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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Zum Schlüsse kämen wir noch zur Erörterung eines der bedenklichste"
Punkte von Henry Georges Programm: Auf welche Weise sollte Wohl die Ver¬
staatlichung, wenn man sie einmal als notwendig erkannt hätte, durchgeführt
werden? George macht bekanntlich kurzen Prozeß, indem er den Bodenwert
durch Auslage einer Steuer in der Höhe der Grundrente einziehen will. Den
jetzigen Besitzern glaubt er eine Entschädigung nicht einräumen zu müssen, weil
der Grund und Boden von Haus aus Eigentum der Gesamtheit sei und dieser
widerrechtlich vorenthalten werde. Den naheliegenden EinWurf, daß die jetzigen
Besitzer ihre Güter in gutem Glauben und mit redlich erworbenem Gelde er¬
kauft haben, weist er zurück, indem er die Grundsätze des Loiniuon lapp in etwas
eigentümlicher Weise in Anwendung bringt und sagt: Nov pointe ckoss ters 1s,>v
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xurvtiassä in gooel lait,Il, gives niru no riAnt or vlainr vlmtöver. Man sieht,
daß seine Stellung hier schwach ist. Jedenfalls werden die Grundbesitzer da,
wo die Grundsätze des Oonrirwii lap nicht in Geltung sind, so frei sein, sich
ihre Nechtssütze -- so weit es sich um solche handelt -- anderswo herzu¬
nehmen,*) Aber wenn wir auch dies außer Betracht lassen und George aus
den Boden des Oourmon folgen, oder wenn wir die Sache von irgend einem
beliebigen andern Standpunkte aus betrachten, können wir nur sagen, daß der
ganze Hinweis verfehlt ist und für den vorliegenden Fall nicht zutrifft. Der
Grund und Boden ist nicht nur von den jetzigen Besitzern rechtmäßig erworben,
sondern auch früher vou der Gesamtheit oder ihren berufenen Vertretern mit
vollem Bewußtsein ans der Hand gegeben worden. Soweit dabei Lehens¬
pflichten bedungen waren, sind diese wiederum -- der Regel "ach wenigstens --
nur mit Bewilligung der Gesamtheit oder ihrer berufenen Vertreter abgelöst
worden. Die Gesamtheit mag ja bei alledem nicht die besten Geschäfte gemacht
haben, aber jedenfalls kann fie sich der Verantwortung für Abmachungen, die
in ihrem Namen und mit ihrem Wissen und ihrer ausdrücklichen oder still¬
schweigenden Bewilligung getroffen wurden, nicht entziehen. Sieht sie ein, daß
sie besser gethan hätte, den Grund und Boden zu behalten, so mag sie ihn
zurückkaufen. Aber sie hat keine Veranlassung zu Heulen wie ein kleines Kind,
dem man sein Butterbrot vorenthält. Die Grundbesitzer selbst würden wohl
der Verstaatlichn"^ die geringsten Hindernisse entgegensetzen. Ihre derzeitige
üble Lage würde sie im allgemeinen zur Aufgabe ihres Besitztums wohl bereit
machen, besonders wenn sie, wie George meint, gleich als Pächter sitzen bleiben
könnten.



Das badische Landrecht (L.-R. S. 22S5) sagt z. B.: Wer redlicherweisc und mit
gesetzmäßiger Eigentumsurkunde ein liegendes Gut erwirbt, ersitzt das Eigentum daran in
zehn Jahren, wenn der wahre Eigentümer im Staatsgebiete wohnt, und in zwanzig Jahren,
wenn er außerhalb desselben wohnhaft ist.

Zum Schlüsse kämen wir noch zur Erörterung eines der bedenklichste»
Punkte von Henry Georges Programm: Auf welche Weise sollte Wohl die Ver¬
staatlichung, wenn man sie einmal als notwendig erkannt hätte, durchgeführt
werden? George macht bekanntlich kurzen Prozeß, indem er den Bodenwert
durch Auslage einer Steuer in der Höhe der Grundrente einziehen will. Den
jetzigen Besitzern glaubt er eine Entschädigung nicht einräumen zu müssen, weil
der Grund und Boden von Haus aus Eigentum der Gesamtheit sei und dieser
widerrechtlich vorenthalten werde. Den naheliegenden EinWurf, daß die jetzigen
Besitzer ihre Güter in gutem Glauben und mit redlich erworbenem Gelde er¬
kauft haben, weist er zurück, indem er die Grundsätze des Loiniuon lapp in etwas
eigentümlicher Weise in Anwendung bringt und sagt: Nov pointe ckoss ters 1s,>v
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daß seine Stellung hier schwach ist. Jedenfalls werden die Grundbesitzer da,
wo die Grundsätze des Oonrirwii lap nicht in Geltung sind, so frei sein, sich
ihre Nechtssütze — so weit es sich um solche handelt — anderswo herzu¬
nehmen,*) Aber wenn wir auch dies außer Betracht lassen und George aus
den Boden des Oourmon folgen, oder wenn wir die Sache von irgend einem
beliebigen andern Standpunkte aus betrachten, können wir nur sagen, daß der
ganze Hinweis verfehlt ist und für den vorliegenden Fall nicht zutrifft. Der
Grund und Boden ist nicht nur von den jetzigen Besitzern rechtmäßig erworben,
sondern auch früher vou der Gesamtheit oder ihren berufenen Vertretern mit
vollem Bewußtsein ans der Hand gegeben worden. Soweit dabei Lehens¬
pflichten bedungen waren, sind diese wiederum — der Regel »ach wenigstens —
nur mit Bewilligung der Gesamtheit oder ihrer berufenen Vertreter abgelöst
worden. Die Gesamtheit mag ja bei alledem nicht die besten Geschäfte gemacht
haben, aber jedenfalls kann fie sich der Verantwortung für Abmachungen, die
in ihrem Namen und mit ihrem Wissen und ihrer ausdrücklichen oder still¬
schweigenden Bewilligung getroffen wurden, nicht entziehen. Sieht sie ein, daß
sie besser gethan hätte, den Grund und Boden zu behalten, so mag sie ihn
zurückkaufen. Aber sie hat keine Veranlassung zu Heulen wie ein kleines Kind,
dem man sein Butterbrot vorenthält. Die Grundbesitzer selbst würden wohl
der Verstaatlichn«^ die geringsten Hindernisse entgegensetzen. Ihre derzeitige
üble Lage würde sie im allgemeinen zur Aufgabe ihres Besitztums wohl bereit
machen, besonders wenn sie, wie George meint, gleich als Pächter sitzen bleiben
könnten.



Das badische Landrecht (L.-R. S. 22S5) sagt z. B.: Wer redlicherweisc und mit
gesetzmäßiger Eigentumsurkunde ein liegendes Gut erwirbt, ersitzt das Eigentum daran in
zehn Jahren, wenn der wahre Eigentümer im Staatsgebiete wohnt, und in zwanzig Jahren,
wenn er außerhalb desselben wohnhaft ist.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/168>, abgerufen am 01.10.2024.