Germanische Altertümer aus den Bauerdörforn Nordungarns.
der Aussteuer, ganz besteckt und überfüllt mit einer Unmenge jener kleinen und zerbrechlichen Nippsachen, die das eine Geschlecht so sehr liebt und das andre am liebsten aus dem Fenster würfe. Schoner hier und Schoner da, Jagd- trophäen an den Wänden, Porzellanfigurcn auf den Schränken und Kom¬ moden u, s. w. -- alles entzückend anzusehen für Gevattern und Basen, aber beim Arbeiten nicht eben förderlich. Auch die Verpflegung war so ausgezeichnet, daß kaum einige Lücken des Küchenzettels daran erinnerten, daß die Bedürfnisse unsers Tisches hauptsächlich aus den Erträgnissen des Hühnerhofes und des Gemüsegartens bestritten werden mußten, denn einen Metzger gab es natürlich in Krickerhciu nicht. Des Morgens vortrefflicher Kaffee mit uugewässerter Milch, Mittags mein Leibgericht, Paprikahähndel mit Nockerl, des Abends -- aber hier läßt mich mein Gedächtnis im Stich, um sich indeß sofort wieder aufzufrischen und zu einem Hymnus auf die Hausfrauen von Preßburg zu ermannen bei der Erinnerung an die 90, sage neunzig, Kruken, Gläser und Töpfchen, die mir die kleine Förstcrin, als ich mich einmal in ihr Revier verirrte, triumphirend zeigte, alle gefüllt mit Fruchtsäften, Marmeladen, Gelees und Kompots, einen wahr¬ haften Hort der (Nacht)ncbeluugen, der dazu bestimmt war, in die ewige Teufe des für Süßigkeiten, wie es schien, fast unergründlichen hausväterlichen Magens versenkt zu werdeu, denn die liebe Frau -- so gestand sie mir -- rührte alle diese süßen Dinge nicht an, sie möchte nur Saures, aber ihr Mann wäre ein großer Liebhaber. Nur eines fehlte dem Horte: der Fluchring Andwaris, denn daß das eheliche Glück und der häusliche Friede durch die süße Begehrlichkeit des Gatten gestört worden wäre, wie anderwärts leicht zu befürchten, davon konnte keine Rede sein. Eine seltene Frau in der That, eine einzige Frau: eine Frau, die selbst Süßigkeiten verschmäht, eine Frau, die trotzdem ganz in Süßigkeiten webt -- für ihren Mann; eine Frau, welche keinen Versuch macht, durch die unwiderstehliche Beredsamkeit ihrer Zunge den Gatten zu überzeugen, daß Süßigkeiten sehr schädlich für den Magen, sehr verderblich für die Zähne seien, und daß es gänzlich unmännlich und unwaidmännisch sei, dergestalt in einem Dickicht von Apfelkraut, Beeren, Nüssen u. s. w. zu pürschen und seiner zartern Hälfte zuzumuten, eine solche Hekatombe von Wohlgeschmack auf dem Altar des Eheglücks darzubringen und seinem Schwelgen bei einer sauern Gurke zuzusehen. Freilich, da sind unsre Männer besser gezogen: haben sie Geld, so können sie sich dergleichen kaufen; haben sie keins, so können sie sich mit dem Malerpinsel ihrer Frau den Mund wischen. Gewiß, ein beneidenswerter Mann, dachte ich, denn ich muß gestehen, ich fühlte mich selbst nicht gleichgiltig gegen diese Schütze. Aber leider waren sie für mich nur Schaugericht und blieben mir verschlossen wie der Berg Scham. Natürlich, es war ja Hochsommer, und der Flieder reifte gerade seine schwarze Büschelfrucht, bei uns Keileken genannt. Da war es nur zeitgemäß, den Gast mit Keilekenmus zu laben, einem Gericht, wie die Frau Försterin versicherte, höchst bekömmlich, aber allerdings, wie sie
Germanische Altertümer aus den Bauerdörforn Nordungarns.
