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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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geplant hatte, das hat Friedrich I. verwirklicht, freilich ohne den Blick über die
nächstliegenden Vorteile hinaus zu erheben, mit einer gewissen Zaghaftigkeit
werbend statt in stolzer Unabhängigkeit kühn zugreifend, wozu die Lage Europas
im Beginne von zwei großen Kriegen einen Herrscher von andrer Gcistesart
einladen konnte. Dadurch aber verliert die That vom 18. Januar 1701 nicht
an Bedeutung, und Friedrich der Große wurde ihr nicht gerecht, wenn er
meinte, durch die Selbstkröuung habe sein Großvater gleichsam einen Stachel
in die Seele seiner Nachfolger legen wollen und ihnen sagen: Ich gab euch
den königlichen Titel, erwerbe euch königliche Macht!

Ohne diese wäre das Königtum nun freilich nicht die erste Staffel zu der
Großmnchtsstelluug Preußens geworden. Und doch sollte man billig seine Be¬
deutung nicht darin sehen, daß dieses neue Königreich, obgleich es territorial so
ungünstig gestaltet und wirtschaftlich noch so wenig entwickelt war, doch Pflichten,
besonders militärischer Natur, auf sich nahm nud weit über das vereinbarte
Maß hinaus erfüllte, wie sie damals kaum einem Großstaate zugemutet werden
konnten, und dadurch zuerst die Fülle der in ihm schlummernden Kräfte ver¬
heißungsvoll offenbarte. Auch nicht darin lag das Epochemachende des Krönnngs-
attes für Deutschlands Entwicklung, daß der erbitternde Undank, mit welchem
die dem Kaiserhaus geleisteten Dienste vergolten wurden, dem königlich denkenden
Erben der neuen Krone die Erkenntnis aufnötigte von dem Gegensatze zwischen
Habsburg und Hohenzollern, der hinfort die treibende Kraft in der deutschen
Geschichte wurde und dessen ehrliche Auöfechtuug anderthalb Jahrhunderte später
das endliche Gesunden des deutschen Staatslebens ermöglichen sollte. Vielmehr
liegt die historische Bedeutung des Kröuuugsattes vom 18. Januar 1701 darin,
daß in einer so nie zuvor dagewesenen und so nie wiederholten Weise durch
eine zunächst doch mir symbolische Handlung, die freilich einen kühnen Akt
Polnischer Neuschöpfung glücklich zum Ausdruck brachte, eine eigenartige Form
der politischen Kultur in ein davon bisher unberührtes Gebiet verpflanzt
wurde und daselbst eine Fülle noch schlummernder, reichster Entwicklung fähiger
Keime zum Leben erweckte. Für Deutschland bedeutete das preußische König¬
tum die Einführung neuer, der deutschen Staats- und Gesellschaftsordnung
bisher fremder Ideen und Formen, welche die alle gesunde Entwicklung hindern¬
den Banden des veralteten Reichsrechts nach oben wie nach unten hin rettend
durchbrachen und die Grundsätze wahren staatlichen Lebens zur Geltung brachten.
Mit einem Schlage holte Preußen dadurch für sich nach, um was Deutschlands
Politische Entwicklung hinter der der romanischen Staaten zurückgeblieben war.
Formen, welche sich dort im Laufe eines Vierteljahrtausends zu voller Lebens-
und Leistungsfähigkeit ausgebildet hatten, ja bereits wieder in der Auflösung
begriffen warm, wurden hier auf ein Staatswesen angewandt, welche der
nationalen Geschlossenheit noch entbehrte und im Entstehen die Bedingungen
des Daseins sich selbst erst schaffen sollte.


geplant hatte, das hat Friedrich I. verwirklicht, freilich ohne den Blick über die
nächstliegenden Vorteile hinaus zu erheben, mit einer gewissen Zaghaftigkeit
werbend statt in stolzer Unabhängigkeit kühn zugreifend, wozu die Lage Europas
im Beginne von zwei großen Kriegen einen Herrscher von andrer Gcistesart
einladen konnte. Dadurch aber verliert die That vom 18. Januar 1701 nicht
an Bedeutung, und Friedrich der Große wurde ihr nicht gerecht, wenn er
meinte, durch die Selbstkröuung habe sein Großvater gleichsam einen Stachel
in die Seele seiner Nachfolger legen wollen und ihnen sagen: Ich gab euch
den königlichen Titel, erwerbe euch königliche Macht!

Ohne diese wäre das Königtum nun freilich nicht die erste Staffel zu der
Großmnchtsstelluug Preußens geworden. Und doch sollte man billig seine Be¬
deutung nicht darin sehen, daß dieses neue Königreich, obgleich es territorial so
ungünstig gestaltet und wirtschaftlich noch so wenig entwickelt war, doch Pflichten,
besonders militärischer Natur, auf sich nahm nud weit über das vereinbarte
Maß hinaus erfüllte, wie sie damals kaum einem Großstaate zugemutet werden
konnten, und dadurch zuerst die Fülle der in ihm schlummernden Kräfte ver¬
heißungsvoll offenbarte. Auch nicht darin lag das Epochemachende des Krönnngs-
attes für Deutschlands Entwicklung, daß der erbitternde Undank, mit welchem
die dem Kaiserhaus geleisteten Dienste vergolten wurden, dem königlich denkenden
Erben der neuen Krone die Erkenntnis aufnötigte von dem Gegensatze zwischen
Habsburg und Hohenzollern, der hinfort die treibende Kraft in der deutschen
Geschichte wurde und dessen ehrliche Auöfechtuug anderthalb Jahrhunderte später
das endliche Gesunden des deutschen Staatslebens ermöglichen sollte. Vielmehr
liegt die historische Bedeutung des Kröuuugsattes vom 18. Januar 1701 darin,
daß in einer so nie zuvor dagewesenen und so nie wiederholten Weise durch
eine zunächst doch mir symbolische Handlung, die freilich einen kühnen Akt
Polnischer Neuschöpfung glücklich zum Ausdruck brachte, eine eigenartige Form
der politischen Kultur in ein davon bisher unberührtes Gebiet verpflanzt
wurde und daselbst eine Fülle noch schlummernder, reichster Entwicklung fähiger
Keime zum Leben erweckte. Für Deutschland bedeutete das preußische König¬
tum die Einführung neuer, der deutschen Staats- und Gesellschaftsordnung
bisher fremder Ideen und Formen, welche die alle gesunde Entwicklung hindern¬
den Banden des veralteten Reichsrechts nach oben wie nach unten hin rettend
durchbrachen und die Grundsätze wahren staatlichen Lebens zur Geltung brachten.
Mit einem Schlage holte Preußen dadurch für sich nach, um was Deutschlands
Politische Entwicklung hinter der der romanischen Staaten zurückgeblieben war.
Formen, welche sich dort im Laufe eines Vierteljahrtausends zu voller Lebens-
und Leistungsfähigkeit ausgebildet hatten, ja bereits wieder in der Auflösung
begriffen warm, wurden hier auf ein Staatswesen angewandt, welche der
nationalen Geschlossenheit noch entbehrte und im Entstehen die Bedingungen
des Daseins sich selbst erst schaffen sollte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/211>, abgerufen am 23.12.2024.