Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.Die Rriegswolke im Westen. Wehrkraft noch mehr notthut, als uns die der unsrigen, und das diese Von solchen Gesichtspunkten aus war der Gesetzentwurf zur Vermehrung Die Rriegswolke im Westen. Wehrkraft noch mehr notthut, als uns die der unsrigen, und das diese Von solchen Gesichtspunkten aus war der Gesetzentwurf zur Vermehrung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200369"/> <fw type="header" place="top"> Die Rriegswolke im Westen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> Wehrkraft noch mehr notthut, als uns die der unsrigen, und das diese<lb/> Pflicht bis jetzt mit sträflichen Leichtsinn außer Acht gelassen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_785" next="#ID_786"> Von solchen Gesichtspunkten aus war der Gesetzentwurf zur Vermehrung<lb/> des deutschen Heeres zu betrachten. Die Mehrheit des deutschen Reichstages<lb/> zog es vor, die Vorlage von einem andern Standpunkte aus anzusehen und zu<lb/> behandeln. Sie beliebte, die Forderung der Regierung abzulehnen, und die<lb/> Versammlung wurde daraufhin selbstverständlich aufgelöst. Sie hatte sich selbst<lb/> aus ihrer Existenz als Lcmdschcidcn hinausvotirt. Die Parteien, welche das<lb/> Gesetz in der Gestalt, die es haben und behalten mußte, zu Falle gebracht haben,<lb/> hatten deu Reichstag vor der ganzen Welt, soweit sie vernünftig denkt, um<lb/> nicht mehr zu sagen, zu einer Unbegreiflichkeit gemacht. Ein weitverbreitetes<lb/> englisches Blatt äußerte sich damals über die Majorität: „In der Meinung<lb/> aller zivilisirtcn Völker mit Einschluß des unversöhnlichen Erbfeindes hat sie<lb/> ihren Ruf, patriotisch zu denken, ernstlich gefährdet, ... die Sicherheit des Landes<lb/> geschwächt und den Frieden Europas erschüttert. Obwohl Hellmuth von Moltke,<lb/> dessen Prophezeiungen die Eigenschaft haben, immer einzutreffen, ihr versichert,<lb/> auf die Verwerfung des Gesetzes werde der Krieg folgen, verwarf sie es<lb/> dennoch... . Sie hielt an den Prärogativen der Volksvertretung j?j fest, die<lb/> jedes andre Parlament unter so bewandten Umständen bereitwillig für den Fall<lb/> beiseite gethan haben würde, und ermutigte so die Feinde Deutschlands, an<lb/> dessen Bereitwilligkeit zu weitem Opfern für die Verteidigung seiner Existenz<lb/> zu zweifeln.... Es ist ein Glück für diese übelberatenen Abgeordneten, daß<lb/> es im jungen deutschen Reiche noch kein Gesetz giebt, wie das von Bismarck<lb/> neulich angedeutete, uach welchem jedes Mitglied des Parlaments, welches das<lb/> Vaterland schädigt, vor ein Kriegsgericht zu stellen wäre." Ähnlich lauten<lb/> andre Urteile der fremden Presse, und wir können uns ihnen, auch denen,<lb/> die sich noch stärker ausdrücken, nur vollständig anschließen. Auf deu<lb/> Rat von Fachmännern allerersten Ranges hin erklärte unser Kaiser in<lb/> Übereinstimmung mit den Verbündeten Regierungen eine Verstärkung der<lb/> deutschen Heeresmacht für notwendig, wenn unter den gegenwärtigen Span¬<lb/> nungen und Gefahren die Sicherheit der Nation erhalten bleiben solle. In¬<lb/> folge der Bemühungen parlamentarischer Ränkeschmiede, welche in militärischen<lb/> Dingen und Fragen der auswärtigen Politik nicht einmal als Fachmänner<lb/> dritten oder vierten Ranges, sondern als reine Pfuscher und Bönhasen anzu¬<lb/> sehen sind, knüpfte der Reichstag die Bewilligung der ihm gemachten Vorlage<lb/> an unerfüllbare Bedingungen, deren Aufstellung einer Ablehnung gleichkam. Die<lb/> Opposition, zusammengesetzt ans offenkundiger Reichsfeinden und solchen, denen<lb/> das Reich erst in zweiter oder dritter Linie steht, hinter dem Ziele einer parla¬<lb/> mentarischen Regierung, einer Parteiregiernng, genau erwogen der Negierung<lb/> ihrer Partei, noch genauer der Führer dieser Partei, versuchte zuerst, die Not¬<lb/> wendigkeit einer Vermehrung des Heeres überhaupt zu bestreiten, und als ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Die Rriegswolke im Westen.
