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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Gin deutscher Maler in Rom.

Wie eine Verheißung der großen und günstigen Zukunft, die seiner wartete,
konnte es gelten, daß Schmorr gleich in der ersten Zeit seines Aufenthalts in
Rom dem für die neuere Kunstrichtung begeisterten Kronprinzen Ludwig von
Baiern bekannt wurde, der von vornherein an Schmorr großes persönliches
Wohlgefallen fand und für sein Talent besondre Teilnahme bezeigte. Doch
sollte allerdings noch manches Lehrjahr hingehen, bis diese Teilnahme ans das
Leben des Künstlers entscheidenden Einfluß gewann, und nnr mit diesen Lehr¬
jahren haben wir es in der Hauptsache in den Briefen ans Rom zu thun. Da
ein Hauptteil der Briefe des jungen Malers a" Vater und Geschwister gerichtet
ist, so erteilen sie natürlich Aufschluß auch über die kleinsten und scheinbar un-
bedeutendsten Vorgänge des täglichen Lebens, wir entnehmen ihnen, wie genügsam
und wohlfeil man 1818 und 1819 in Rom lebte, auch wenn mau mit Prinzen
und Gesandten in geselligem Verkehr stand, sich einen altdeutschen Nock macheu
ließ und bei frohen Festen nicht den Spielverderber machte. Der Wiedersehen"
dieser frohen Feste, unter anderen des dem Kronprinzen von Bniern gegebenen,
der Hochzeit Overbecks, einer Villeggiatnr mit Friedrich Rückert und dein schwe¬
dischen Dichter Atterbom leuchtet uns aus Schmorrs Briefen entgegen. Doch
anch an schmerzlichen und unerquicklichen Erlebnissen fehlt es nicht. Dahin ge¬
hören der erschütternde Tod der jungen Maler Föhr und Söhnhold, die beide
beim Baden im Tiber ertranken, die wiederholten Fieberanfälle, mit denen
Schmorr in den ersten Jahren zu kämpfen hatte, die peinlichen, mehrfach ange-
knüpften und wieder abgerissenen Verhandlungen mit dem Marchese Massimi
wegen der Beteiligung Schmorrs an den Fresken in dessen Villa, von manchem
andern zu schweigen. Durch all diese Eindrücke und Erfahrungen aber zieht
sich der rote Faden jugendlichen Lebensmutes, unverwüstlicher Schaffenslust,
guten Glaubens an den nächsten Freundeskreis. Kein Zweifel, daß ein Tropfen
von dem Saft, den Oberon auf Titcmias Auge" träufelt und der den Weber Zettel
in einen holden Sterblichen verwandelte, auf die Augen der jungen Künstler-
freunde gefallen war. Sie sahen alles im goldensten Lichte, selbst Dorothea
Schlegel wurde höchst anmutig gefunden, und nur die Gegner der Sache trugen
gelegentlich Eselsköpfe. Der feinsinnige Schmorr teilte die allgemeinen Empfin¬
dungen immer nnr bis zu einem gewissen Punkte, die Frauen, in deren Gesell¬
schaft sich Overbeck gefiel, waren ihm rasch genug zu stockkathvlisch, und über
einen Teil seiner Kunstgenossen legte er schon im Sommer 1818 das Bekenntnis
ab: "Derer, mit denen ich einen näheren Umgang habe, sind überhaupt wenig,
es kommt nichts dabei heraus, mit gar so vielen nähere Bekanntschaft zu machen,
und nnn sind noch obendrein ein gutes Teil unsrer Landsleute zwar gutmütige,
aber unendlich rohe Leute, mit denen umzugehen es höchst unerquicklich ist."

Die Hauptsache in all diesem Treiben blieb die Mühe des künstlerischen
Vorwärtsstrebens, blieb die Arbeit. Auch Schmorr hatte neben dem Zwiespalt,
der zwischen einer hochidealen Ansehnung, mächtigen Kunstvorsätzen und einer


Gin deutscher Maler in Rom.

