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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Gin deutsches Seminar für neuere Philologie in London.

verfügen würde. Zwanzig Stipendien zu je 2500 Mark halten wir jedoch für
zu hoch. Um zur Erlernung der englischen Umgangssprache in einer achtbaren
englischen Familie zu wohnen und Laud und Leute kennen zu lernen, dafür ge¬
nügen jährlich bei bescheidne" Ansprüchen 110 Pfd. Sterl. (2200 Mary.
Hiervon sollten 70 Pfd. Sterl. (1400 Mark), die etwa zur Bestreitung von
Wohnung und Kost nötig wären, als jährliches Stipendium auf das Reich
fallen, der Nest von 40 Pfd. Sterl. (800 Mary auf die Kasse des Stipendiaten
selbst. Diese Summe von 70 Pfd. Sterl. mag manchem, hoch erscheine", der
sich erinnert, daß dagegen ein gleich langer Aufenthalt in der Universitätsstadt
Münster nnr 25 Pfd. Sterl. (500 Mary betragen würde, doch bedenke mau,
daß das Pfund Rindfleisch in London 1 bis 1,20 Mark, ein frisches El
20 Pfennige, ein Liter Milch 55 Pfennige kostet und die andern Lebensmittel
entsprechend teuer sind.

Als Vorbedingung zur Erlangung eines Reichsftipendiums von 1400 Mark
würden wir vorschlagen, daß der Bewerber von seinen Angehörigen eine schrift¬
liche Bescheinigung beibringt, laut deren sie ihm einen jährlichen Wechsel von
800 Mark sicherstellen, als Zuschuß zu dem zu erlangenden Stipendium. Dieser
Wechsel könnte auch aus Privatstipendien bestehen, die der Bewerber genießt.
Einem völlig mittellosen sollte dringend von einem Besuche des Auslandes ab¬
geraten werden.

Da es ferner für das deutsche Reich von hoher Wichtigkeit ist, daß der
Neuphilologe Englisch wie Französisch gründlich beherrscht, so sollte sein Aufent¬
halt im Auslande zweiteilig sein: er sollte das eine halbe Studienjahr in einer
englischen Familie Londons, das andre in einer französischen Familie Brüssels
zubringen. Demgemäß müßte auch das halbe Stipendium von 700 Mark in
eine Bank Londons, die andre Hälfte in eine solche Brüssels auf Konto der
deutschen Gesandtschaft eingezahlt werden. Wie wir in folgendem noch weiter
ausführen werden, genügt einem Vorgebildeten ein Halbjahr in jeder der beiden
Städte vollständig, um die beiden Sprachen für Schulzwecke beherrschen zu
lernen, wenn nur der richtige Weg dazu eingeschlagen wird.

Mit Bezug auf den zweiten Punkt fürchten wir, Rolfs >ist der Sehlla
zum Opfer gefallen, während er die Charybdis vermeiden wollte. Nach seinein
Vorschlage sollen die Stipendiaten im Lehrervercin zu London als Institut
wohnen und auf Wunsch Frühstück erhalten, die übrigen Mahlzeiten aber außer¬
halb desselben in englischen Familien einnehmen.

Daß die Stipendiaten Frühstück im Institut erhalten, ist eine Notwendig¬
keit; es wäre doch zu viel verlangt, daß sie frühmorgens an kalten, nebligen
Wintertagen erst einige englische Meilen weit marschiren, um zum Genuß einer
Tasse Thee zu gelangen. Darnach blieben also in englischer Familie noch drei
Mahlzeiten übrig, entweder noch ein zweites Frühstück (luuoll) zu Mittag
Thee gegen fünf Uhr nachmittags und die Hauptmahlzeit um sieben Uhr abends


Gin deutsches Seminar für neuere Philologie in London.

verfügen würde. Zwanzig Stipendien zu je 2500 Mark halten wir jedoch für
zu hoch. Um zur Erlernung der englischen Umgangssprache in einer achtbaren
englischen Familie zu wohnen und Laud und Leute kennen zu lernen, dafür ge¬
nügen jährlich bei bescheidne» Ansprüchen 110 Pfd. Sterl. (2200 Mary.
Hiervon sollten 70 Pfd. Sterl. (1400 Mark), die etwa zur Bestreitung von
Wohnung und Kost nötig wären, als jährliches Stipendium auf das Reich
fallen, der Nest von 40 Pfd. Sterl. (800 Mary auf die Kasse des Stipendiaten
selbst. Diese Summe von 70 Pfd. Sterl. mag manchem, hoch erscheine», der
sich erinnert, daß dagegen ein gleich langer Aufenthalt in der Universitätsstadt
Münster nnr 25 Pfd. Sterl. (500 Mary betragen würde, doch bedenke mau,
daß das Pfund Rindfleisch in London 1 bis 1,20 Mark, ein frisches El
20 Pfennige, ein Liter Milch 55 Pfennige kostet und die andern Lebensmittel
entsprechend teuer sind.

Als Vorbedingung zur Erlangung eines Reichsftipendiums von 1400 Mark
würden wir vorschlagen, daß der Bewerber von seinen Angehörigen eine schrift¬
liche Bescheinigung beibringt, laut deren sie ihm einen jährlichen Wechsel von
800 Mark sicherstellen, als Zuschuß zu dem zu erlangenden Stipendium. Dieser
Wechsel könnte auch aus Privatstipendien bestehen, die der Bewerber genießt.
Einem völlig mittellosen sollte dringend von einem Besuche des Auslandes ab¬
geraten werden.

