Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gespenster.
(am Tisch, hält ein gelbrotes Bündchen mit sehr schlechtem Papier

Dritter
und noch schlechterem Druck in die Höhe).

Oh! oh!


Oswald.

Was ist denn?


Dritter.

Oh! oh!

Oswald.

(liest)
Zeig doch mal her! Gespenster! Ach, ist das nicht das
neue Stück, bei dem ihr vorige Woche im Dramatischen Verein wart und gestern
im Residenztheater?

Oh! oh!


Dritter.

J Oswald. a, ja. Ich habe inzwischen gehört, es soll nichts für Kinder
sein. Hans hat mir erzählt, Fritz wäre das letztemal im Dramatischen Verein
eingeschlafen. Dafür sei der aber erst in Quarta, er aber schon in Tertia.
Gewundert habe er sich nur, weshalb ihn der Papa während der Aufführung
oft so eigentümlich genau angesehen habe.


Dritter.

Oh! oh! oh!


Oswald.

Ja, warum sagst du denn immerfort: Oh, oh?

Dritter. Das ist ja die gewöhnliche Nnsdrucksform von Gespenstern. In
Ibsens "Stützen der Gesellschaft" läuft auch einer herum, der macht immerfort:
Oh, oh! Es ist so tiefbegründet, dieses Oh. oh!


Oswald.

Ich dächte, vom Gespenst wärst dn doch noch etwas entfernt.

Dritter. Dn meinst, weil ich etwas zu Schweninger neige? Das ist eitel
Täuschung. Uns alle, wie du uus da siehst -- du stehst ja gegen den
Spiegel -- wir sind nichts als wandelnde Leichen -- Fäulnis, Moder, Ver¬
wesung, Lemuren, Gespenster!

I Helene. ch bitte mir's aus, sein Sie ernst. Das Stück hat einen ganz
andern Sinn. Es bedeutet unsre Ideale; die Lügen, auf welche unsre Gesell¬
schaft gebaut ist, das sind die Gespenster. Ja Wohl, so stund's in der Zeitung.

Dritter. Da wird's Wohl auch so sein. Ich habe gemeint, die Leute da
oben ans der Vühne, das wären die Gespenster. Wirklich, es sind ehrliche Ge¬
spenster, die Leute in diesen nordischfranzösischen Dramen, und ich habe mir schon
wunder was eingebildet mit meiner Auslegung.

Oswald. Aber in meiner Zeitung steht wieder etwas ganz andres. Ich
habe da so etwas gelesen von einem, der im Vorzimmer das Kammermädchen
küßt. Das hat er nnn "von Vätern" geerbt, und das sind dann die Gespenster.

Ha ha!


Dritter.
Helene.

Oh! oh!


Dritter.

Sehen Sie, jetzt machen Sie auch schon: Oh, oh!

Helene. Was soll man anders dazu sagen, wenn man sich über ein be¬
deutendes Dichtungswcrk lustig macht, ohne es zu kennen?

Dritter.

(seufzend)
Nun, ich kenne es ja -- leider! das bedeutende -
Dichtungswerk.


Helene.

Dann haben Sie es nicht verstanden.


Gespenster.
(am Tisch, hält ein gelbrotes Bündchen mit sehr schlechtem Papier

Dritter
und noch schlechterem Druck in die Höhe).

Oh! oh!


Oswald.

Was ist denn?


Dritter.

Oh! oh!

Oswald.

(liest)
Zeig doch mal her! Gespenster! Ach, ist das nicht das
neue Stück, bei dem ihr vorige Woche im Dramatischen Verein wart und gestern
im Residenztheater?

Oh! oh!


Dritter.

J Oswald. a, ja. Ich habe inzwischen gehört, es soll nichts für Kinder
sein. Hans hat mir erzählt, Fritz wäre das letztemal im Dramatischen Verein
eingeschlafen. Dafür sei der aber erst in Quarta, er aber schon in Tertia.
Gewundert habe er sich nur, weshalb ihn der Papa während der Aufführung
oft so eigentümlich genau angesehen habe.


Dritter.

Oh! oh! oh!


Oswald.

Ja, warum sagst du denn immerfort: Oh, oh?

Dritter. Das ist ja die gewöhnliche Nnsdrucksform von Gespenstern. In
Ibsens „Stützen der Gesellschaft" läuft auch einer herum, der macht immerfort:
Oh, oh! Es ist so tiefbegründet, dieses Oh. oh!


Oswald.

Ich dächte, vom Gespenst wärst dn doch noch etwas entfernt.

