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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Literatur.

Hunderts, ein Thema, welches neuerdings mehrfach in den Bereich der historischen
Untersuchung gezogen wurden ist. Der Band ist, wie man sieht, ebenso gediegen
wie reichhaltig und reiht sich den unter der Leitung des neuen Herausgebers er¬
schienenen würdig um.


Der erste Fürst von Bulgarien. Auszeichnungen von L. M. Svbolew. Leipzig,
Duncker und Humblot, 1336.

Ein interessanter, wenn anch vielfach nicht recht glaubwürdiger Beitrag zur
Geschichte Bulgariens in der Zeit vom Juli 1882 bis zum. September 1883, wo der
Verfasser, der russische General Sobvlew, bulgarischer Ministerpräsident und Leiter
der innern Angelegenheiten des Fürstentums war. Der Inhalt stand ursprünglich
in der Petersburger Monatsschrift "Nnssknja Starina" und hat seinen Schwerpunkt
in deu Bemerkungen Sobolcws zu der Denkschrift seiner frühern Kollegen Natschowitsch,
Grekow und Stoilow, die den zweiten Teil dieser Mitteilungen bildet. Jene Be¬
merkungen gehen sehr ins einzelne ein und enthalten viele Züge zur Charakteristik
des Fürsten Alexander und seiner Anhänger. Der Gesamteindruck aber ist dahin
zusammenzufassen, daß in Bulgarien damals alle Welt intrignirte, der Fürst, seine
bulgarischen Räte, die Konservativen, die Liberalen, die Radikalen und nicht minder
die beiden Russen, die an der Spitze der Regierung standen, daß ferner die Motive
aller Parteien teilweise recht unlauterer Art waren, und daß endlich die Verfassung,
welche mau deu Bulgaren russischerseits verlieh, in keiner Weise ihrem Charakter,
ihrem Bildungsgrade und ihren wahren Bedürfnissen entsprach. Diese Verfassung,
welche einem Volke von Halbbarbnren eine parlamentarische Regierung gab, war
ein Danaergeschenk, welches nur die Folge haben konnte, daß Ehrgeiz und Habsucht
das Laud ausbeuteten, daß allerlei Nnnke es nicht zu ruhiger Entwicklung gelangen
ließen, und daß es so allmählich reif für die Ausführung der russischen Pläne wurde.
Sobolews Tiraden für die bulgarische Freiheit siud somit nichts als Heuchelei. Das
schließt aber nicht ans, daß seine Beschuldigung, die Klique Natschowitsch, Grekow
und Stoilow mit ihrem Schweife jüdischer Eisenbahuspeknlauteu hätte es ans Aus¬
beutung des Landes für ihre Tasche abgesehen gehabt, begründet sein kann, ja seine
Behauptungen machen hier großenteils den Eindruck der Wahrheit.


Aus bulgarischer Sturmzeit. Bon A. v. Huhn. Leipzig, Duncker u. Humblot, 1886.

Eine Fortsetzung der Schrift des Verfassers "Der Kampf der Bulgaren um
ihre Nationaleinheit," welche über die Ereignisse nach dem Aufstände vou Philippvpel
und den serlüsch-bulgarischen Krieg vom Standpunkte eines dem Fürsten Alexander
und seiner Partei zugewandten Tagesschriftstellers berichtete. Hier werden die
spätern Ereignisse, die Verschwörung von Burgas, die Militärrevolution von Sofia,
die Gefangennahme und Wegführung des Fürsten, die Erhebung seiner Anhänger,
seine Rückkehr, seine schließliche Abdankung und die weitere Entwicklung der Dinge
mit Einschluß der Wirksamkeit des Generals Kaulbars vom gleichen Standpunkte
betrachtet und geschildert. Eine "authentische Darstellung" darf man das mit dein
Titel nicht, oder nnr insofern nennen, als der Verfasser großenteils nach eigner
Beobachtung schreibt. Es ist vielmehr eine Parteischrist, die geschickt verfaßt ist
und vieles recht anschaulich erzählt und beschreibt, anch in manchen Partien Recht
haben mag, aber für die Geschichte im ganzen nur ein Material liefert, welches
noch zu sichten und zu ergänzen ist.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Literatur.

