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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Geschichte der GoUhardbahn.

Was die Beschaffenheit des Gesteins betrifft, so war es nicht allein das
harte Gestein, welches der Arbeit Schwierigkeiten bereitete -- Ende 1877 ar¬
beitete man auf der Nordseite längere Zeit in Serpentin, der zu seiner Durch¬
brechung 33 Kilogramm Dynamik für den laufenden Meter erforderte --, sondern
fast mehr noch wurde der Fortgang der Arbeiten durch brüchiges Gestein ge¬
hindert. Wo dieses sich zeigte, konnte man nicht mit der Maschincubohrung
fortfahren. Es mußten die Arbeiten mit der Hand weiter betrieben und mühsame
Einba"arbeiten gemacht werden. Häufige Niederbrüche traten ein, durch welche
die Arbeit Tage lang unterbrochen wurde. Eine vorzugsweise schlimme Stelle,
an welcher das Gebirge nicht standhielt, fand sich von Meter 2750 bis 2835.
Als man diese Stelle ausgemauert hatte, zeigte sich nach einiger Zeit (im
Jahre 1880) das Gewölbe durch die Wucht des Gesteins zusammengedrückt,
und man mußte sich entschließen, die Ausmauerung wieder abzubrechen und eine
neue mit stärkern Profilen an die Stelle zu setzen. Sehr bald zeigte sich aber
auch diese als unhaltbar, und man mußte zu einer dritten Ausmauerung schreite",
uiid einer Stärke der Gewölbe von 1'/.. Metern und der Widerlager von drei
Metern, weit über das Maß der ursprünglich vorgesehenen Profile hinaus.
Diese schlimme Stelle hinderte aber nicht allein an sich den Fortgang der
Arbeit, sondern sie erwies sich auch für die da hinterliegenden Arbeiten störend.
Die Abfuhr dnrch die schlimme Stelle hindurch konnte nicht mehr mittels Loko¬
motiven (die man gleichfalls mit gepreßter Luft betrieb) bewirkt werden. Man
mußte nun Pferde zu Hilfe nehmen. Eine ähnliche schlimme Stelle fand sich
auch nahe an der Mitte des Tunnels bei Meter 7474 bis 7837, Der Aus¬
bau derselben wurde erst im Spätherbste 1881 vollendet.

Daß, je weiter man in dem Tunnel vorrückte, die Wärme in demselben
zunehmen werde, war "ach bekannten Erfahrungen zu erwarte". In der That
steigerte sich dieselbe in den letzten Jahren des Baues auf 28 bis 30 Grad
Celsius und wurde vor Ort noch vermehrt durch die dort eng zusammen¬
gedrängten Menschen, durch die Erleuchtung und durch die Dynamitexplosionen.
Die Ventilation, welche die zum Betrieb verwendete gepreßte Luft zugleich in
den Tunnel brachte, konnte in dieser Beziehung "ur wenig Erleichterung ge¬
währen. Auch beim Monteenis hatte man unter der Hitze gelitten. Dort
aber war dieselbe meist mit trockner Luft verbunden. Beim Gotthard, wo die
Luft in dem Tunnel mit Wasserdunst übersättigt war, war sie weit schwerer
zu ertragen. Zahlreiche Erkrankungen der Arbeiter waren die Folge davon.
Auch eine große Menge von Pferden ging z" Grunde.

Eigentümliche Krankheitserscheinungen zeigten sich bei den Tunnelarbcitern.
Eine Hautentzündung trat auf, von welcher die Bauleitungsorgane mehr noch
als die Arbeiter geplagt wurden. Im Jahre 1880 nötigte die sogenannte
Minenrkrankheit viele Arbeiter, in ihre Heimat zurückzukehren. Im italienische"
Parlamente wurde bittere Klage darüber geführt. Sonderbarerweise fand man


Die Geschichte der GoUhardbahn.

Was die Beschaffenheit des Gesteins betrifft, so war es nicht allein das
harte Gestein, welches der Arbeit Schwierigkeiten bereitete — Ende 1877 ar¬
beitete man auf der Nordseite längere Zeit in Serpentin, der zu seiner Durch¬
brechung 33 Kilogramm Dynamik für den laufenden Meter erforderte —, sondern
fast mehr noch wurde der Fortgang der Arbeiten durch brüchiges Gestein ge¬
hindert. Wo dieses sich zeigte, konnte man nicht mit der Maschincubohrung
fortfahren. Es mußten die Arbeiten mit der Hand weiter betrieben und mühsame
Einba»arbeiten gemacht werden. Häufige Niederbrüche traten ein, durch welche
die Arbeit Tage lang unterbrochen wurde. Eine vorzugsweise schlimme Stelle,
an welcher das Gebirge nicht standhielt, fand sich von Meter 2750 bis 2835.
Als man diese Stelle ausgemauert hatte, zeigte sich nach einiger Zeit (im
Jahre 1880) das Gewölbe durch die Wucht des Gesteins zusammengedrückt,
und man mußte sich entschließen, die Ausmauerung wieder abzubrechen und eine
neue mit stärkern Profilen an die Stelle zu setzen. Sehr bald zeigte sich aber
auch diese als unhaltbar, und man mußte zu einer dritten Ausmauerung schreite»,
uiid einer Stärke der Gewölbe von 1'/.. Metern und der Widerlager von drei
Metern, weit über das Maß der ursprünglich vorgesehenen Profile hinaus.
Diese schlimme Stelle hinderte aber nicht allein an sich den Fortgang der
Arbeit, sondern sie erwies sich auch für die da hinterliegenden Arbeiten störend.
Die Abfuhr dnrch die schlimme Stelle hindurch konnte nicht mehr mittels Loko¬
motiven (die man gleichfalls mit gepreßter Luft betrieb) bewirkt werden. Man
mußte nun Pferde zu Hilfe nehmen. Eine ähnliche schlimme Stelle fand sich
auch nahe an der Mitte des Tunnels bei Meter 7474 bis 7837, Der Aus¬
bau derselben wurde erst im Spätherbste 1881 vollendet.

