Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Die Thätigkeit der Frauen fiir die Milderung der Wohnungsnot, folge erzielt. Nicht der Kostenpunkt erscheint in der Lösung dieser Aufgaben Es handelt sich hier hauptsächlich um häusliche, wirtschaftliche Dinge, Die Thätigkeit der Frauen fiir die Milderung der Wohnungsnot, folge erzielt. Nicht der Kostenpunkt erscheint in der Lösung dieser Aufgaben Es handelt sich hier hauptsächlich um häusliche, wirtschaftliche Dinge, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200382"/> <fw type="header" place="top"> Die Thätigkeit der Frauen fiir die Milderung der Wohnungsnot,</fw><lb/> <p xml:id="ID_817" prev="#ID_816"> folge erzielt. Nicht der Kostenpunkt erscheint in der Lösung dieser Aufgaben<lb/> als das wichtigste, sondern daß die Sache praktisch nud mit Liebe angefaßt<lb/> wird, daß die geeigneten Persönlichkeiten sich der Sache widmen. Und an solchen<lb/> wird es in wenigen Städten sehlen, sie finden sich unter den Frauen der ge¬<lb/> bildeten Stände, ja sie sind vielfach schon in Frauenvereinen organisirt. Es<lb/> ist kein Zufall, daß bei den als klassische Beispiele zu bezeichnenden Bestrebungen<lb/> zur Abhilfe der Wohnungsnot Frauen stets die Hauptbeteiligten gewesen sind.<lb/> Zu diesen klassischen Beispielen sind nun außer den bekannten Bestrebungen der<lb/> Octavia Hill in London und des Darmstädter Frauenvereins die oben erwähnten<lb/> zwei Fälle in Leipzig und Tübingen zu rechnen. Ich nenne diese Beispiele<lb/> klassische, weil hier mit kleinen materiellen Mitteln Großes geleistet ist, weil sie<lb/> die Möglichkeit beweisen, selbst den ärmsten Klassen ein gesundes und wohn¬<lb/> liches Heim zu bereiten, während die meisten der übrigen Bestrebungen in der<lb/> Negel nur dem bessergestellten Arbeiter zu Gute kommen, weil endlich hier<lb/> soziale Beziehungen zwischen Reich und Arm angeknüpft, die Armen (und wohl<lb/> auch die Reichen!) sittlich und wirtschaftlich durch Rat und That gefördert<lb/> werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_818" next="#ID_819"> Es handelt sich hier hauptsächlich um häusliche, wirtschaftliche Dinge,<lb/> innere Familienangelegenheiten. Im eignen Hause überläßt der Mann im all¬<lb/> gemeinen die auf diese Dinge bezüglichen Pflichten seiner Frau, sollte sie nicht<lb/> auch im Hause der Armen solche Aufgaben zweckdienlicher und besser erfüllen?<lb/> Die Fran ist hier dem Manne entschieden überlegen. Ihre Kenntnis von Hans¬<lb/> halteinrichtungen und Kinderpflege, ihre Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit in<lb/> kleinen Dingen, ihr Mitgefühl für die Frauen, Milde gegen die Männer und<lb/> Interesse für die Kinder, ihre Geduld und Beredsamkeit sind für diese Aufgaben<lb/> wesentliche Eigenschaften. Die nötige Thatkraft nachlässigen oder rohen Mietern<lb/> gegenüber scheinen sie sich auch leichter anzueignen, als man gewöhnlich glaubt.<lb/> Eine Frau würde garnicht ans so unpraktische und undurchführbare Pläne wie<lb/> die Besserung der Wvhnungszustände allein durch Herstellung von Einfamilien¬<lb/> häusern (vergl. Grenzboten 1885, IV.) kommen. Sie sagt sich, von allem andern<lb/> (hohe Baukosten u. dergl.) abgesehen, wie unvorteilhaft es für eine Arbeiterfrau<lb/> ist, weit von der Stadt in einem Hause allein zu wohnen. Wer sieht nach<lb/> ihren Kindern, wenn sie täglich ihre Bedürfnisse weit entfernt holen muß, da<lb/> sie Vorräte anzulegen nicht die Mittel hat? Wer sieht nach ihr, wenn sie<lb/> krank oder Wöchnerin ist? Wer übernimmt in solchen Fällen ihre Besorgungen?<lb/> Wer hilft ihr im Falle der Not aus? Das Zusammenhalten der Hausbewohner<lb/> in derartige» Fällen wird insbesondre vom Tübinger Hilfsvereine rühmend<lb/> hervorgehoben, welcher obendrein durch Zuweisung von Gartenland seine Mieter<lb/> eines großen Vorteils der Einfamilienhäuser teilhaftig gemacht hat. Er will<lb/> nnr vermieten, nicht für den Verlauf bauen, weil er auf die Armen dauernd<lb/> einwirken, sie erziehen, sie sittlich heben will. Auch wenn man an dem Ideal</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0277]
Die Thätigkeit der Frauen fiir die Milderung der Wohnungsnot,
folge erzielt. Nicht der Kostenpunkt erscheint in der Lösung dieser Aufgaben
als das wichtigste, sondern daß die Sache praktisch nud mit Liebe angefaßt
wird, daß die geeigneten Persönlichkeiten sich der Sache widmen. Und an solchen
wird es in wenigen Städten sehlen, sie finden sich unter den Frauen der ge¬
bildeten Stände, ja sie sind vielfach schon in Frauenvereinen organisirt. Es
ist kein Zufall, daß bei den als klassische Beispiele zu bezeichnenden Bestrebungen
zur Abhilfe der Wohnungsnot Frauen stets die Hauptbeteiligten gewesen sind.
