Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.zichcr und Reformator der baltischen Provinzen, ja ganz Rußlands zu werden zichcr und Reformator der baltischen Provinzen, ja ganz Rußlands zu werden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/200285"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_515" prev="#ID_514" next="#ID_516"> zichcr und Reformator der baltischen Provinzen, ja ganz Rußlands zu werden<lb/> hoffte, so trug sich in den fünfziger Jahren Wieland mit dein „patriotischen<lb/> Traume, die Eidgenossenschaft zu verjüngen," Das in seinem ersten nouum<lb/> „Don Shlvio" scherzhaft behandelte Problem der Erziehung eines jungen<lb/> Menschen ergreift er mit philosophischem Ernste in der „Geschichte des Agathon,"<lb/> in welcher wir schon einen Vorläufer des „Wilhelm Meister," dieses größten aller<lb/> Erziehungsromane, erblicken müssen. Wieland erfaßte die Erziehungsfrage aber<lb/> auch von einem ganz bestimmten Gesichtspunkte ans in seinem „Gvldneu<lb/> Spiegel." Rousseau hatte die Anfrage eines deutschen Fürsten über die Er¬<lb/> ziehung seines Sohnes mit den stolzen Worten: „Wenn ich das Unglück gehabt<lb/> hätte, als Punz geboren zu sein," beantwortet; Albrecht von Haller hatte in<lb/> zweien seiner didaktischen Romane, im „Usvng" und im „Alfred," die Frage der<lb/> Fürstenerziehung berührt, Wieland machte sie zum Inhalte seines „ Goldner<lb/> Spiegels." Die spätere Behauptung Goethes, daß er 1772 dies Werk Wie¬<lb/> lands in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen" kritisirt habe, ist neuerdings<lb/> als eine irrtümliche angezweifelt worden. Außer Zweifel aber steht Goethes<lb/> Teilnahme für dies Werk, welches seinem Urheber die Berufung als Prinzen-<lb/> crzicher nach Weimar eintrug. In der Folge wurde dann Goethe der Mentor<lb/> von Wielands Zögling Karl August. Wie planmäßig bewußt Goethe bis zur<lb/> italienischen Reise an einer höhern Erziehung seines jüngern fürstlichen Freundes<lb/> arbeitete, hat er selbst in Briefen, besonders anläßlich der Reise in die Schweiz<lb/> von 1779, zu wiederholten male!, ausgesprochen, und Adolf scholl (Goethe in<lb/> Hauptzügen seines Lebens und Wirkens) hat es uns in überzeugendster Weise<lb/> nachgewiesen. Allein noch vor seinem Eintritte in die Weimarischen Kreise wurde<lb/> ihm die Pädagogik, wie sie das Jahrhundert beschäftigte, nahe gebracht.<lb/> In launigen Versen wie in der klassischen Darstellung von „Dichtung und<lb/> Wahrheit" hat er den Eindruck geschildert, den Basedow und seine Erziehungs-<lb/> methode 1774 auf ihn ausgeübt haben. Er hat sich mit Basedows großem<lb/> Elcmcntarwcrtc beschäftigt, wie ihm, dein Verfasser der „Reise der Sohne<lb/> Megaprazons," Defoe-Campes Robinson, nach Rousseaus Urteil die treff¬<lb/> lichste Abhandlung über naturgemäße Erziehung, Wohl bekannt war. Das be¬<lb/> rühmte Dessauische Philnnthrvpin. sür das sein alter Freund Behrisch thätig<lb/> war, hat er zu wiederholten malen besichtigt und, wenn auch gelegentlich ein<lb/> Spvttwvrt über die Philanthropie sällt, in der pädagogischen Provinz der<lb/> Wanderjahre werden wir doch an Rousseau und Basedow wie an das Dessauische<lb/> Philanthropin erinnert. Wenn uns für Goethes Teilnahme für die Bestrebungen<lb/> von Rousseaus bestem Schüler Pestalozzi, der die hingebende Begeisterung des<lb/> trefflichen Johann Andreas Schmeller nachhaltig erregte, zufällig bedeutende<lb/> Zeugnisse fehlen, so zeigen doch zahlreiche Äußerungen (z. V. in dem Briefe<lb/> an die Gräfin O'Donckt vom 2. Januar 1819), welch lebhaftes Interesse Goethe<lb/> allen Instituten und Pensivnsuntcrnchmnngen entgegenbrachte. Freilich ist für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