Hunderts, ein Thema, welches neuerdings mehrfach in den Bereich der historischen
Untersuchung gezogen wurden ist. Der Band ist, wie man sieht, ebenso gediegen
wie reichhaltig und reiht sich den unter der Leitung des neuen Herausgebers er¬
schienenen würdig um.


Der erste Fürst von Bulgarien. Auszeichnungen von L. M. Svbolew. Leipzig,
Duncker und Humblot, 1336.

Ein interessanter, wenn anch vielfach nicht recht glaubwürdiger Beitrag zur
Geschichte Bulgariens in der Zeit vom Juli 1882 bis zum. September 1883, wo der
Verfasser, der russische General Sobvlew, bulgarischer Ministerpräsident und Leiter
der innern Angelegenheiten des Fürstentums war. Der Inhalt stand ursprünglich
in der Petersburger Monatsschrift „Nnssknja Starina" und hat seinen Schwerpunkt
in deu Bemerkungen Sobolcws zu der Denkschrift seiner frühern Kollegen Natschowitsch,
Grekow und Stoilow, die den zweiten Teil dieser Mitteilungen bildet. Jene Be¬
merkungen gehen sehr ins einzelne ein und enthalten viele Züge zur Charakteristik
des Fürsten Alexander und seiner Anhänger. Der Gesamteindruck aber ist dahin
zusammenzufassen, daß in Bulgarien damals alle Welt intrignirte, der Fürst, seine
bulgarischen Räte, die Konservativen, die Liberalen, die Radikalen und nicht minder
die beiden Russen, die an der Spitze der Regierung standen, daß ferner die Motive
aller Parteien teilweise recht unlauterer Art waren, und daß endlich die Verfassung,
welche mau deu Bulgaren russischerseits verlieh, in keiner Weise ihrem Charakter,
ihrem Bildungsgrade und ihren wahren Bedürfnissen entsprach. Diese Verfassung,
welche einem Volke von Halbbarbnren eine parlamentarische Regierung gab, war
ein Danaergeschenk, welches nur die Folge haben konnte, daß Ehrgeiz und Habsucht
das Laud ausbeuteten, daß allerlei Nnnke es nicht zu ruhiger Entwicklung gelangen
ließen, und daß es so allmählich reif für die Ausführung der russischen Pläne wurde.
Sobolews Tiraden für die bulgarische Freiheit siud somit nichts als Heuchelei. Das
schließt aber nicht ans, daß seine Beschuldigung, die Klique Natschowitsch, Grekow
und Stoilow mit ihrem Schweife jüdischer Eisenbahuspeknlauteu hätte es ans Aus¬
beutung des Landes für ihre Tasche abgesehen gehabt, begründet sein kann, ja seine
Behauptungen machen hier großenteils den Eindruck der Wahrheit.


Aus bulgarischer Sturmzeit. Bon A. v. Huhn. Leipzig, Duncker u. Humblot, 1886.