Dritter. Dn meinst, weil ich etwas zu Schweninger neige? Das ist eitel
Täuschung. Uns alle, wie du uus da siehst — du stehst ja gegen den
Spiegel — wir sind nichts als wandelnde Leichen — Fäulnis, Moder, Ver¬
wesung, Lemuren, Gespenster!

I Helene. ch bitte mir's aus, sein Sie ernst. Das Stück hat einen ganz
andern Sinn. Es bedeutet unsre Ideale; die Lügen, auf welche unsre Gesell¬
schaft gebaut ist, das sind die Gespenster. Ja Wohl, so stund's in der Zeitung.

Dritter. Da wird's Wohl auch so sein. Ich habe gemeint, die Leute da
oben ans der Vühne, das wären die Gespenster. Wirklich, es sind ehrliche Ge¬
spenster, die Leute in diesen nordischfranzösischen Dramen, und ich habe mir schon
wunder was eingebildet mit meiner Auslegung.

Oswald. Aber in meiner Zeitung steht wieder etwas ganz andres. Ich
habe da so etwas gelesen von einem, der im Vorzimmer das Kammermädchen
küßt. Das hat er nnn „von Vätern" geerbt, und das sind dann die Gespenster.

Ha ha!


Dritter.
Helene.

Oh! oh!


Dritter.

Sehen Sie, jetzt machen Sie auch schon: Oh, oh!

Helene. Was soll man anders dazu sagen, wenn man sich über ein be¬
deutendes Dichtungswcrk lustig macht, ohne es zu kennen?

Dritter.

(seufzend)
Nun, ich kenne es ja — leider! das bedeutende -
Dichtungswerk.


Helene.