der Aussteuer, ganz besteckt und überfüllt mit einer Unmenge jener kleinen und zerbrechlichen Nippsachen, die das eine Geschlecht so sehr liebt und das andre am liebsten aus dem Fenster würfe. Schoner hier und Schoner da, Jagd- trophäen an den Wänden, Porzellanfigurcn auf den Schränken und Kom¬ moden u, s. w. — alles entzückend anzusehen für Gevattern und Basen, aber beim Arbeiten nicht eben förderlich. Auch die Verpflegung war so ausgezeichnet, daß kaum einige Lücken des Küchenzettels daran erinnerten, daß die Bedürfnisse unsers Tisches hauptsächlich aus den Erträgnissen des Hühnerhofes und des Gemüsegartens bestritten werden mußten, denn einen Metzger gab es natürlich in Krickerhciu nicht. Des Morgens vortrefflicher Kaffee mit uugewässerter Milch, Mittags mein Leibgericht, Paprikahähndel mit Nockerl, des Abends — aber hier läßt mich mein Gedächtnis im Stich, um sich indeß sofort wieder aufzufrischen und zu einem Hymnus auf die Hausfrauen von Preßburg zu ermannen bei der Erinnerung an die 90, sage neunzig, Kruken, Gläser und Töpfchen, die mir die kleine Förstcrin, als ich mich einmal in ihr Revier verirrte, triumphirend zeigte, alle gefüllt mit Fruchtsäften, Marmeladen, Gelees und Kompots, einen wahr¬ haften Hort der (Nacht)ncbeluugen, der dazu bestimmt war, in die ewige Teufe des für Süßigkeiten, wie es schien, fast unergründlichen hausväterlichen Magens versenkt zu werdeu, denn die liebe Frau — so gestand sie mir — rührte alle diese süßen Dinge nicht an, sie möchte nur Saures, aber ihr Mann wäre ein großer Liebhaber. Nur eines fehlte dem Horte: der Fluchring Andwaris, denn daß das eheliche Glück und der häusliche Friede durch die süße Begehrlichkeit des Gatten gestört worden wäre, wie anderwärts leicht zu befürchten, davon konnte keine Rede sein. Eine seltene Frau in der That, eine einzige Frau: eine Frau, die selbst Süßigkeiten verschmäht, eine Frau, die trotzdem ganz in Süßigkeiten webt — für ihren Mann; eine Frau, welche keinen Versuch macht, durch die unwiderstehliche Beredsamkeit ihrer Zunge den Gatten zu überzeugen, daß Süßigkeiten sehr schädlich für den Magen, sehr verderblich für die Zähne seien, und daß es gänzlich unmännlich und unwaidmännisch sei, dergestalt in einem Dickicht von Apfelkraut, Beeren, Nüssen u. s. w. zu pürschen und seiner zartern Hälfte zuzumuten, eine solche Hekatombe von Wohlgeschmack auf dem Altar des Eheglücks darzubringen und seinem Schwelgen bei einer sauern Gurke zuzusehen. Freilich, da sind unsre Männer besser gezogen: haben sie Geld, so können sie sich dergleichen kaufen; haben sie keins, so können sie sich mit dem Malerpinsel ihrer Frau den Mund wischen. Gewiß, ein beneidenswerter Mann, dachte ich, denn ich muß gestehen, ich fühlte mich selbst nicht gleichgiltig gegen diese Schütze. Aber leider waren sie für mich nur Schaugericht und blieben mir verschlossen wie der Berg Scham. Natürlich, es war ja Hochsommer, und der Flieder reifte gerade seine schwarze Büschelfrucht, bei uns Keileken genannt. Da war es nur zeitgemäß, den Gast mit Keilekenmus zu laben, einem Gericht, wie die Frau Försterin versicherte, höchst bekömmlich, aber allerdings, wie sie
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Germanische Altertümer aus den Bauerdörforn Nordungarns.
