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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-böhmische Briefe.

kommen. Nur für Fülle von Mord und Diebstahl behielt der Fürst sich die
Entscheidung vor. Wie ihren Richter, so wählte sich die deutsche Kolonie auch
den Pfarrer ihrer Kirche zu Se. Peter frei, sodaß der Bischof sich nicht ein¬
mischen durfte. "Kein Deutscher -- heißt es in dem Freiheitsbriefe weiter -- darf
verhaftet oder ins Gefängnis geworfen werden, wenn er Bürgen stellt oder ein
eignes Haus besitzt. In welcher Sache er aber auch strafbar oder schuldig sei,
so soll seiner Frau oder seinen Kindern keinerlei Nachteil und keinerlei Schande
daraus erwachsen." Gestohlenes Gut durfte bei ihm uicht gesucht werden, "außer
in Anwesenheit seines Richters." Kam es zu einem Eide, so legte ihn der
Deutsche vor seiner Gcmcindekirche ab, wobei er in einem Kreise stand, den er
mit seinem Schwerte ans dem Erdboden gezogen hatte. In den übrigen Punkten
der Urkunde wird meist Beziehung auf das Verhältnis der Deutschböhmen zu
den Tschechen, Wülscheu und Juden im Lande genommen, soweit es sich um
strafrechtliche Klagesachen handelte. Gehörte der Klüger einer der drei zuletzt
genannten Nationen an und betraf seine Klage einen Deutschen, so hatte er
sie ibeim Oberstkümmcrer einzureichen, und dieser schickte sie dem Richter der
Deutschen zu, der die Angelegenheit entschied. War eine Erhärtung der Klage
durch ZengenbewciS erforderlich, so mußten die Tschechen, Wälschen und Juden
drei Zeugen beschaffen, zwei deutsche und einen aus der betreffenden andern
Nation. Wurde ein Deutscher gegen einen Angehörigen der übrigen Bevöl¬
kerung klagbar, so entschieden die gewöhnlichen Gerichte. Die Strafen im Be¬
reiche der deutschen Gemeinde bestanden in Geldbußen oder Leibesstrafen, von
denen die erstern, in Regensburger Mark normirt, in die fürstliche Kasse ge¬
zahlt wurden. Einen Totschlag büßte man, wenn der Fürst nicht in außer¬
gewöhnlichen Fällen etwas andres verfügte, mit zehn Mark oder dem Verluste
der rechten Hand, Friedensstörung mit zehn Mark. Auf Diebstahl während
der Nacht war der Strang gesetzt, auf Diebstahl bei Tage Stäupung
auf öffentlichem Platze und Verweisung aus der Stadt mit Androhung des
Galgens für den Fall, daß der Verbannte sich in ihr wieder betreffen ließe.
Wurde" falsche Münzen oder Werkzeuge zur Herstellung solcher im Hause oder
Gehöfte eines Deutschen entdeckt, so war der Eigentümer nicht strafbar "etwa
wegen der Böswilligen und Ruchlosen, welche dergleichen in Hänser und Höfe
zu werfen pflegen." Fand man dagegen solche Dinge in einem Schranke ver¬
schlossen, so galt der Eigentümer desselben für schuldig. Wurde im Hanse
eines Deutschen eine geheime Schenke aufgespürt, so durfte der Besitzer des
Hauses verhaftet werden, aber nur in Gegenwart des deutschen Richters oder
seines Boten. Für einen Mord, welcher an jemand begangen wurde, während
er des Nachts ohne Fackel durch die Gassen der deutschen Ansiedlung ging,
sollte die Gemeinde nicht verantwortlich sein. Endlich wurde durch deu Frei¬
heitsbrief selbst die unbeschränkte Ausbreitung der Deutschen im Prager Burg¬
flecken vorbereitet; denn derselbe enthielt die wichtige Bestimmung, daß Ein-


Deutsch-böhmische Briefe.

