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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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sopheu ein, indem sie systematisch vorgehend sich unter Didcrots und d'Alem-
berts Leitung zur Herausgabe der berühmten ^no^olvpvctic; verbanden. Sie
darf geradezu ein Untcrrichtswerk genannt werden, denn sie war recht eigentlich
dazu bestimmt, der herrschenden kirchlichen Bildung eine andre entgegenzustellen,
Jugend und Erwachsene mit den neueren Ideen und ihren Folgerungen ver¬
traut zu machen. Aufklärend, erziehend sollte sie wirken. Die Idee der Vvlks-
anfllüruug und Erziehung war die vorherrschende Idee des Jahrhunderts ge¬
worden. Der aufgeklärte Absolutismus, dessen größter Vertreter auf dem
preußischen Throne mit dein ersten Führer der ganzen Bewegung, mit Voltaire,
verbunden war, glaubte sich zur Lösung einer pädagogischen Aufgabe berufen.
Auf allen Gebieten gewahren wir die Bethätigung dieser Auffassung. Die
Theologen selbst legten in ihren Predigten das Hauptgewicht auf die Erziehung
des Volkes zu praktischen Dingen. Joh. Gg. Schlossers berühmter "Katechismus
der Sittenlehre sür den Bürger und Landmann nach den Bedürfnissen der Zeit,
mit einem Anhang zur Kindererziehung und zur Bildung des Landvolkes"
(zuerst 1771) mag als die beste Leistung diese Bestrebungen vertreten. Be¬
deutsam erscheint dabei die Verbindung zweier Tendenzen: der Erwachsene soll
im Sinne des aufgeklärten Absolutismus über seine Pflichten und Aufgaben
belehrt, zugleich aber die von Rousseau angeregten neuen Ideen über die Kinder¬
erziehung eingebürgert werden. Der Verfasser dieses Katechismus war der
Freund und Schwager Goethes; und auch bei Goethe verbindet sich in beiden
Teilen des "Wilhelm Meister" die Frage nach den Bildungsmitteln des Mannes
und Staatsbürgers mit darstellender Entwicklung der Grundsätze über die Er¬
ziehung der Jugend.

In welcher gesteigerten, ja fast ausschließlichen Weise die pädagogische Idee
alle Anschauungen gerade der besten Männer beherrschte, wird sofort deutlich,
wenn wir nur drei Werke nennen, deren jedes den Bestrebungen einer Periode
deutscher Geistesentwicklung seinen Stempel aufgedrückt hat. Lessing, er selbst
der Erzieher seines Volkes zu geistiger Freiheit, faßte die ganze Entwicklung
der Weltgeschichte in dem Begriffe einer Erziehung des Menschen durch das
göttliche Walten aus. Seiner Weisheit letzten Schluß bilden die tiefsinnigen
Paragraphen der "Erziehung des Menschengeschlechts" (1780). Als die Ent¬
artung der französischen Revolution die innere Hohlheit und Haltlosigkeit der
herrschenden Kultur und den Mangel an wahrer Bildung im Volle erschreckend
klar machte, da sah Schiller nur einen Ausweg, um das Unsittliche und Ver¬
nunftwidrige der herrschenden Zustände (Notstaat) ohne Gefahr einer alles ver¬
nichtenden Anarchie in befriedigende Verhältnisse (Vernunftstaat) überzulculeu;
eine auf der Grundlage des schonet! beruhende Bildung müsse die künftigen
Bürger des Vernunftstaates erziehen. 1795 veröffentlichte er in den "Hören"
seine "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen." Als aber auch
in Deutschland das alte, nicht uuwvhulichc Gebäude zusammengestürzt war und


sopheu ein, indem sie systematisch vorgehend sich unter Didcrots und d'Alem-
berts Leitung zur Herausgabe der berühmten ^no^olvpvctic; verbanden. Sie
darf geradezu ein Untcrrichtswerk genannt werden, denn sie war recht eigentlich
dazu bestimmt, der herrschenden kirchlichen Bildung eine andre entgegenzustellen,
Jugend und Erwachsene mit den neueren Ideen und ihren Folgerungen ver¬
traut zu machen. Aufklärend, erziehend sollte sie wirken. Die Idee der Vvlks-
anfllüruug und Erziehung war die vorherrschende Idee des Jahrhunderts ge¬
worden. Der aufgeklärte Absolutismus, dessen größter Vertreter auf dem
preußischen Throne mit dein ersten Führer der ganzen Bewegung, mit Voltaire,
verbunden war, glaubte sich zur Lösung einer pädagogischen Aufgabe berufen.
Auf allen Gebieten gewahren wir die Bethätigung dieser Auffassung. Die
Theologen selbst legten in ihren Predigten das Hauptgewicht auf die Erziehung
des Volkes zu praktischen Dingen. Joh. Gg. Schlossers berühmter „Katechismus
der Sittenlehre sür den Bürger und Landmann nach den Bedürfnissen der Zeit,
mit einem Anhang zur Kindererziehung und zur Bildung des Landvolkes"
(zuerst 1771) mag als die beste Leistung diese Bestrebungen vertreten. Be¬
deutsam erscheint dabei die Verbindung zweier Tendenzen: der Erwachsene soll
im Sinne des aufgeklärten Absolutismus über seine Pflichten und Aufgaben
belehrt, zugleich aber die von Rousseau angeregten neuen Ideen über die Kinder¬
erziehung eingebürgert werden. Der Verfasser dieses Katechismus war der
Freund und Schwager Goethes; und auch bei Goethe verbindet sich in beiden
Teilen des „Wilhelm Meister" die Frage nach den Bildungsmitteln des Mannes
und Staatsbürgers mit darstellender Entwicklung der Grundsätze über die Er¬
ziehung der Jugend.

In welcher gesteigerten, ja fast ausschließlichen Weise die pädagogische Idee
alle Anschauungen gerade der besten Männer beherrschte, wird sofort deutlich,
wenn wir nur drei Werke nennen, deren jedes den Bestrebungen einer Periode
deutscher Geistesentwicklung seinen Stempel aufgedrückt hat. Lessing, er selbst
der Erzieher seines Volkes zu geistiger Freiheit, faßte die ganze Entwicklung
der Weltgeschichte in dem Begriffe einer Erziehung des Menschen durch das
göttliche Walten aus. Seiner Weisheit letzten Schluß bilden die tiefsinnigen
Paragraphen der „Erziehung des Menschengeschlechts" (1780). Als die Ent¬
artung der französischen Revolution die innere Hohlheit und Haltlosigkeit der
herrschenden Kultur und den Mangel an wahrer Bildung im Volle erschreckend
klar machte, da sah Schiller nur einen Ausweg, um das Unsittliche und Ver¬
nunftwidrige der herrschenden Zustände (Notstaat) ohne Gefahr einer alles ver¬
nichtenden Anarchie in befriedigende Verhältnisse (Vernunftstaat) überzulculeu;
eine auf der Grundlage des schonet! beruhende Bildung müsse die künftigen
Bürger des Vernunftstaates erziehen. 1795 veröffentlichte er in den „Hören"
seine „Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen." Als aber auch
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/178>, abgerufen am 23.12.2024.