Wehrkraft noch mehr notthut, als uns die der unsrigen, und das diese
Pflicht bis jetzt mit sträflichen Leichtsinn außer Acht gelassen hat.
Von solchen Gesichtspunkten aus war der Gesetzentwurf zur Vermehrung
des deutschen Heeres zu betrachten. Die Mehrheit des deutschen Reichstages
zog es vor, die Vorlage von einem andern Standpunkte aus anzusehen und zu
behandeln. Sie beliebte, die Forderung der Regierung abzulehnen, und die
Versammlung wurde daraufhin selbstverständlich aufgelöst. Sie hatte sich selbst
aus ihrer Existenz als Lcmdschcidcn hinausvotirt. Die Parteien, welche das
Gesetz in der Gestalt, die es haben und behalten mußte, zu Falle gebracht haben,
hatten deu Reichstag vor der ganzen Welt, soweit sie vernünftig denkt, um
nicht mehr zu sagen, zu einer Unbegreiflichkeit gemacht. Ein weitverbreitetes
englisches Blatt äußerte sich damals über die Majorität: „In der Meinung
aller zivilisirtcn Völker mit Einschluß des unversöhnlichen Erbfeindes hat sie
ihren Ruf, patriotisch zu denken, ernstlich gefährdet, ... die Sicherheit des Landes
geschwächt und den Frieden Europas erschüttert. Obwohl Hellmuth von Moltke,
dessen Prophezeiungen die Eigenschaft haben, immer einzutreffen, ihr versichert,
auf die Verwerfung des Gesetzes werde der Krieg folgen, verwarf sie es
dennoch... . Sie hielt an den Prärogativen der Volksvertretung j?j fest, die
jedes andre Parlament unter so bewandten Umständen bereitwillig für den Fall
beiseite gethan haben würde, und ermutigte so die Feinde Deutschlands, an
dessen Bereitwilligkeit zu weitem Opfern für die Verteidigung seiner Existenz
zu zweifeln.... Es ist ein Glück für diese übelberatenen Abgeordneten, daß
es im jungen deutschen Reiche noch kein Gesetz giebt, wie das von Bismarck
neulich angedeutete, uach welchem jedes Mitglied des Parlaments, welches das
Vaterland schädigt, vor ein Kriegsgericht zu stellen wäre." Ähnlich lauten
andre Urteile der fremden Presse, und wir können uns ihnen, auch denen,
die sich noch stärker ausdrücken, nur vollständig anschließen. Auf deu
Rat von Fachmännern allerersten Ranges hin erklärte unser Kaiser in
Übereinstimmung mit den Verbündeten Regierungen eine Verstärkung der
deutschen Heeresmacht für notwendig, wenn unter den gegenwärtigen Span¬
nungen und Gefahren die Sicherheit der Nation erhalten bleiben solle. In¬
folge der Bemühungen parlamentarischer Ränkeschmiede, welche in militärischen
Dingen und Fragen der auswärtigen Politik nicht einmal als Fachmänner
dritten oder vierten Ranges, sondern als reine Pfuscher und Bönhasen anzu¬
sehen sind, knüpfte der Reichstag die Bewilligung der ihm gemachten Vorlage
an unerfüllbare Bedingungen, deren Aufstellung einer Ablehnung gleichkam. Die
Opposition, zusammengesetzt ans offenkundiger Reichsfeinden und solchen, denen
das Reich erst in zweiter oder dritter Linie steht, hinter dem Ziele einer parla¬
mentarischen Regierung, einer Parteiregiernng, genau erwogen der Negierung
ihrer Partei, noch genauer der Führer dieser Partei, versuchte zuerst, die Not¬
wendigkeit einer Vermehrung des Heeres überhaupt zu bestreiten, und als ein
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