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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Ein deutsches Seminar für neuere Philologie in London.

und musikalisch, so nahmen sie ganz gern so viel Teilnahme an ihm, sein
Englisch zu verbessern; besitzt er aber diese Vorzüge nicht, so ist er rettungslos
seinem eignen Ich und seinein pessimistischen Philosophien verfallen. So viel
zur sprachlichen Ausbildung im Institut Körtiugs.

Auch die finanzielle Seite des Vorschlages muß als verunglückt angesehen
werden. Nach englischen Verhältnissen würde ein solches Institut mit Direktor-
Wohnung, Hörsaal, Lesezimmer, Möbeleinrichtung, Speise und Trank so be¬
deutende jährliche Geldsummen verschlingen, daß man sie in der Heimat unter
die Rubrik "Verschwendung" setzen würde, ja setzen müßte. Das deutsche
Athenäum zu London, der vornehmste deutsche Verein daselbst für Kunst und
Wissenschaft, verbraucht zu seiner Erhaltung jährlich ungefähr 3600 Pfd. Sterl.
(oder 72000 Mary. Wenn dies auch umfangreicher ist, als das Körtiugsche
Institut sein würde, so müßte man doch zu den Unterhaltungskosten des letztern
noch den Gehalt des Direktors, die Honorare sür Vorlesungen und eine be¬
deutende Summe für die Kost der Stipendiaten hinzufügen, wodurch es kaum
billiger zu stehen kommen würde als der deutsche Klub. Eine gleiche Summe
wäre aber nötig für ein ähnliches Institut in Paris oder Brüssel.") Und alle
diese großen Auslagen für die ziemlich gewisse Aussicht, daß die Studirenden
in jenem Institut Körtiugs vielleicht altenglische Texte kopiren, aber herzlich
wenig Englisch sprechen lernen würden!

Betrachten wir nun den Rolfsschen Vorschlag. Er läßt sich in folgende
drei Hauptpunkte zusammenfassen: 1. Es werden zwanzig Stipendien zu je
2600 Mark dnrch die Regierungen, Universitäten und größern Städte des
deutschen Reiches gestiftet, die zu diesem Zwecke in zwanzig Bezirke um die
zwanzig Universitäten gruppirt werden. 2. Der deutsche Lehrerverein zu London
wird als Neichsiustitut anerkannt, und die zwanzig Stipendien vom deutschen
Reiche in die Bank des deutscheu Lehrervereins eingezahlt, der den Stipendiaten
dafür gewährt: Wohnung im Institut, Lesezimmer und alle Rechte als Mit¬
glieder des Vereins, Kost in englischen Familien. 3. Die Verleihung der
Stipendien soll nicht von der Mittellosigkeit eines Bewerbers, sondern von seiner
Tüchtigkeit abhängen und seinem Versprechen, nach vollendetem Studienjahre
zur Anstellung im Staatsdienste in seine Heimat zurückzukehren.

Was den ersten Punkt betrifft, so glauben wir, es sollte nach und nach
einer möglichst großen Anzahl Studirender der Borten eines Stipendiums zu
Teil werden. Je nach der Frequenz der Neuphilologen an einer Universität
sollte der Dekan der philosophischen Fakultät auf Vorschlag des neuphilvlogischen
Seminardirektors (auf Grund eiues schriftlichen Examens) eins bis vier Sti¬
pendien zu vergeben haben, sodaß das Reich allmählich über zwanzig bis sechzig



*) Wir würden aus naheliegenden Gründen für ein romanisches Institut entschieden
Brüssel ins Auge fassen.
Grenzboten IV. 1886. 73
Ein deutsches Seminar für neuere Philologie in London.

und musikalisch, so nahmen sie ganz gern so viel Teilnahme an ihm, sein
Englisch zu verbessern; besitzt er aber diese Vorzüge nicht, so ist er rettungslos
seinem eignen Ich und seinein pessimistischen Philosophien verfallen. So viel
zur sprachlichen Ausbildung im Institut Körtiugs.

Auch die finanzielle Seite des Vorschlages muß als verunglückt angesehen
werden. Nach englischen Verhältnissen würde ein solches Institut mit Direktor-
Wohnung, Hörsaal, Lesezimmer, Möbeleinrichtung, Speise und Trank so be¬
deutende jährliche Geldsummen verschlingen, daß man sie in der Heimat unter
die Rubrik „Verschwendung" setzen würde, ja setzen müßte. Das deutsche
Athenäum zu London, der vornehmste deutsche Verein daselbst für Kunst und
Wissenschaft, verbraucht zu seiner Erhaltung jährlich ungefähr 3600 Pfd. Sterl.
(oder 72000 Mary. Wenn dies auch umfangreicher ist, als das Körtiugsche
Institut sein würde, so müßte man doch zu den Unterhaltungskosten des letztern
noch den Gehalt des Direktors, die Honorare sür Vorlesungen und eine be¬
deutende Summe für die Kost der Stipendiaten hinzufügen, wodurch es kaum
billiger zu stehen kommen würde als der deutsche Klub. Eine gleiche Summe
wäre aber nötig für ein ähnliches Institut in Paris oder Brüssel.") Und alle
diese großen Auslagen für die ziemlich gewisse Aussicht, daß die Studirenden
in jenem Institut Körtiugs vielleicht altenglische Texte kopiren, aber herzlich
wenig Englisch sprechen lernen würden!