Dann haben Sie es nicht verstanden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200436"/>
          <fw type="header" place="top"> Gespenster.</fw><lb/>
          <stage> (am Tisch, hält ein gelbrotes Bündchen mit sehr schlechtem Papier</stage><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter</note><lb/>
          <stage> und noch schlechterem Druck in die Höhe).</stage><lb/>
          <p xml:id="ID_997"> Oh! oh!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Oswald.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_998"> Was ist denn?</p><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_999"> Oh! oh!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1000"><note type="speaker"> Oswald. </note><stage> (liest)</stage> Zeig doch mal her! Gespenster! Ach, ist das nicht das<lb/>
neue Stück, bei dem ihr vorige Woche im Dramatischen Verein wart und gestern<lb/>
im Residenztheater?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1001"> Oh! oh!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1002"> J<note type="speaker"> Oswald.</note> a, ja. Ich habe inzwischen gehört, es soll nichts für Kinder<lb/>
sein. Hans hat mir erzählt, Fritz wäre das letztemal im Dramatischen Verein<lb/>
eingeschlafen. Dafür sei der aber erst in Quarta, er aber schon in Tertia.<lb/>
Gewundert habe er sich nur, weshalb ihn der Papa während der Aufführung<lb/>
oft so eigentümlich genau angesehen habe.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1003"> Oh! oh! oh!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Oswald.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1004"> Ja, warum sagst du denn immerfort: Oh, oh?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1005"><note type="speaker"> Dritter.</note> Das ist ja die gewöhnliche Nnsdrucksform von Gespenstern. In<lb/>
Ibsens &#x201E;Stützen der Gesellschaft" läuft auch einer herum, der macht immerfort:<lb/>
Oh, oh! Es ist so tiefbegründet, dieses Oh. oh!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Oswald.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1006"> Ich dächte, vom Gespenst wärst dn doch noch etwas entfernt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1007"><note type="speaker"> Dritter.</note> Dn meinst, weil ich etwas zu Schweninger neige? Das ist eitel<lb/>
Täuschung. Uns alle, wie du uus da siehst &#x2014; du stehst ja gegen den<lb/>
Spiegel &#x2014; wir sind nichts als wandelnde Leichen &#x2014; Fäulnis, Moder, Ver¬<lb/>
wesung, Lemuren, Gespenster!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1008"> I<note type="speaker"> Helene.</note> ch bitte mir's aus, sein Sie ernst. Das Stück hat einen ganz<lb/>
andern Sinn. Es bedeutet unsre Ideale; die Lügen, auf welche unsre Gesell¬<lb/>
schaft gebaut ist, das sind die Gespenster. Ja Wohl, so stund's in der Zeitung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1009"><note type="speaker"> Dritter.</note> Da wird's Wohl auch so sein. Ich habe gemeint, die Leute da<lb/>
oben ans der Vühne, das wären die Gespenster. Wirklich, es sind ehrliche Ge¬<lb/>
spenster, die Leute in diesen nordischfranzösischen Dramen, und ich habe mir schon<lb/>
wunder was eingebildet mit meiner Auslegung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1010"><note type="speaker"> Oswald.</note> Aber in meiner Zeitung steht wieder etwas ganz andres. Ich<lb/>
habe da so etwas gelesen von einem, der im Vorzimmer das Kammermädchen<lb/>
küßt. Das hat er nnn &#x201E;von Vätern" geerbt, und das sind dann die Gespenster.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1011"> Ha ha!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter.</note><lb/>
          <note type="speaker"> Helene.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1012"> Oh! oh!</p><lb/>
          <note type="speaker"> Dritter.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1013"> Sehen Sie, jetzt machen Sie auch schon: Oh, oh!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1014"><note type="speaker"> Helene. </note> Was soll man anders dazu sagen, wenn man sich über ein be¬<lb/>
deutendes Dichtungswcrk lustig macht, ohne es zu kennen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"><note type="speaker"> Dritter.</note><stage> (seufzend)</stage> Nun, ich kenne es ja &#x2014; leider! das bedeutende -<lb/>
Dichtungswerk.</p><lb/>
          <note type="speaker"> Helene. </note><lb/>
          <p xml:id="ID_1016"> Dann haben Sie es nicht verstanden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0331] Gespenster. (am Tisch, hält ein gelbrotes Bündchen mit sehr schlechtem Papier Dritter und noch schlechterem Druck in die Höhe). Oh! oh! Oswald. Was ist denn? Dritter. Oh! oh! Oswald. (liest) Zeig doch mal her! Gespenster! Ach, ist das nicht das neue Stück, bei dem ihr vorige Woche im Dramatischen Verein wart und gestern im Residenztheater? Oh! oh! Dritter. J Oswald. a, ja. Ich habe inzwischen gehört, es soll nichts für Kinder sein. Hans hat mir erzählt, Fritz wäre das letztemal im Dramatischen Verein eingeschlafen. Dafür sei der aber erst in Quarta, er aber schon in Tertia. Gewundert habe er sich nur, weshalb ihn der Papa während der Aufführung oft so eigentümlich genau angesehen habe. Dritter. Oh! oh! oh! Oswald. Ja, warum sagst du denn immerfort: Oh, oh? Dritter. Das ist ja die gewöhnliche Nnsdrucksform von Gespenstern. In Ibsens „Stützen der Gesellschaft" läuft auch einer herum, der macht immerfort: Oh, oh! Es ist so tiefbegründet, dieses Oh. oh! Oswald. Ich dächte, vom Gespenst wärst dn doch noch etwas entfernt. Dritter. Dn meinst, weil ich etwas zu Schweninger neige? Das ist eitel Täuschung. Uns alle, wie du uus da siehst — du stehst ja gegen den Spiegel — wir sind nichts als wandelnde Leichen — Fäulnis, Moder, Ver¬ wesung, Lemuren, Gespenster! I Helene. ch bitte mir's aus, sein Sie ernst. Das Stück hat einen ganz andern Sinn. Es bedeutet unsre Ideale; die Lügen, auf welche unsre Gesell¬ schaft gebaut ist, das sind die Gespenster. Ja Wohl, so stund's in der Zeitung. Dritter. Da wird's Wohl auch so sein. Ich habe gemeint, die Leute da oben ans der Vühne, das wären die Gespenster. Wirklich, es sind ehrliche Ge¬ spenster, die Leute in diesen nordischfranzösischen Dramen, und ich habe mir schon wunder was eingebildet mit meiner Auslegung. Oswald. Aber in meiner Zeitung steht wieder etwas ganz andres. Ich habe da so etwas gelesen von einem, der im Vorzimmer das Kammermädchen küßt. Das hat er nnn „von Vätern" geerbt, und das sind dann die Gespenster. Ha ha! Dritter. Helene. Oh! oh! Dritter. Sehen Sie, jetzt machen Sie auch schon: Oh, oh! Helene. Was soll man anders dazu sagen, wenn man sich über ein be¬ deutendes Dichtungswcrk lustig macht, ohne es zu kennen? Dritter. (seufzend) Nun, ich kenne es ja — leider! das bedeutende - Dichtungswerk. Helene. Dann haben Sie es nicht verstanden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/331
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/331>, abgerufen am 23.12.2024.