der Aussteuer, ganz besteckt und überfüllt mit einer Unmenge jener kleinen und
zerbrechlichen Nippsachen, die das eine Geschlecht so sehr liebt und das andre
am liebsten aus dem Fenster würfe. Schoner hier und Schoner da, Jagd-
trophäen an den Wänden, Porzellanfigurcn auf den Schränken und Kom¬
moden u, s. w. — alles entzückend anzusehen für Gevattern und Basen, aber
beim Arbeiten nicht eben förderlich. Auch die Verpflegung war so ausgezeichnet,
daß kaum einige Lücken des Küchenzettels daran erinnerten, daß die Bedürfnisse
unsers Tisches hauptsächlich aus den Erträgnissen des Hühnerhofes und des
Gemüsegartens bestritten werden mußten, denn einen Metzger gab es natürlich
in Krickerhciu nicht. Des Morgens vortrefflicher Kaffee mit uugewässerter Milch,
Mittags mein Leibgericht, Paprikahähndel mit Nockerl, des Abends — aber hier
läßt mich mein Gedächtnis im Stich, um sich indeß sofort wieder aufzufrischen
und zu einem Hymnus auf die Hausfrauen von Preßburg zu ermannen bei der
Erinnerung an die 90, sage neunzig, Kruken, Gläser und Töpfchen, die mir die
kleine Förstcrin, als ich mich einmal in ihr Revier verirrte, triumphirend zeigte,
alle gefüllt mit Fruchtsäften, Marmeladen, Gelees und Kompots, einen wahr¬
haften Hort der (Nacht)ncbeluugen, der dazu bestimmt war, in die ewige Teufe
des für Süßigkeiten, wie es schien, fast unergründlichen hausväterlichen Magens
versenkt zu werdeu, denn die liebe Frau — so gestand sie mir — rührte alle
diese süßen Dinge nicht an, sie möchte nur Saures, aber ihr Mann wäre ein
großer Liebhaber. Nur eines fehlte dem Horte: der Fluchring Andwaris, denn
daß das eheliche Glück und der häusliche Friede durch die süße Begehrlichkeit
des Gatten gestört worden wäre, wie anderwärts leicht zu befürchten, davon
konnte keine Rede sein. Eine seltene Frau in der That, eine einzige Frau:
eine Frau, die selbst Süßigkeiten verschmäht, eine Frau, die trotzdem ganz in
Süßigkeiten webt — für ihren Mann; eine Frau, welche keinen Versuch
macht, durch die unwiderstehliche Beredsamkeit ihrer Zunge den Gatten zu
überzeugen, daß Süßigkeiten sehr schädlich für den Magen, sehr verderblich für die
Zähne seien, und daß es gänzlich unmännlich und unwaidmännisch sei, dergestalt
in einem Dickicht von Apfelkraut, Beeren, Nüssen u. s. w. zu pürschen und seiner
zartern Hälfte zuzumuten, eine solche Hekatombe von Wohlgeschmack auf dem
Altar des Eheglücks darzubringen und seinem Schwelgen bei einer sauern Gurke
zuzusehen. Freilich, da sind unsre Männer besser gezogen: haben sie Geld, so
können sie sich dergleichen kaufen; haben sie keins, so können sie sich mit dem
Malerpinsel ihrer Frau den Mund wischen. Gewiß, ein beneidenswerter Mann,
dachte ich, denn ich muß gestehen, ich fühlte mich selbst nicht gleichgiltig gegen
diese Schütze. Aber leider waren sie für mich nur Schaugericht und blieben
mir verschlossen wie der Berg Scham. Natürlich, es war ja Hochsommer, und
der Flieder reifte gerade seine schwarze Büschelfrucht, bei uns Keileken genannt.
Da war es nur zeitgemäß, den Gast mit Keilekenmus zu laben, einem Gericht,
wie die Frau Försterin versicherte, höchst bekömmlich, aber allerdings, wie sie
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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/82>, abgerufen am 25.01.2025.
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