Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Ausübung mein keinem, der die nötigen Fähigkeiten besitzt und dessen Lebens¬ Man sollte daher, unter Beibehaltung der subjektiven Freiheit der Anwalt¬ Was sodann die Gerichtsgebühren betrifft, so liegt in der Thatsache, daß Daß Rechtsstreitigkeiten schon in erster Instanz womöglich eine kollegiale Grenzbowi I. 1887. 46
Ausübung mein keinem, der die nötigen Fähigkeiten besitzt und dessen Lebens¬ Man sollte daher, unter Beibehaltung der subjektiven Freiheit der Anwalt¬ Was sodann die Gerichtsgebühren betrifft, so liegt in der Thatsache, daß Daß Rechtsstreitigkeiten schon in erster Instanz womöglich eine kollegiale Grenzbowi I. 1887. 46
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200474"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1169" prev="#ID_1168"> Ausübung mein keinem, der die nötigen Fähigkeiten besitzt und dessen Lebens¬<lb/> führung vorwurfsfrei ist, verwehren soll. Namentlich liegt eine wohlthätige<lb/> Bürgschaft für die relative Unabhängigkeit des Staatsdienstes darin, daß der<lb/> Beamte, wenn er bei Ausübung seines Dienstes mit seiner Überzeugung in<lb/> Widerstreit geraten sollte, in den Auwaltsberuf übertreten und so sein Leben<lb/> sichern kann. Diese Gründe führen aber nur dahin, daß es geboten ist. die<lb/> Anwaltschaft subjektiv freizugeben. Durchaus nicht geboten war die gleichzeitige<lb/> objektive Freigebung. Gerade diese objektive Freigebung trug die Nachteile in<lb/> sich, unter welchen jetzt die Justiz leidet. Eine Nechtsvertretuug, die mau zu<lb/> einem organischen Bestandteil der Rechtspflege gemacht hat, durfte uicht als ein<lb/> freies Gewerbe behandelt werden, welches jeder ausüben kann, wo er Lust hat.<lb/> Während man bei Befürwortung der hohen Anwaltsgcbühren stets die Warnung<lb/> vor einem Anwaltsproletariat im Munde führte, schuf man in der gleichzeitigen<lb/> objektiven Freigebung der Anwaltschaft den abschüssigen Boden, der zu einem<lb/> solchen Proletariat führen mußte, und der überdies die im Interesse der<lb/> Rechtspflege so notwendige gleichmäßige Verteilung der Anwälte außer acht<lb/> ließ. Die Justiz ist kein Handwerk, dessen Betrieb sich am besten nach dem<lb/> Grundsatz der freien Konkurrenz regelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1170"> Man sollte daher, unter Beibehaltung der subjektiven Freiheit der Anwalt¬<lb/> schaft, die Einrichtung treffen, daß die Zahl der Anwälte bei jedem Gerichte<lb/> nach dem jederzeitigen Bedürfnis auf dem Verwaltungswege festgestellt werde<lb/> nud nur innerhalb dieser Zahl neue Anwälte zugelassen würden. Für konkurrirende<lb/> Bewerber müßte dann noch eine Reihenfolge bestimmt werden, nach welcher sie<lb/> in eine erledigte Amvaltstelle einzutreten berechtigt wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_1171"> Was sodann die Gerichtsgebühren betrifft, so liegt in der Thatsache, daß<lb/> unsre Justiz, obgleich die Zahl der Sachen sich fast auf die Hälfte verringert<lb/> hat, doch weit mehr kostet, der Beweis, daß die Justiz zu luxuriös eingerichtet<lb/> ist. Kann man nun nicht, wie wir dies nach Lage der Verhältnisse für unthunlich<lb/> halten, an den Gehalten der Richter sparen, nud ist es auch uicht möglich, die<lb/> Verhandlungen so abzukürzen, daß dadurch die Sachen schneller erledigt werden,<lb/> so muß man an den Instanzen zu sparen suchen. Das einfachste Mittel, das<lb/> in dieser Richtung eingeschlagen werden könnte, wäre das, die amtsgerichtliche<lb/> Zuständigkeit zu erweitern.