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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Zwei Minderer des Reichs.

Nachdem die Gewährung eines Dubliner Parlaments einmal, wie geschehen,
von einem englischen Ministerium befürwortet worden ist, werden andre Lösungen
des schwierigen Problems, die man sich denken könnte, schwerlich durchzuführen
sein, z.B. Landtage für jede der vier Provinzen der Insel. Man wird wohl
nur die Wahl haben zwischen national LLltzovLrnmönt und dauernder Gewalt¬
herrschaft, und in beiden Fällen würden die Propheten Recht behalten, welche
den Verfall des britischen Reiches an den Namen Glcidstvne, einst tuo pooxlv's
VMImm, knüpfen "vollen.

Den Lesern dieser Blätter werden sich wie dem Schreiber derselben die
Ähnlichkeiten Gladstones mit einem andern Minderer des Reiches, mit Herrn
Windthorst, und wieder seine Verschiedenheiten von demselben aufgedrängt haben.
Während jener die Umstände zur Befriedigung seines persönlichen Interesses
benutzt, unbekümmert, ob er damit sein Vaterland schädigt, während er leiden¬
schaftlich und leichtsinnig in dem letzten Wahlkampfe die Parole: "Die Massen
gegen die Klassen" ausgegeben hat, darf man von Windthorst sagen, daß er mit Be¬
wußtsein an der Zertrümmerung des deutschen Reiches arbeite; denn er ist zu
kaltblütig, um sich selbst zu täuschen, und zu gescheit, um sich täuschen zu lassen.
Mag das Kompliment wahr sein oder nicht, was ein früheres, jetzt im Aus¬
lande lebendes Mitglied des Zentrums ihm gemacht hat, daß "er vou alle dem
Zeug nichts glaube": man kann seiner Geschicklichkeit das größere Kompliment
nicht vorenthalten, daß er nur zu lange einen großen Teil unsrer katholischen
Mitbürger seinem Streben dienstbar gemacht hat. Der Papst bietet die Hand
zur Beruhigung der Gemüter: Herr Windthorst bläst in die erlöschende Flamme.
Sein Antrag, zuerst in Amberg vorgebracht und jetzt in Breslau wiederholt,
daß Baiern sich an die Spitze eines LiorMs (ZMwIivoruni stellen möge, schmeckt
nach den Zeiten, da seine Freunde, die Väter Jesu, Deutschland dreißig Jahre
lang mit Blut und Asche bedecken konnten. Man sollte seine Äußerung in der
Landtagssitzung vom 19. Juni 1880 nicht vergessen: "Im allgemeinen ist ja
die Lage der Katholiken in Preußen eine höchst bedenkliche und eine höchst
schwierige. Sie sind in der Minorität, werden für lange Zeit in der Minorität
bleiben, und sind dasselbe jetzt im deutschen Reiche." Seiner Presse kommt
uicht wie dem Freisinn die Entschuldigung der Unzurechnungsfähigkeit zu statten
für das Bemühen, Deutschland in einen Krieg mit Nußland und Frankreich zu
treiben, weil ein halbdentscher, halbpolnischer Prinz in Bulgarien die Warnung
vor einem Militärkomplott in den Wind geschlagen hat.

Aber zu welchem Zwecke die Zerstörung des Reiches? Will er Zustände
herbeiführen, in welchen die Katholiken in Preußen und im Reiche die Mehrheit
sind? oder wünscht er nur das wiederhergestellte Welfeureich an der Spitze des
(üorxusDvMZLliooruiir zusehen? Bekenntnisse einer schönen Seele, wie sie Glad-
stone von Zeit zu Zeit von sich giebt, haben wir von ihm nicht zu erwarten. Zum
Glück kann eine Majorität, welche an viel xMlmmöirt^ ImM, wie Gladstone


Grenzboten IV. 1886. 8
Zwei Minderer des Reichs.

Nachdem die Gewährung eines Dubliner Parlaments einmal, wie geschehen,
von einem englischen Ministerium befürwortet worden ist, werden andre Lösungen
des schwierigen Problems, die man sich denken könnte, schwerlich durchzuführen
sein, z.B. Landtage für jede der vier Provinzen der Insel. Man wird wohl
nur die Wahl haben zwischen national LLltzovLrnmönt und dauernder Gewalt¬
herrschaft, und in beiden Fällen würden die Propheten Recht behalten, welche
den Verfall des britischen Reiches an den Namen Glcidstvne, einst tuo pooxlv's
VMImm, knüpfen »vollen.

Den Lesern dieser Blätter werden sich wie dem Schreiber derselben die
Ähnlichkeiten Gladstones mit einem andern Minderer des Reiches, mit Herrn
Windthorst, und wieder seine Verschiedenheiten von demselben aufgedrängt haben.
Während jener die Umstände zur Befriedigung seines persönlichen Interesses
benutzt, unbekümmert, ob er damit sein Vaterland schädigt, während er leiden¬
schaftlich und leichtsinnig in dem letzten Wahlkampfe die Parole: „Die Massen
gegen die Klassen" ausgegeben hat, darf man von Windthorst sagen, daß er mit Be¬
wußtsein an der Zertrümmerung des deutschen Reiches arbeite; denn er ist zu
kaltblütig, um sich selbst zu täuschen, und zu gescheit, um sich täuschen zu lassen.
Mag das Kompliment wahr sein oder nicht, was ein früheres, jetzt im Aus¬
lande lebendes Mitglied des Zentrums ihm gemacht hat, daß „er vou alle dem
Zeug nichts glaube": man kann seiner Geschicklichkeit das größere Kompliment
nicht vorenthalten, daß er nur zu lange einen großen Teil unsrer katholischen
Mitbürger seinem Streben dienstbar gemacht hat. Der Papst bietet die Hand
zur Beruhigung der Gemüter: Herr Windthorst bläst in die erlöschende Flamme.
Sein Antrag, zuerst in Amberg vorgebracht und jetzt in Breslau wiederholt,
daß Baiern sich an die Spitze eines LiorMs (ZMwIivoruni stellen möge, schmeckt
nach den Zeiten, da seine Freunde, die Väter Jesu, Deutschland dreißig Jahre
lang mit Blut und Asche bedecken konnten. Man sollte seine Äußerung in der
Landtagssitzung vom 19. Juni 1880 nicht vergessen: „Im allgemeinen ist ja
die Lage der Katholiken in Preußen eine höchst bedenkliche und eine höchst
schwierige. Sie sind in der Minorität, werden für lange Zeit in der Minorität
bleiben, und sind dasselbe jetzt im deutschen Reiche." Seiner Presse kommt
uicht wie dem Freisinn die Entschuldigung der Unzurechnungsfähigkeit zu statten
für das Bemühen, Deutschland in einen Krieg mit Nußland und Frankreich zu
treiben, weil ein halbdentscher, halbpolnischer Prinz in Bulgarien die Warnung
vor einem Militärkomplott in den Wind geschlagen hat.

Aber zu welchem Zwecke die Zerstörung des Reiches? Will er Zustände
herbeiführen, in welchen die Katholiken in Preußen und im Reiche die Mehrheit
sind? oder wünscht er nur das wiederhergestellte Welfeureich an der Spitze des
(üorxusDvMZLliooruiir zusehen? Bekenntnisse einer schönen Seele, wie sie Glad-
stone von Zeit zu Zeit von sich giebt, haben wir von ihm nicht zu erwarten. Zum
Glück kann eine Majorität, welche an viel xMlmmöirt^ ImM, wie Gladstone


Grenzboten IV. 1886. 8
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/65>, abgerufen am 27.09.2024.