Eine Fortsetzung der Schrift des Verfassers „Der Kampf der Bulgaren um
ihre Nationaleinheit," welche über die Ereignisse nach dem Aufstände vou Philippvpel
und den serlüsch-bulgarischen Krieg vom Standpunkte eines dem Fürsten Alexander
und seiner Partei zugewandten Tagesschriftstellers berichtete. Hier werden die
spätern Ereignisse, die Verschwörung von Burgas, die Militärrevolution von Sofia,
die Gefangennahme und Wegführung des Fürsten, die Erhebung seiner Anhänger,
seine Rückkehr, seine schließliche Abdankung und die weitere Entwicklung der Dinge
mit Einschluß der Wirksamkeit des Generals Kaulbars vom gleichen Standpunkte
betrachtet und geschildert. Eine „authentische Darstellung" darf man das mit dein
Titel nicht, oder nnr insofern nennen, als der Verfasser großenteils nach eigner
Beobachtung schreibt. Es ist vielmehr eine Parteischrist, die geschickt verfaßt ist
und vieles recht anschaulich erzählt und beschreibt, anch in manchen Partien Recht
haben mag, aber für die Geschichte im ganzen nur ein Material liefert, welches
noch zu sichten und zu ergänzen ist.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
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[0256] Literatur. Hunderts, ein Thema, welches neuerdings mehrfach in den Bereich der historischen Untersuchung gezogen wurden ist. Der Band ist, wie man sieht, ebenso gediegen wie reichhaltig und reiht sich den unter der Leitung des neuen Herausgebers er¬ schienenen würdig um. Der erste Fürst von Bulgarien. Auszeichnungen von L. M. Svbolew. Leipzig, Duncker und Humblot, 1336. Ein interessanter, wenn anch vielfach nicht recht glaubwürdiger Beitrag zur Geschichte Bulgariens in der Zeit vom Juli 1882 bis zum. September 1883, wo der Verfasser, der russische General Sobvlew, bulgarischer Ministerpräsident und Leiter der innern Angelegenheiten des Fürstentums war. Der Inhalt stand ursprünglich in der Petersburger Monatsschrift „Nnssknja Starina" und hat seinen Schwerpunkt in deu Bemerkungen Sobolcws zu der Denkschrift seiner frühern Kollegen Natschowitsch, Grekow und Stoilow, die den zweiten Teil dieser Mitteilungen bildet. Jene Be¬ merkungen gehen sehr ins einzelne ein und enthalten viele Züge zur Charakteristik des Fürsten Alexander und seiner Anhänger. Der Gesamteindruck aber ist dahin zusammenzufassen, daß in Bulgarien damals alle Welt intrignirte, der Fürst, seine bulgarischen Räte, die Konservativen, die Liberalen, die Radikalen und nicht minder die beiden Russen, die an der Spitze der Regierung standen, daß ferner die Motive aller Parteien teilweise recht unlauterer Art waren, und daß endlich die Verfassung, welche mau deu Bulgaren russischerseits verlieh, in keiner Weise ihrem Charakter, ihrem Bildungsgrade und ihren wahren Bedürfnissen entsprach. Diese Verfassung, welche einem Volke von Halbbarbnren eine parlamentarische Regierung gab, war ein Danaergeschenk, welches nur die Folge haben konnte, daß Ehrgeiz und Habsucht das Laud ausbeuteten, daß allerlei Nnnke es nicht zu ruhiger Entwicklung gelangen ließen, und daß es so allmählich reif für die Ausführung der russischen Pläne wurde. Sobolews Tiraden für die bulgarische Freiheit siud somit nichts als Heuchelei. Das schließt aber nicht ans, daß seine Beschuldigung, die Klique Natschowitsch, Grekow und Stoilow mit ihrem Schweife jüdischer Eisenbahuspeknlauteu hätte es ans Aus¬ beutung des Landes für ihre Tasche abgesehen gehabt, begründet sein kann, ja seine Behauptungen machen hier großenteils den Eindruck der Wahrheit. Aus bulgarischer Sturmzeit. Bon A. v. Huhn. Leipzig, Duncker u. Humblot, 1886. Eine Fortsetzung der Schrift des Verfassers „Der Kampf der Bulgaren um ihre Nationaleinheit," welche über die Ereignisse nach dem Aufstände vou Philippvpel und den serlüsch-bulgarischen Krieg vom Standpunkte eines dem Fürsten Alexander und seiner Partei zugewandten Tagesschriftstellers berichtete. Hier werden die spätern Ereignisse, die Verschwörung von Burgas, die Militärrevolution von Sofia, die Gefangennahme und Wegführung des Fürsten, die Erhebung seiner Anhänger, seine Rückkehr, seine schließliche Abdankung und die weitere Entwicklung der Dinge mit Einschluß der Wirksamkeit des Generals Kaulbars vom gleichen Standpunkte betrachtet und geschildert. Eine „authentische Darstellung" darf man das mit dein Titel nicht, oder nnr insofern nennen, als der Verfasser großenteils nach eigner Beobachtung schreibt. Es ist vielmehr eine Parteischrist, die geschickt verfaßt ist und vieles recht anschaulich erzählt und beschreibt, anch in manchen Partien Recht haben mag, aber für die Geschichte im ganzen nur ein Material liefert, welches noch zu sichten und zu ergänzen ist. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/256>, abgerufen am 23.12.2024.