueschen Werkes.

So hatten beispielsweise die Schlachten von Wörth und Spicheren, die
uiid der vollständigen Lahmlegung von Mac Masons Armee endigten, das
außerordentliche strategische Ergebnis, die französischen Truppen von Straßburg
von denen um Metz zu trennen und so ein gemeinsames Vorgehen Bazaines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/373>, abgerufen am 23.12.2024.