Daß, je weiter man in dem Tunnel vorrückte, die Wärme in demselben
zunehmen werde, war »ach bekannten Erfahrungen zu erwarte». In der That
steigerte sich dieselbe in den letzten Jahren des Baues auf 28 bis 30 Grad
Celsius und wurde vor Ort noch vermehrt durch die dort eng zusammen¬
gedrängten Menschen, durch die Erleuchtung und durch die Dynamitexplosionen.
Die Ventilation, welche die zum Betrieb verwendete gepreßte Luft zugleich in
den Tunnel brachte, konnte in dieser Beziehung »ur wenig Erleichterung ge¬
währen. Auch beim Monteenis hatte man unter der Hitze gelitten. Dort
aber war dieselbe meist mit trockner Luft verbunden. Beim Gotthard, wo die
Luft in dem Tunnel mit Wasserdunst übersättigt war, war sie weit schwerer
zu ertragen. Zahlreiche Erkrankungen der Arbeiter waren die Folge davon.
Auch eine große Menge von Pferden ging z» Grunde.

Eigentümliche Krankheitserscheinungen zeigten sich bei den Tunnelarbcitern.
Eine Hautentzündung trat auf, von welcher die Bauleitungsorgane mehr noch
als die Arbeiter geplagt wurden. Im Jahre 1880 nötigte die sogenannte
Minenrkrankheit viele Arbeiter, in ihre Heimat zurückzukehren. Im italienische»
Parlamente wurde bittere Klage darüber geführt. Sonderbarerweise fand man


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[0643] Die Geschichte der GoUhardbahn. Was die Beschaffenheit des Gesteins betrifft, so war es nicht allein das harte Gestein, welches der Arbeit Schwierigkeiten bereitete — Ende 1877 ar¬ beitete man auf der Nordseite längere Zeit in Serpentin, der zu seiner Durch¬ brechung 33 Kilogramm Dynamik für den laufenden Meter erforderte —, sondern fast mehr noch wurde der Fortgang der Arbeiten durch brüchiges Gestein ge¬ hindert. Wo dieses sich zeigte, konnte man nicht mit der Maschincubohrung fortfahren. Es mußten die Arbeiten mit der Hand weiter betrieben und mühsame Einba»arbeiten gemacht werden. Häufige Niederbrüche traten ein, durch welche die Arbeit Tage lang unterbrochen wurde. Eine vorzugsweise schlimme Stelle, an welcher das Gebirge nicht standhielt, fand sich von Meter 2750 bis 2835. Als man diese Stelle ausgemauert hatte, zeigte sich nach einiger Zeit (im Jahre 1880) das Gewölbe durch die Wucht des Gesteins zusammengedrückt, und man mußte sich entschließen, die Ausmauerung wieder abzubrechen und eine neue mit stärkern Profilen an die Stelle zu setzen. Sehr bald zeigte sich aber auch diese als unhaltbar, und man mußte zu einer dritten Ausmauerung schreite», uiid einer Stärke der Gewölbe von 1'/.. Metern und der Widerlager von drei Metern, weit über das Maß der ursprünglich vorgesehenen Profile hinaus. Diese schlimme Stelle hinderte aber nicht allein an sich den Fortgang der Arbeit, sondern sie erwies sich auch für die da hinterliegenden Arbeiten störend. Die Abfuhr dnrch die schlimme Stelle hindurch konnte nicht mehr mittels Loko¬ motiven (die man gleichfalls mit gepreßter Luft betrieb) bewirkt werden. Man mußte nun Pferde zu Hilfe nehmen. Eine ähnliche schlimme Stelle fand sich auch nahe an der Mitte des Tunnels bei Meter 7474 bis 7837, Der Aus¬ bau derselben wurde erst im Spätherbste 1881 vollendet. Daß, je weiter man in dem Tunnel vorrückte, die Wärme in demselben zunehmen werde, war »ach bekannten Erfahrungen zu erwarte». In der That steigerte sich dieselbe in den letzten Jahren des Baues auf 28 bis 30 Grad Celsius und wurde vor Ort noch vermehrt durch die dort eng zusammen¬ gedrängten Menschen, durch die Erleuchtung und durch die Dynamitexplosionen. Die Ventilation, welche die zum Betrieb verwendete gepreßte Luft zugleich in den Tunnel brachte, konnte in dieser Beziehung »ur wenig Erleichterung ge¬ währen. Auch beim Monteenis hatte man unter der Hitze gelitten. Dort aber war dieselbe meist mit trockner Luft verbunden. Beim Gotthard, wo die Luft in dem Tunnel mit Wasserdunst übersättigt war, war sie weit schwerer zu ertragen. Zahlreiche Erkrankungen der Arbeiter waren die Folge davon. Auch eine große Menge von Pferden ging z» Grunde. Eigentümliche Krankheitserscheinungen zeigten sich bei den Tunnelarbcitern. Eine Hautentzündung trat auf, von welcher die Bauleitungsorgane mehr noch als die Arbeiter geplagt wurden. Im Jahre 1880 nötigte die sogenannte Minenrkrankheit viele Arbeiter, in ihre Heimat zurückzukehren. Im italienische» Parlamente wurde bittere Klage darüber geführt. Sonderbarerweise fand man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/643>, abgerufen am 20.10.2024.