Zu diesen klassischen Beispielen sind nun außer den bekannten Bestrebungen der
Octavia Hill in London und des Darmstädter Frauenvereins die oben erwähnten
zwei Fälle in Leipzig und Tübingen zu rechnen. Ich nenne diese Beispiele
klassische, weil hier mit kleinen materiellen Mitteln Großes geleistet ist, weil sie
die Möglichkeit beweisen, selbst den ärmsten Klassen ein gesundes und wohn¬
liches Heim zu bereiten, während die meisten der übrigen Bestrebungen in der
Negel nur dem bessergestellten Arbeiter zu Gute kommen, weil endlich hier
soziale Beziehungen zwischen Reich und Arm angeknüpft, die Armen (und wohl
auch die Reichen!) sittlich und wirtschaftlich durch Rat und That gefördert
werden.
Es handelt sich hier hauptsächlich um häusliche, wirtschaftliche Dinge,
innere Familienangelegenheiten. Im eignen Hause überläßt der Mann im all¬
gemeinen die auf diese Dinge bezüglichen Pflichten seiner Frau, sollte sie nicht
auch im Hause der Armen solche Aufgaben zweckdienlicher und besser erfüllen?
Die Fran ist hier dem Manne entschieden überlegen. Ihre Kenntnis von Hans¬
halteinrichtungen und Kinderpflege, ihre Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit in
kleinen Dingen, ihr Mitgefühl für die Frauen, Milde gegen die Männer und
Interesse für die Kinder, ihre Geduld und Beredsamkeit sind für diese Aufgaben
wesentliche Eigenschaften. Die nötige Thatkraft nachlässigen oder rohen Mietern
gegenüber scheinen sie sich auch leichter anzueignen, als man gewöhnlich glaubt.
Eine Frau würde garnicht ans so unpraktische und undurchführbare Pläne wie
die Besserung der Wvhnungszustände allein durch Herstellung von Einfamilien¬
häusern (vergl. Grenzboten 1885, IV.) kommen. Sie sagt sich, von allem andern
(hohe Baukosten u. dergl.) abgesehen, wie unvorteilhaft es für eine Arbeiterfrau
ist, weit von der Stadt in einem Hause allein zu wohnen. Wer sieht nach
ihren Kindern, wenn sie täglich ihre Bedürfnisse weit entfernt holen muß, da
sie Vorräte anzulegen nicht die Mittel hat? Wer sieht nach ihr, wenn sie
krank oder Wöchnerin ist? Wer übernimmt in solchen Fällen ihre Besorgungen?
Wer hilft ihr im Falle der Not aus? Das Zusammenhalten der Hausbewohner
in derartige» Fällen wird insbesondre vom Tübinger Hilfsvereine rühmend
hervorgehoben, welcher obendrein durch Zuweisung von Gartenland seine Mieter
eines großen Vorteils der Einfamilienhäuser teilhaftig gemacht hat. Er will
nnr vermieten, nicht für den Verlauf bauen, weil er auf die Armen dauernd
einwirken, sie erziehen, sie sittlich heben will. Auch wenn man an dem Ideal
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