kommen. Nur für Fülle von Mord und Diebstahl behielt der Fürst sich die
Entscheidung vor. Wie ihren Richter, so wählte sich die deutsche Kolonie auch
den Pfarrer ihrer Kirche zu Se. Peter frei, sodaß der Bischof sich nicht ein¬
mischen durfte. „Kein Deutscher — heißt es in dem Freiheitsbriefe weiter — darf
verhaftet oder ins Gefängnis geworfen werden, wenn er Bürgen stellt oder ein
eignes Haus besitzt. In welcher Sache er aber auch strafbar oder schuldig sei,
so soll seiner Frau oder seinen Kindern keinerlei Nachteil und keinerlei Schande
daraus erwachsen." Gestohlenes Gut durfte bei ihm uicht gesucht werden, „außer
in Anwesenheit seines Richters." Kam es zu einem Eide, so legte ihn der
Deutsche vor seiner Gcmcindekirche ab, wobei er in einem Kreise stand, den er
mit seinem Schwerte ans dem Erdboden gezogen hatte. In den übrigen Punkten
der Urkunde wird meist Beziehung auf das Verhältnis der Deutschböhmen zu
den Tschechen, Wülscheu und Juden im Lande genommen, soweit es sich um
strafrechtliche Klagesachen handelte. Gehörte der Klüger einer der drei zuletzt
genannten Nationen an und betraf seine Klage einen Deutschen, so hatte er
sie ibeim Oberstkümmcrer einzureichen, und dieser schickte sie dem Richter der
Deutschen zu, der die Angelegenheit entschied. War eine Erhärtung der Klage
durch ZengenbewciS erforderlich, so mußten die Tschechen, Wälschen und Juden
drei Zeugen beschaffen, zwei deutsche und einen aus der betreffenden andern
Nation. Wurde ein Deutscher gegen einen Angehörigen der übrigen Bevöl¬
kerung klagbar, so entschieden die gewöhnlichen Gerichte. Die Strafen im Be¬
reiche der deutschen Gemeinde bestanden in Geldbußen oder Leibesstrafen, von
denen die erstern, in Regensburger Mark normirt, in die fürstliche Kasse ge¬
zahlt wurden. Einen Totschlag büßte man, wenn der Fürst nicht in außer¬
gewöhnlichen Fällen etwas andres verfügte, mit zehn Mark oder dem Verluste
der rechten Hand, Friedensstörung mit zehn Mark. Auf Diebstahl während
der Nacht war der Strang gesetzt, auf Diebstahl bei Tage Stäupung
auf öffentlichem Platze und Verweisung aus der Stadt mit Androhung des
Galgens für den Fall, daß der Verbannte sich in ihr wieder betreffen ließe.
Wurde» falsche Münzen oder Werkzeuge zur Herstellung solcher im Hause oder
Gehöfte eines Deutschen entdeckt, so war der Eigentümer nicht strafbar „etwa
wegen der Böswilligen und Ruchlosen, welche dergleichen in Hänser und Höfe
zu werfen pflegen." Fand man dagegen solche Dinge in einem Schranke ver¬
schlossen, so galt der Eigentümer desselben für schuldig. Wurde im Hanse
eines Deutschen eine geheime Schenke aufgespürt, so durfte der Besitzer des
Hauses verhaftet werden, aber nur in Gegenwart des deutschen Richters oder
seines Boten. Für einen Mord, welcher an jemand begangen wurde, während
er des Nachts ohne Fackel durch die Gassen der deutschen Ansiedlung ging,
sollte die Gemeinde nicht verantwortlich sein. Endlich wurde durch deu Frei¬
heitsbrief selbst die unbeschränkte Ausbreitung der Deutschen im Prager Burg¬
flecken vorbereitet; denn derselbe enthielt die wichtige Bestimmung, daß Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200104/158>, abgerufen am 23.12.2024.