Wie eine Verheißung der großen und günstigen Zukunft, die seiner wartete,
konnte es gelten, daß Schmorr gleich in der ersten Zeit seines Aufenthalts in
Rom dem für die neuere Kunstrichtung begeisterten Kronprinzen Ludwig von
Baiern bekannt wurde, der von vornherein an Schmorr großes persönliches
Wohlgefallen fand und für sein Talent besondre Teilnahme bezeigte. Doch
sollte allerdings noch manches Lehrjahr hingehen, bis diese Teilnahme ans das
Leben des Künstlers entscheidenden Einfluß gewann, und nnr mit diesen Lehr¬
jahren haben wir es in der Hauptsache in den Briefen ans Rom zu thun. Da
ein Hauptteil der Briefe des jungen Malers a» Vater und Geschwister gerichtet
ist, so erteilen sie natürlich Aufschluß auch über die kleinsten und scheinbar un-
bedeutendsten Vorgänge des täglichen Lebens, wir entnehmen ihnen, wie genügsam
und wohlfeil man 1818 und 1819 in Rom lebte, auch wenn mau mit Prinzen
und Gesandten in geselligem Verkehr stand, sich einen altdeutschen Nock macheu
ließ und bei frohen Festen nicht den Spielverderber machte. Der Wiedersehen«
dieser frohen Feste, unter anderen des dem Kronprinzen von Bniern gegebenen,
der Hochzeit Overbecks, einer Villeggiatnr mit Friedrich Rückert und dein schwe¬
dischen Dichter Atterbom leuchtet uns aus Schmorrs Briefen entgegen. Doch
anch an schmerzlichen und unerquicklichen Erlebnissen fehlt es nicht. Dahin ge¬
hören der erschütternde Tod der jungen Maler Föhr und Söhnhold, die beide
beim Baden im Tiber ertranken, die wiederholten Fieberanfälle, mit denen
Schmorr in den ersten Jahren zu kämpfen hatte, die peinlichen, mehrfach ange-
knüpften und wieder abgerissenen Verhandlungen mit dem Marchese Massimi
wegen der Beteiligung Schmorrs an den Fresken in dessen Villa, von manchem
andern zu schweigen. Durch all diese Eindrücke und Erfahrungen aber zieht
sich der rote Faden jugendlichen Lebensmutes, unverwüstlicher Schaffenslust,
guten Glaubens an den nächsten Freundeskreis. Kein Zweifel, daß ein Tropfen
von dem Saft, den Oberon auf Titcmias Auge» träufelt und der den Weber Zettel
in einen holden Sterblichen verwandelte, auf die Augen der jungen Künstler-
freunde gefallen war. Sie sahen alles im goldensten Lichte, selbst Dorothea
Schlegel wurde höchst anmutig gefunden, und nur die Gegner der Sache trugen
gelegentlich Eselsköpfe. Der feinsinnige Schmorr teilte die allgemeinen Empfin¬
dungen immer nnr bis zu einem gewissen Punkte, die Frauen, in deren Gesell¬
schaft sich Overbeck gefiel, waren ihm rasch genug zu stockkathvlisch, und über
einen Teil seiner Kunstgenossen legte er schon im Sommer 1818 das Bekenntnis
ab: „Derer, mit denen ich einen näheren Umgang habe, sind überhaupt wenig,
es kommt nichts dabei heraus, mit gar so vielen nähere Bekanntschaft zu machen,
und nnn sind noch obendrein ein gutes Teil unsrer Landsleute zwar gutmütige,
aber unendlich rohe Leute, mit denen umzugehen es höchst unerquicklich ist."

