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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Kleinere Mitteilungen.

Sie beklagen sich, daß ihr Parlamentarismus durch des Kanzlers Angriffe
im Auslande den Kredit einbüße. Als ob das noch möglich wäre! Umgekehrt
darf man sagen: Da schon das Ausland sich eine solche Meinung von der
deutschen Opposition gebildet hat, ist es nicht zu verwundern, daß der Kanzler
so deutlich mit ihr redet. Und ebenso natürlich ist es, daß das vielverspottete
Wort vom beschränkten Uuterthanenverstande wieder populär wird, da der Un¬
verstand sich beharrlich anmaßt, die Meinung des ganzen Volkes miszusprechcn.




Kleinere Mitteilungen.
Eine Burg Deutschlands im Nordosten.

Ob wir unsre Auseinander¬
setzung mit Nußland, die ja einmal tourner wird, auf friedlichem oder auf kriegerischem
Wege zu bewerkstelligen haben werden, mag dahingestellt bleiben. Auch bei dieser
Sache dürfte das Wart zutreffen, daß, wenn man die Wahl zwischen einem baldigen
und einem vielleicht später ausbrechenden Kriege hat, der letztere immer vorzuziehen
ist, weil niemand weiß, was sich inzwischen ereignen und am Ende doch die Er¬
haltung des Friedens zur Folge haben kann; hoffen wir also auf Frieden. Aber
diese Hoffnung, darüber herrscht wohl keine Meinungsverschiedenheit, wird umso
solider sein, je besser für uns und je schlechter für den mutmaßlichen Gegner die
Aussichten eines Krieges sind, und es kann uns also nach jeder Seite hiu nur zur
hohen Befriedigung gereichen, daß wir im höchsten Norte" Preußens und Deutsch¬
lands, so recht an dem ausgesetztcstcn Punkte unsrer russischen Grenze, im Besitze
einer gewaltigen Feste sind, der ein außergewöhnliches Maß von Widerstandskraft
zugeschrieben werden darf. Das ist Königsberg, die Hauptstadt Ostpreußens.

Mit dem Eindringen der Russen in Ostpreußen ist es überhaupt keine so
ganz leichte Sache, wie vielfach angenommen wird. Unsre Nordostgrenze bietet
allerdings, da ja der obere Teil des Memelstromes sich in russischem Händen be¬
findet, einer von Kvwno her vorrückenden russischen Armee keine großen Schwierig¬
keiten, aber bei Königsberg müßte die Aktion einer solchen zum Stehen kommen
oder es müßte hier zur Beobachtung ein starkes Korps zurückgelassen werden, und
dann würde ein solches Heer die Weichsellinie, die doch Von Polen aus schon über¬
wunden ist, erst vor sich haben. Ein von Süden eindringendes Heer würde den
gleichem Schwierigkeiten begegnen und sich überdies durch die masurische Seen-
Platte, die es zu seiner Rechten lassen müßte, stark behindert sehen. Ein Angriff
ans Ostpreußen hat also für Rußland sein Mißliches und ist dabei, wenn man
nicht starke Kräfte aufbieten will, um das Land förmlich zu erobern, ziemlich
gegenstandslos. Wohl aber ist die Provinz durch die in ihr sich darbietende Um¬
fassung der russische" Stellung für uns, nämlich für einen von hier aus gegen
Rußland zu führenden Angriffskrieg, von der höchsten Bedeutung; wir fassen ja
von hier aus die russischen Weichselfestungen im Rücken nud können bequem
in einige der besten und wichtigsten russischen Provinzen einbrechen, haben auch
nicht allzuweit nach Se. Petersburg. Diesem Umstände entspringt der vor Jahren


Kleinere Mitteilungen.

Sie beklagen sich, daß ihr Parlamentarismus durch des Kanzlers Angriffe
im Auslande den Kredit einbüße. Als ob das noch möglich wäre! Umgekehrt
darf man sagen: Da schon das Ausland sich eine solche Meinung von der
deutschen Opposition gebildet hat, ist es nicht zu verwundern, daß der Kanzler
so deutlich mit ihr redet. Und ebenso natürlich ist es, daß das vielverspottete
Wort vom beschränkten Uuterthanenverstande wieder populär wird, da der Un¬
verstand sich beharrlich anmaßt, die Meinung des ganzen Volkes miszusprechcn.




Kleinere Mitteilungen.
Eine Burg Deutschlands im Nordosten.

Ob wir unsre Auseinander¬
setzung mit Nußland, die ja einmal tourner wird, auf friedlichem oder auf kriegerischem
Wege zu bewerkstelligen haben werden, mag dahingestellt bleiben. Auch bei dieser
Sache dürfte das Wart zutreffen, daß, wenn man die Wahl zwischen einem baldigen
und einem vielleicht später ausbrechenden Kriege hat, der letztere immer vorzuziehen
ist, weil niemand weiß, was sich inzwischen ereignen und am Ende doch die Er¬
haltung des Friedens zur Folge haben kann; hoffen wir also auf Frieden. Aber
diese Hoffnung, darüber herrscht wohl keine Meinungsverschiedenheit, wird umso
solider sein, je besser für uns und je schlechter für den mutmaßlichen Gegner die
Aussichten eines Krieges sind, und es kann uns also nach jeder Seite hiu nur zur
hohen Befriedigung gereichen, daß wir im höchsten Norte» Preußens und Deutsch¬
lands, so recht an dem ausgesetztcstcn Punkte unsrer russischen Grenze, im Besitze
einer gewaltigen Feste sind, der ein außergewöhnliches Maß von Widerstandskraft
zugeschrieben werden darf. Das ist Königsberg, die Hauptstadt Ostpreußens.

Mit dem Eindringen der Russen in Ostpreußen ist es überhaupt keine so
ganz leichte Sache, wie vielfach angenommen wird. Unsre Nordostgrenze bietet
allerdings, da ja der obere Teil des Memelstromes sich in russischem Händen be¬
findet, einer von Kvwno her vorrückenden russischen Armee keine großen Schwierig¬
keiten, aber bei Königsberg müßte die Aktion einer solchen zum Stehen kommen
oder es müßte hier zur Beobachtung ein starkes Korps zurückgelassen werden, und
dann würde ein solches Heer die Weichsellinie, die doch Von Polen aus schon über¬
wunden ist, erst vor sich haben. Ein von Süden eindringendes Heer würde den
gleichem Schwierigkeiten begegnen und sich überdies durch die masurische Seen-
Platte, die es zu seiner Rechten lassen müßte, stark behindert sehen. Ein Angriff
ans Ostpreußen hat also für Rußland sein Mißliches und ist dabei, wenn man
nicht starke Kräfte aufbieten will, um das Land förmlich zu erobern, ziemlich
gegenstandslos. Wohl aber ist die Provinz durch die in ihr sich darbietende Um¬
fassung der russische» Stellung für uns, nämlich für einen von hier aus gegen
Rußland zu führenden Angriffskrieg, von der höchsten Bedeutung; wir fassen ja
von hier aus die russischen Weichselfestungen im Rücken nud können bequem
in einige der besten und wichtigsten russischen Provinzen einbrechen, haben auch
nicht allzuweit nach Se. Petersburg. Diesem Umstände entspringt der vor Jahren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/187>, abgerufen am 03.07.2024.