Betrachten wir nun den Rolfsschen Vorschlag. Er läßt sich in folgende
drei Hauptpunkte zusammenfassen: 1. Es werden zwanzig Stipendien zu je
2600 Mark dnrch die Regierungen, Universitäten und größern Städte des
deutschen Reiches gestiftet, die zu diesem Zwecke in zwanzig Bezirke um die
zwanzig Universitäten gruppirt werden. 2. Der deutsche Lehrerverein zu London
wird als Neichsiustitut anerkannt, und die zwanzig Stipendien vom deutschen
Reiche in die Bank des deutscheu Lehrervereins eingezahlt, der den Stipendiaten
dafür gewährt: Wohnung im Institut, Lesezimmer und alle Rechte als Mit¬
glieder des Vereins, Kost in englischen Familien. 3. Die Verleihung der
Stipendien soll nicht von der Mittellosigkeit eines Bewerbers, sondern von seiner
Tüchtigkeit abhängen und seinem Versprechen, nach vollendetem Studienjahre
zur Anstellung im Staatsdienste in seine Heimat zurückzukehren.

Was den ersten Punkt betrifft, so glauben wir, es sollte nach und nach
einer möglichst großen Anzahl Studirender der Borten eines Stipendiums zu
Teil werden. Je nach der Frequenz der Neuphilologen an einer Universität
sollte der Dekan der philosophischen Fakultät auf Vorschlag des neuphilvlogischen
Seminardirektors (auf Grund eiues schriftlichen Examens) eins bis vier Sti¬
pendien zu vergeben haben, sodaß das Reich allmählich über zwanzig bis sechzig



*) Wir würden aus naheliegenden Gründen für ein romanisches Institut entschieden
Brüssel ins Auge fassen.
Grenzboten IV. 1886. 73
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[0585] Ein deutsches Seminar für neuere Philologie in London. und musikalisch, so nahmen sie ganz gern so viel Teilnahme an ihm, sein Englisch zu verbessern; besitzt er aber diese Vorzüge nicht, so ist er rettungslos seinem eignen Ich und seinein pessimistischen Philosophien verfallen. So viel zur sprachlichen Ausbildung im Institut Körtiugs. Auch die finanzielle Seite des Vorschlages muß als verunglückt angesehen werden. Nach englischen Verhältnissen würde ein solches Institut mit Direktor- Wohnung, Hörsaal, Lesezimmer, Möbeleinrichtung, Speise und Trank so be¬ deutende jährliche Geldsummen verschlingen, daß man sie in der Heimat unter die Rubrik „Verschwendung" setzen würde, ja setzen müßte. Das deutsche Athenäum zu London, der vornehmste deutsche Verein daselbst für Kunst und Wissenschaft, verbraucht zu seiner Erhaltung jährlich ungefähr 3600 Pfd. Sterl. (oder 72000 Mary. Wenn dies auch umfangreicher ist, als das Körtiugsche Institut sein würde, so müßte man doch zu den Unterhaltungskosten des letztern noch den Gehalt des Direktors, die Honorare sür Vorlesungen und eine be¬ deutende Summe für die Kost der Stipendiaten hinzufügen, wodurch es kaum billiger zu stehen kommen würde als der deutsche Klub. Eine gleiche Summe wäre aber nötig für ein ähnliches Institut in Paris oder Brüssel.") Und alle diese großen Auslagen für die ziemlich gewisse Aussicht, daß die Studirenden in jenem Institut Körtiugs vielleicht altenglische Texte kopiren, aber herzlich wenig Englisch sprechen lernen würden! Betrachten wir nun den Rolfsschen Vorschlag. Er läßt sich in folgende drei Hauptpunkte zusammenfassen: 1. Es werden zwanzig Stipendien zu je 2600 Mark dnrch die Regierungen, Universitäten und größern Städte des deutschen Reiches gestiftet, die zu diesem Zwecke in zwanzig Bezirke um die zwanzig Universitäten gruppirt werden. 2. Der deutsche Lehrerverein zu London wird als Neichsiustitut anerkannt, und die zwanzig Stipendien vom deutschen Reiche in die Bank des deutscheu Lehrervereins eingezahlt, der den Stipendiaten dafür gewährt: Wohnung im Institut, Lesezimmer und alle Rechte als Mit¬ glieder des Vereins, Kost in englischen Familien. 3. Die Verleihung der Stipendien soll nicht von der Mittellosigkeit eines Bewerbers, sondern von seiner Tüchtigkeit abhängen und seinem Versprechen, nach vollendetem Studienjahre zur Anstellung im Staatsdienste in seine Heimat zurückzukehren. Was den ersten Punkt betrifft, so glauben wir, es sollte nach und nach einer möglichst großen Anzahl Studirender der Borten eines Stipendiums zu Teil werden. Je nach der Frequenz der Neuphilologen an einer Universität sollte der Dekan der philosophischen Fakultät auf Vorschlag des neuphilvlogischen Seminardirektors (auf Grund eiues schriftlichen Examens) eins bis vier Sti¬ pendien zu vergeben haben, sodaß das Reich allmählich über zwanzig bis sechzig *) Wir würden aus naheliegenden Gründen für ein romanisches Institut entschieden Brüssel ins Auge fassen. Grenzboten IV. 1886. 73

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/585>, abgerufen am 27.09.2024.