Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.stehen Schwierigkeiten in der Beschaffung der nötigen Mittel der Ausbreitung Jede Familie hat ein großes und ein kleines heizbares Zimmer, eine Küche, Ein ähnliches Bild zeigen die Bestrebungen Gustav de Liagres in Leipzig, Wir sehen: in der Großstadt wie in der Kleinstadt sind ausgezeichnete Er- stehen Schwierigkeiten in der Beschaffung der nötigen Mittel der Ausbreitung Jede Familie hat ein großes und ein kleines heizbares Zimmer, eine Küche, Ein ähnliches Bild zeigen die Bestrebungen Gustav de Liagres in Leipzig, Wir sehen: in der Großstadt wie in der Kleinstadt sind ausgezeichnete Er- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0276" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200381"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_813" prev="#ID_812"> stehen Schwierigkeiten in der Beschaffung der nötigen Mittel der Ausbreitung<lb/> der Vereinsthätigkeit nicht mehr im Wege. Der Verein schenkt seinen Mietern<lb/> nichts, das gesamte Bankapital, auch das gestiftete und eine größere zinsfrei<lb/> dargeliehene Summe, trägt vielmehr vier Prozent Zinse», und der Verein zahlt<lb/> mit dem Zinsenbetrage, soweit er nicht den Darleihern zufließt, allmählich seine<lb/> Schulden ab, sodaß er jetzt uach fünf Jahren schon ein Haus nahezu schulden-<lb/> frei besitzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_814"> Jede Familie hat ein großes und ein kleines heizbares Zimmer, eine Küche,<lb/> einen Kellerraum, eine Dachkammer, eine kleine Veranda, mit welcher der Abort<lb/> verbunden ist, und ein hübsches Stück Gartenland, ferner Mitbenutzung des<lb/> Hofraumes und der Waschküche, das alles in gesunder und für den Erwerb<lb/> günstiger Lage. Die Mietpreise sind: Erdgeschoß 110 und 120 Mark, erster<lb/> Stock 120 und 130 Mark, Dachstock 80 Mark. Für ähnliche Wohnungen in<lb/> gewöhnlichen Miethänsern würden die Mieter fast achtzig Mark mehr zahlen<lb/> müssen. Der bestgestellte Mieter hat einen Tagelohn von zwei Mark zwanzig<lb/> Pfennigen (neben freiem Vesperbrode), der Anteil seines Einkommens, welcher<lb/> für das Wohnungsbednrfnis verwandt wird, ist also verhältnismäßig hoch, aber<lb/> die Wohnungen sind auch unendlich viel besser als die bei diesen Klassen sonst<lb/> üblichen. Die Mieter werden in kurzen Terminen bezahlt, Abzahlungen werden<lb/> schon von zwei Mark an jederzeit angenommen, und für pünktliche Zahlung<lb/> während eines Vierteljahres werden zwei Mark Prämie gewährt. Aftermiete,<lb/> in vielen Städten eines der größten Übel, wird nur in durchaus dazu geeigneten<lb/> Fällen gestattet. Die Damen des Hilfsvereins üben bei gelegentlichen Besuchen<lb/> auf die Mieter einen sehr wohlthätige» Einfluß aus, der frei von beengender Kon-<lb/> trole ist, nur fleißige und nüchterne Leute werden geduldet. Streitigkeiten,<lb/> welche sonst in großen Miethäuscrn leicht vorkommen, sind äußerst selten — in<lb/> einem Falle mußte ein streitsüchtiger Mieter das Haus verlassen —, im Gegen¬<lb/> teil, die Familien unterstützen sich gegenseitig. Ganz ohne jeden Verdruß geht<lb/> es natürlich uicht ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_815"> Ein ähnliches Bild zeigen die Bestrebungen Gustav de Liagres in Leipzig,<lb/> über welche de Liagrc selbst am Schlüsse des zweiten Bandes des vom Verein<lb/> für Sozialpolitik herausgegebnen Sammelwerkes über die Wohuungszuftände<lb/> in Deutschland anschaulich berichtet. Im Verein mit zwölf Damen und Herren<lb/> wirkt er ganz nach dem Beispiele der Ocwvia Hill in London. Auch hier wird<lb/> das in einem großen Miethause angelegte Kapital von 130000 Mark ohne<lb/> Schwierigkeit zum landesüblichen Satze verzinst, eine große Anzahl von Fa¬<lb/> milien mit ausreichender Wohnung zu mäßigem Preise versehen und vor allem<lb/> durch die sittliche Einwirkung gebildeter Leute, insbesondre von Frauen, empor¬<lb/> gezogen. Näheres findet sich in dem angeführten Werke, welches durch diesen<lb/> praktischen Beitrag eine wesentliche Bereicherung erfahren hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_816" next="#ID_817"> Wir sehen: in der Großstadt wie in der Kleinstadt sind ausgezeichnete Er-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
stehen Schwierigkeiten in der Beschaffung der nötigen Mittel der Ausbreitung
der Vereinsthätigkeit nicht mehr im Wege. Der Verein schenkt seinen Mietern
nichts, das gesamte Bankapital, auch das gestiftete und eine größere zinsfrei
dargeliehene Summe, trägt vielmehr vier Prozent Zinse», und der Verein zahlt
mit dem Zinsenbetrage, soweit er nicht den Darleihern zufließt, allmählich seine
Schulden ab, sodaß er jetzt uach fünf Jahren schon ein Haus nahezu schulden-
frei besitzt.