zichcr und Reformator der baltischen Provinzen, ja ganz Rußlands zu werden
hoffte, so trug sich in den fünfziger Jahren Wieland mit dein „patriotischen
Traume, die Eidgenossenschaft zu verjüngen," Das in seinem ersten nouum
„Don Shlvio" scherzhaft behandelte Problem der Erziehung eines jungen
Menschen ergreift er mit philosophischem Ernste in der „Geschichte des Agathon,"
in welcher wir schon einen Vorläufer des „Wilhelm Meister," dieses größten aller
Erziehungsromane, erblicken müssen. Wieland erfaßte die Erziehungsfrage aber
auch von einem ganz bestimmten Gesichtspunkte ans in seinem „Gvldneu
Spiegel." Rousseau hatte die Anfrage eines deutschen Fürsten über die Er¬
ziehung seines Sohnes mit den stolzen Worten: „Wenn ich das Unglück gehabt
hätte, als Punz geboren zu sein," beantwortet; Albrecht von Haller hatte in
zweien seiner didaktischen Romane, im „Usvng" und im „Alfred," die Frage der
Fürstenerziehung berührt, Wieland machte sie zum Inhalte seines „ Goldner
Spiegels." Die spätere Behauptung Goethes, daß er 1772 dies Werk Wie¬
lands in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen" kritisirt habe, ist neuerdings
als eine irrtümliche angezweifelt worden. Außer Zweifel aber steht Goethes
Teilnahme für dies Werk, welches seinem Urheber die Berufung als Prinzen-
crzicher nach Weimar eintrug. In der Folge wurde dann Goethe der Mentor
von Wielands Zögling Karl August. Wie planmäßig bewußt Goethe bis zur
italienischen Reise an einer höhern Erziehung seines jüngern fürstlichen Freundes
arbeitete, hat er selbst in Briefen, besonders anläßlich der Reise in die Schweiz
von 1779, zu wiederholten male!, ausgesprochen, und Adolf scholl (Goethe in
Hauptzügen seines Lebens und Wirkens) hat es uns in überzeugendster Weise
nachgewiesen. Allein noch vor seinem Eintritte in die Weimarischen Kreise wurde
ihm die Pädagogik, wie sie das Jahrhundert beschäftigte, nahe gebracht.
In launigen Versen wie in der klassischen Darstellung von „Dichtung und
Wahrheit" hat er den Eindruck geschildert, den Basedow und seine Erziehungs-
methode 1774 auf ihn ausgeübt haben. Er hat sich mit Basedows großem
Elcmcntarwcrtc beschäftigt, wie ihm, dein Verfasser der „Reise der Sohne
Megaprazons," Defoe-Campes Robinson, nach Rousseaus Urteil die treff¬
lichste Abhandlung über naturgemäße Erziehung, Wohl bekannt war. Das be¬
rühmte Dessauische Philnnthrvpin. sür das sein alter Freund Behrisch thätig
war, hat er zu wiederholten malen besichtigt und, wenn auch gelegentlich ein
Spvttwvrt über die Philanthropie sällt, in der pädagogischen Provinz der
Wanderjahre werden wir doch an Rousseau und Basedow wie an das Dessauische
Philanthropin erinnert. Wenn uns für Goethes Teilnahme für die Bestrebungen
von Rousseaus bestem Schüler Pestalozzi, der die hingebende Begeisterung des
trefflichen Johann Andreas Schmeller nachhaltig erregte, zufällig bedeutende
Zeugnisse fehlen, so zeigen doch zahlreiche Äußerungen (z. V. in dem Briefe
an die Gräfin O'Donckt vom 2. Januar 1819), welch lebhaftes Interesse Goethe
allen Instituten und Pensivnsuntcrnchmnngen entgegenbrachte. Freilich ist für
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