Die Hauptsache in all diesem Treiben blieb die Mühe des künstlerischen
Vorwärtsstrebens, blieb die Arbeit. Auch Schmorr hatte neben dem Zwiespalt,
der zwischen einer hochidealen Ansehnung, mächtigen Kunstvorsätzen und einer


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[0327] Gin deutscher Maler in Rom. Wie eine Verheißung der großen und günstigen Zukunft, die seiner wartete, konnte es gelten, daß Schmorr gleich in der ersten Zeit seines Aufenthalts in Rom dem für die neuere Kunstrichtung begeisterten Kronprinzen Ludwig von Baiern bekannt wurde, der von vornherein an Schmorr großes persönliches Wohlgefallen fand und für sein Talent besondre Teilnahme bezeigte. Doch sollte allerdings noch manches Lehrjahr hingehen, bis diese Teilnahme ans das Leben des Künstlers entscheidenden Einfluß gewann, und nnr mit diesen Lehr¬ jahren haben wir es in der Hauptsache in den Briefen ans Rom zu thun. Da ein Hauptteil der Briefe des jungen Malers a» Vater und Geschwister gerichtet ist, so erteilen sie natürlich Aufschluß auch über die kleinsten und scheinbar un- bedeutendsten Vorgänge des täglichen Lebens, wir entnehmen ihnen, wie genügsam und wohlfeil man 1818 und 1819 in Rom lebte, auch wenn mau mit Prinzen und Gesandten in geselligem Verkehr stand, sich einen altdeutschen Nock macheu ließ und bei frohen Festen nicht den Spielverderber machte. Der Wiedersehen« dieser frohen Feste, unter anderen des dem Kronprinzen von Bniern gegebenen, der Hochzeit Overbecks, einer Villeggiatnr mit Friedrich Rückert und dein schwe¬ dischen Dichter Atterbom leuchtet uns aus Schmorrs Briefen entgegen. Doch anch an schmerzlichen und unerquicklichen Erlebnissen fehlt es nicht. Dahin ge¬ hören der erschütternde Tod der jungen Maler Föhr und Söhnhold, die beide beim Baden im Tiber ertranken, die wiederholten Fieberanfälle, mit denen Schmorr in den ersten Jahren zu kämpfen hatte, die peinlichen, mehrfach ange- knüpften und wieder abgerissenen Verhandlungen mit dem Marchese Massimi wegen der Beteiligung Schmorrs an den Fresken in dessen Villa, von manchem andern zu schweigen. Durch all diese Eindrücke und Erfahrungen aber zieht sich der rote Faden jugendlichen Lebensmutes, unverwüstlicher Schaffenslust, guten Glaubens an den nächsten Freundeskreis. Kein Zweifel, daß ein Tropfen von dem Saft, den Oberon auf Titcmias Auge» träufelt und der den Weber Zettel in einen holden Sterblichen verwandelte, auf die Augen der jungen Künstler- freunde gefallen war. Sie sahen alles im goldensten Lichte, selbst Dorothea Schlegel wurde höchst anmutig gefunden, und nur die Gegner der Sache trugen gelegentlich Eselsköpfe. Der feinsinnige Schmorr teilte die allgemeinen Empfin¬ dungen immer nnr bis zu einem gewissen Punkte, die Frauen, in deren Gesell¬ schaft sich Overbeck gefiel, waren ihm rasch genug zu stockkathvlisch, und über einen Teil seiner Kunstgenossen legte er schon im Sommer 1818 das Bekenntnis ab: „Derer, mit denen ich einen näheren Umgang habe, sind überhaupt wenig, es kommt nichts dabei heraus, mit gar so vielen nähere Bekanntschaft zu machen, und nnn sind noch obendrein ein gutes Teil unsrer Landsleute zwar gutmütige, aber unendlich rohe Leute, mit denen umzugehen es höchst unerquicklich ist." Die Hauptsache in all diesem Treiben blieb die Mühe des künstlerischen Vorwärtsstrebens, blieb die Arbeit. Auch Schmorr hatte neben dem Zwiespalt, der zwischen einer hochidealen Ansehnung, mächtigen Kunstvorsätzen und einer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/327>, abgerufen am 23.12.2024.