Jede Familie hat ein großes und ein kleines heizbares Zimmer, eine Küche,
einen Kellerraum, eine Dachkammer, eine kleine Veranda, mit welcher der Abort
verbunden ist, und ein hübsches Stück Gartenland, ferner Mitbenutzung des
Hofraumes und der Waschküche, das alles in gesunder und für den Erwerb
günstiger Lage. Die Mietpreise sind: Erdgeschoß 110 und 120 Mark, erster
Stock 120 und 130 Mark, Dachstock 80 Mark. Für ähnliche Wohnungen in
gewöhnlichen Miethänsern würden die Mieter fast achtzig Mark mehr zahlen
müssen. Der bestgestellte Mieter hat einen Tagelohn von zwei Mark zwanzig
Pfennigen (neben freiem Vesperbrode), der Anteil seines Einkommens, welcher
für das Wohnungsbednrfnis verwandt wird, ist also verhältnismäßig hoch, aber
die Wohnungen sind auch unendlich viel besser als die bei diesen Klassen sonst
üblichen. Die Mieter werden in kurzen Terminen bezahlt, Abzahlungen werden
schon von zwei Mark an jederzeit angenommen, und für pünktliche Zahlung
während eines Vierteljahres werden zwei Mark Prämie gewährt. Aftermiete,
in vielen Städten eines der größten Übel, wird nur in durchaus dazu geeigneten
Fällen gestattet. Die Damen des Hilfsvereins üben bei gelegentlichen Besuchen
auf die Mieter einen sehr wohlthätige» Einfluß aus, der frei von beengender Kon-
trole ist, nur fleißige und nüchterne Leute werden geduldet. Streitigkeiten,
welche sonst in großen Miethäuscrn leicht vorkommen, sind äußerst selten — in
einem Falle mußte ein streitsüchtiger Mieter das Haus verlassen —, im Gegen¬
teil, die Familien unterstützen sich gegenseitig. Ganz ohne jeden Verdruß geht
es natürlich uicht ab.
Ein ähnliches Bild zeigen die Bestrebungen Gustav de Liagres in Leipzig,
über welche de Liagrc selbst am Schlüsse des zweiten Bandes des vom Verein
für Sozialpolitik herausgegebnen Sammelwerkes über die Wohuungszuftände
in Deutschland anschaulich berichtet. Im Verein mit zwölf Damen und Herren
wirkt er ganz nach dem Beispiele der Ocwvia Hill in London. Auch hier wird
das in einem großen Miethause angelegte Kapital von 130000 Mark ohne
Schwierigkeit zum landesüblichen Satze verzinst, eine große Anzahl von Fa¬
milien mit ausreichender Wohnung zu mäßigem Preise versehen und vor allem
durch die sittliche Einwirkung gebildeter Leute, insbesondre von Frauen, empor¬
gezogen. Näheres findet sich in dem angeführten Werke, welches durch diesen
praktischen Beitrag eine wesentliche Bereicherung erfahren hat.
Wir sehen: in der Großstadt wie in der Kleinstadt sind ausgezeichnete Er-
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