Da es ferner für das deutsche Reich von hoher Wichtigkeit ist, daß der
Neuphilologe Englisch wie Französisch gründlich beherrscht, so sollte sein Aufent¬
halt im Auslande zweiteilig sein: er sollte das eine halbe Studienjahr in einer
englischen Familie Londons, das andre in einer französischen Familie Brüssels
zubringen. Demgemäß müßte auch das halbe Stipendium von 700 Mark in
eine Bank Londons, die andre Hälfte in eine solche Brüssels auf Konto der
deutschen Gesandtschaft eingezahlt werden. Wie wir in folgendem noch weiter
ausführen werden, genügt einem Vorgebildeten ein Halbjahr in jeder der beiden
Städte vollständig, um die beiden Sprachen für Schulzwecke beherrschen zu
lernen, wenn nur der richtige Weg dazu eingeschlagen wird.

Mit Bezug auf den zweiten Punkt fürchten wir, Rolfs >ist der Sehlla
zum Opfer gefallen, während er die Charybdis vermeiden wollte. Nach seinein
Vorschlage sollen die Stipendiaten im Lehrervercin zu London als Institut
wohnen und auf Wunsch Frühstück erhalten, die übrigen Mahlzeiten aber außer¬
halb desselben in englischen Familien einnehmen.

Daß die Stipendiaten Frühstück im Institut erhalten, ist eine Notwendig¬
keit; es wäre doch zu viel verlangt, daß sie frühmorgens an kalten, nebligen
Wintertagen erst einige englische Meilen weit marschiren, um zum Genuß einer
Tasse Thee zu gelangen. Darnach blieben also in englischer Familie noch drei
Mahlzeiten übrig, entweder noch ein zweites Frühstück (luuoll) zu Mittag
Thee gegen fünf Uhr nachmittags und die Hauptmahlzeit um sieben Uhr abends


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[0586] Gin deutsches Seminar für neuere Philologie in London. verfügen würde. Zwanzig Stipendien zu je 2500 Mark halten wir jedoch für zu hoch. Um zur Erlernung der englischen Umgangssprache in einer achtbaren englischen Familie zu wohnen und Laud und Leute kennen zu lernen, dafür ge¬ nügen jährlich bei bescheidne» Ansprüchen 110 Pfd. Sterl. (2200 Mary. Hiervon sollten 70 Pfd. Sterl. (1400 Mark), die etwa zur Bestreitung von Wohnung und Kost nötig wären, als jährliches Stipendium auf das Reich fallen, der Nest von 40 Pfd. Sterl. (800 Mary auf die Kasse des Stipendiaten selbst. Diese Summe von 70 Pfd. Sterl. mag manchem, hoch erscheine», der sich erinnert, daß dagegen ein gleich langer Aufenthalt in der Universitätsstadt Münster nnr 25 Pfd. Sterl. (500 Mary betragen würde, doch bedenke mau, daß das Pfund Rindfleisch in London 1 bis 1,20 Mark, ein frisches El 20 Pfennige, ein Liter Milch 55 Pfennige kostet und die andern Lebensmittel entsprechend teuer sind. Als Vorbedingung zur Erlangung eines Reichsftipendiums von 1400 Mark würden wir vorschlagen, daß der Bewerber von seinen Angehörigen eine schrift¬ liche Bescheinigung beibringt, laut deren sie ihm einen jährlichen Wechsel von 800 Mark sicherstellen, als Zuschuß zu dem zu erlangenden Stipendium. Dieser Wechsel könnte auch aus Privatstipendien bestehen, die der Bewerber genießt. Einem völlig mittellosen sollte dringend von einem Besuche des Auslandes ab¬ geraten werden. Da es ferner für das deutsche Reich von hoher Wichtigkeit ist, daß der Neuphilologe Englisch wie Französisch gründlich beherrscht, so sollte sein Aufent¬ halt im Auslande zweiteilig sein: er sollte das eine halbe Studienjahr in einer englischen Familie Londons, das andre in einer französischen Familie Brüssels zubringen. Demgemäß müßte auch das halbe Stipendium von 700 Mark in eine Bank Londons, die andre Hälfte in eine solche Brüssels auf Konto der deutschen Gesandtschaft eingezahlt werden. Wie wir in folgendem noch weiter ausführen werden, genügt einem Vorgebildeten ein Halbjahr in jeder der beiden Städte vollständig, um die beiden Sprachen für Schulzwecke beherrschen zu lernen, wenn nur der richtige Weg dazu eingeschlagen wird. Mit Bezug auf den zweiten Punkt fürchten wir, Rolfs >ist der Sehlla zum Opfer gefallen, während er die Charybdis vermeiden wollte. Nach seinein Vorschlage sollen die Stipendiaten im Lehrervercin zu London als Institut wohnen und auf Wunsch Frühstück erhalten, die übrigen Mahlzeiten aber außer¬ halb desselben in englischen Familien einnehmen. Daß die Stipendiaten Frühstück im Institut erhalten, ist eine Notwendig¬ keit; es wäre doch zu viel verlangt, daß sie frühmorgens an kalten, nebligen Wintertagen erst einige englische Meilen weit marschiren, um zum Genuß einer Tasse Thee zu gelangen. Darnach blieben also in englischer Familie noch drei Mahlzeiten übrig, entweder noch ein zweites Frühstück (luuoll) zu Mittag Thee gegen fünf Uhr nachmittags und die Hauptmahlzeit um sieben Uhr abends

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/586>, abgerufen am 27.09.2024.