</p><lb/> <p xml:id="ID_1172" next="#ID_1173"> Daß Rechtsstreitigkeiten schon in erster Instanz womöglich eine kollegiale<lb/> Entscheidung finden müssen, gehört in die Reihe der Aberglanbenssätze, die man<lb/> lange den Franzosen nachgesprochen hat. Der französische Friedensrichter hatte<lb/> ursprünglich eine Kompetenz nur bis zu hundert Franken. Demgemäß wiesen auch<lb/> die deutschen Gerichtsverfassungsgesetze dem Einzelrichter meistens nur eine be¬<lb/> schränkte Kompetenz zu, welche sich zwischen Summen von dreißig Mark Lübisch<lb/> und 300 Thalern bewegte. Die letztere Summe galt in Bremen; in Hamburg<lb/> 250 Thaler, in Hannover 150 Thaler. Es gab aber auch Länder, in welchen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbowi I. 1887. 46</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0369]
Ausübung mein keinem, der die nötigen Fähigkeiten besitzt und dessen Lebens¬
führung vorwurfsfrei ist, verwehren soll. Namentlich liegt eine wohlthätige
Bürgschaft für die relative Unabhängigkeit des Staatsdienstes darin, daß der
Beamte, wenn er bei Ausübung seines Dienstes mit seiner Überzeugung in
Widerstreit geraten sollte, in den Auwaltsberuf übertreten und so sein Leben
sichern kann. Diese Gründe führen aber nur dahin, daß es geboten ist. die
Anwaltschaft subjektiv freizugeben. Durchaus nicht geboten war die gleichzeitige
objektive Freigebung. Gerade diese objektive Freigebung trug die Nachteile in
sich, unter welchen jetzt die Justiz leidet. Eine Nechtsvertretuug, die mau zu
einem organischen Bestandteil der Rechtspflege gemacht hat, durfte uicht als ein
freies Gewerbe behandelt werden, welches jeder ausüben kann, wo er Lust hat.
Während man bei Befürwortung der hohen Anwaltsgcbühren stets die Warnung
vor einem Anwaltsproletariat im Munde führte, schuf man in der gleichzeitigen
objektiven Freigebung der Anwaltschaft den abschüssigen Boden, der zu einem
solchen Proletariat führen mußte, und der überdies die im Interesse der
Rechtspflege so notwendige gleichmäßige Verteilung der Anwälte außer acht
ließ. Die Justiz ist kein Handwerk, dessen Betrieb sich am besten nach dem
Grundsatz der freien Konkurrenz regelt.
Man sollte daher, unter Beibehaltung der subjektiven Freiheit der Anwalt¬
schaft, die Einrichtung treffen, daß die Zahl der Anwälte bei jedem Gerichte
nach dem jederzeitigen Bedürfnis auf dem Verwaltungswege festgestellt werde
nud nur innerhalb dieser Zahl neue Anwälte zugelassen würden. Für konkurrirende
Bewerber müßte dann noch eine Reihenfolge bestimmt werden, nach welcher sie
in eine erledigte Amvaltstelle einzutreten berechtigt wären.
Was sodann die Gerichtsgebühren betrifft, so liegt in der Thatsache, daß
unsre Justiz, obgleich die Zahl der Sachen sich fast auf die Hälfte verringert
hat, doch weit mehr kostet, der Beweis, daß die Justiz zu luxuriös eingerichtet
ist. Kann man nun nicht, wie wir dies nach Lage der Verhältnisse für unthunlich
halten, an den Gehalten der Richter sparen, nud ist es auch uicht möglich, die
Verhandlungen so abzukürzen, daß dadurch die Sachen schneller erledigt werden,
so muß man an den Instanzen zu sparen suchen. Das einfachste Mittel, das
in dieser Richtung eingeschlagen werden könnte, wäre das, die amtsgerichtliche
Zuständigkeit zu erweitern.
Daß Rechtsstreitigkeiten schon in erster Instanz womöglich eine kollegiale
Entscheidung finden müssen, gehört in die Reihe der Aberglanbenssätze, die man
lange den Franzosen nachgesprochen hat. Der französische Friedensrichter hatte
ursprünglich eine Kompetenz nur bis zu hundert Franken. Demgemäß wiesen auch
die deutschen Gerichtsverfassungsgesetze dem Einzelrichter meistens nur eine be¬
schränkte Kompetenz zu, welche sich zwischen Summen von dreißig Mark Lübisch
und 300 Thalern bewegte. Die letztere Summe galt in Bremen; in Hamburg
250 Thaler, in Hannover 150 Thaler. Es gab aber auch Länder, in welchen
Grenzbowi I. 1887. 46
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