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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Landwirtschaft und Bodenmonopo!.

Eines möchte ich noch berühren: Würde man es wohl erforderlich finden,
auch das Privateigentum an Wohnstätten aufzuheben, oder sollte man nicht viel¬
mehr hier eine Ausnahme zulassen? Es würde Wohl dem Grundsätze, daß Grund
und Boden im allgemeinen nicht Privateigentum sein solle, nicht viel Abbruch
thun, wenn man zugeben wollte, daß der Einzelne, sofern er wollte, Hans und
Garten zur Sclbstbcnntznng als Pcivatbcsitz haben könnte. Bei der Aufgabe solchen
Besitzes könnte ja dem Staat ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Ich glaube
auch nicht, daß die Ausnahme dem von George angerufenen vorgeschichtlichen Zu¬
stande widersprechen würde. Wenigstens behauptet Waitz (Deutsche Verfassungs¬
geschichte I. S. 118) mit aller Bestimmtheit, daß bei den alten Germanen die
Hofstätte Privateigentum gewesen sei. Jedenfalls verdient die Frage dereinst
Beachtung, denn sicher ist es ein erhebendes Bewußtsein, ein eignes Heim aus
eignen Boden zu besitzen.

Einstweilen sind wir noch nicht so weit, daß wir solche Nebenfragen in
vollem Ernste erörtern müßten. Wie schon gesagt, ist das Bodcnmvnopol ein
Ding der Zukunft, und wir haben es bis jetzt nur mit seinen Vorboten zu thun.
Ob wir gegen diese Vorboten schon mit dein schweren Geschütz der Verstaat¬
lichung des Bodens vorrücken sollen oder nicht, mögen Berufenere entscheiden.
Meine unmaßgebliche Meinung ist die, daß die Gesamtheit auch daun, wenn sie
die dereinstige Verstaatlichung alles Grundbesitzes für nnerläßluh halten müßte,
sich doch noch eine geraume Weile begnügen dürfte, sich nach Gelegenheit nach
und nach möglichst viel Land anzueignen, um schließlich zu gegebener Zeit
leichteres Spiel zu haben. Über Nacht kommt ja die Sache nicht. Ehe die
Konkurrenz der Nnhruugsmittelprodnzentcn aufhört und wirklich einschneidende
Schutzmaßregeln für die Konsumenten nötig werden, wird die Landwirtschaft
sich auf Bvdenstrccken einnisten, um deren Kulturfähigkeit heute niemand denkt;
die Kultur von Luxnspflanzen, wie Tabak, und von geringwertigen Nahrungs¬
mitteln, wie der Kartoffel, wird zurückgehen, um dem alsdann einträglicheren
Getreidebau sowie der Produktion andrer Erzeugnisse von hohem Nährwert für
Mensch und Tier mehr Platz zu machen. Auch der Wald wird überall schwinden,
wo er nicht wirklich auf reinem Waldboden steht oder aus klimatischen Rücksichten
unentbehrlich ist.

Ist dies alles einmal geschehen, und die Konsumtion ist dennoch imstande,
das Produzirte zu bewältigen, dann freilich ist die Zeit gekommen, wo der
Produzent allmächtig ist, und dann ist es allerdings nicht nnr wünschenswert,
sondern sogar notwendig, daß der Staat -- oder richtiger der wirtschaftliche
Gesamtkörper -- Herr des Bodens sei. Aber erst dann!




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Landwirtschaft und Bodenmonopo!.

Eines möchte ich noch berühren: Würde man es wohl erforderlich finden,
auch das Privateigentum an Wohnstätten aufzuheben, oder sollte man nicht viel¬
mehr hier eine Ausnahme zulassen? Es würde Wohl dem Grundsätze, daß Grund
und Boden im allgemeinen nicht Privateigentum sein solle, nicht viel Abbruch
thun, wenn man zugeben wollte, daß der Einzelne, sofern er wollte, Hans und
Garten zur Sclbstbcnntznng als Pcivatbcsitz haben könnte. Bei der Aufgabe solchen
Besitzes könnte ja dem Staat ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Ich glaube
auch nicht, daß die Ausnahme dem von George angerufenen vorgeschichtlichen Zu¬
stande widersprechen würde. Wenigstens behauptet Waitz (Deutsche Verfassungs¬
geschichte I. S. 118) mit aller Bestimmtheit, daß bei den alten Germanen die
Hofstätte Privateigentum gewesen sei. Jedenfalls verdient die Frage dereinst
Beachtung, denn sicher ist es ein erhebendes Bewußtsein, ein eignes Heim aus
eignen Boden zu besitzen.

Einstweilen sind wir noch nicht so weit, daß wir solche Nebenfragen in
vollem Ernste erörtern müßten. Wie schon gesagt, ist das Bodcnmvnopol ein
Ding der Zukunft, und wir haben es bis jetzt nur mit seinen Vorboten zu thun.
Ob wir gegen diese Vorboten schon mit dein schweren Geschütz der Verstaat¬
lichung des Bodens vorrücken sollen oder nicht, mögen Berufenere entscheiden.
Meine unmaßgebliche Meinung ist die, daß die Gesamtheit auch daun, wenn sie
die dereinstige Verstaatlichung alles Grundbesitzes für nnerläßluh halten müßte,
sich doch noch eine geraume Weile begnügen dürfte, sich nach Gelegenheit nach
und nach möglichst viel Land anzueignen, um schließlich zu gegebener Zeit
leichteres Spiel zu haben. Über Nacht kommt ja die Sache nicht. Ehe die
Konkurrenz der Nnhruugsmittelprodnzentcn aufhört und wirklich einschneidende
Schutzmaßregeln für die Konsumenten nötig werden, wird die Landwirtschaft
sich auf Bvdenstrccken einnisten, um deren Kulturfähigkeit heute niemand denkt;
die Kultur von Luxnspflanzen, wie Tabak, und von geringwertigen Nahrungs¬
mitteln, wie der Kartoffel, wird zurückgehen, um dem alsdann einträglicheren
Getreidebau sowie der Produktion andrer Erzeugnisse von hohem Nährwert für
Mensch und Tier mehr Platz zu machen. Auch der Wald wird überall schwinden,
wo er nicht wirklich auf reinem Waldboden steht oder aus klimatischen Rücksichten
unentbehrlich ist.

Ist dies alles einmal geschehen, und die Konsumtion ist dennoch imstande,
das Produzirte zu bewältigen, dann freilich ist die Zeit gekommen, wo der
Produzent allmächtig ist, und dann ist es allerdings nicht nnr wünschenswert,
sondern sogar notwendig, daß der Staat — oder richtiger der wirtschaftliche
Gesamtkörper — Herr des Bodens sei. Aber erst dann!




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[0169] Landwirtschaft und Bodenmonopo!. Eines möchte ich noch berühren: Würde man es wohl erforderlich finden, auch das Privateigentum an Wohnstätten aufzuheben, oder sollte man nicht viel¬ mehr hier eine Ausnahme zulassen? Es würde Wohl dem Grundsätze, daß Grund und Boden im allgemeinen nicht Privateigentum sein solle, nicht viel Abbruch thun, wenn man zugeben wollte, daß der Einzelne, sofern er wollte, Hans und Garten zur Sclbstbcnntznng als Pcivatbcsitz haben könnte. Bei der Aufgabe solchen Besitzes könnte ja dem Staat ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden. Ich glaube auch nicht, daß die Ausnahme dem von George angerufenen vorgeschichtlichen Zu¬ stande widersprechen würde. Wenigstens behauptet Waitz (Deutsche Verfassungs¬ geschichte I. S. 118) mit aller Bestimmtheit, daß bei den alten Germanen die Hofstätte Privateigentum gewesen sei. Jedenfalls verdient die Frage dereinst Beachtung, denn sicher ist es ein erhebendes Bewußtsein, ein eignes Heim aus eignen Boden zu besitzen. Einstweilen sind wir noch nicht so weit, daß wir solche Nebenfragen in vollem Ernste erörtern müßten. Wie schon gesagt, ist das Bodcnmvnopol ein Ding der Zukunft, und wir haben es bis jetzt nur mit seinen Vorboten zu thun. Ob wir gegen diese Vorboten schon mit dein schweren Geschütz der Verstaat¬ lichung des Bodens vorrücken sollen oder nicht, mögen Berufenere entscheiden. Meine unmaßgebliche Meinung ist die, daß die Gesamtheit auch daun, wenn sie die dereinstige Verstaatlichung alles Grundbesitzes für nnerläßluh halten müßte, sich doch noch eine geraume Weile begnügen dürfte, sich nach Gelegenheit nach und nach möglichst viel Land anzueignen, um schließlich zu gegebener Zeit leichteres Spiel zu haben. Über Nacht kommt ja die Sache nicht. Ehe die Konkurrenz der Nnhruugsmittelprodnzentcn aufhört und wirklich einschneidende Schutzmaßregeln für die Konsumenten nötig werden, wird die Landwirtschaft sich auf Bvdenstrccken einnisten, um deren Kulturfähigkeit heute niemand denkt; die Kultur von Luxnspflanzen, wie Tabak, und von geringwertigen Nahrungs¬ mitteln, wie der Kartoffel, wird zurückgehen, um dem alsdann einträglicheren Getreidebau sowie der Produktion andrer Erzeugnisse von hohem Nährwert für Mensch und Tier mehr Platz zu machen. Auch der Wald wird überall schwinden, wo er nicht wirklich auf reinem Waldboden steht oder aus klimatischen Rücksichten unentbehrlich ist. Ist dies alles einmal geschehen, und die Konsumtion ist dennoch imstande, das Produzirte zu bewältigen, dann freilich ist die Zeit gekommen, wo der Produzent allmächtig ist, und dann ist es allerdings nicht nnr wünschenswert, sondern sogar notwendig, daß der Staat — oder richtiger der wirtschaftliche Gesamtkörper — Herr des Bodens sei. Aber erst dann! Grnizbvlen 1. 1387.21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/169>, abgerufen am 23.12.2024.