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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die Geschichte der Goichavd!>uhn.

eine Unterbrechung, Erst im Jahre 1871 fand dort der Vertrag vom 15. Ok¬
tober 1869 die Genehmigung der Parlamente. In Italien hatten die ober-
italienischen Eisenbahnen 16 Millionen, eine Anzahl Städte und Provinzen
ungefähr 10^ Millionen (darunter Genua 7 Millionen) zu der Subvention
beizutragen übernommen. Das übrige zahlte der Staat. Zu der deutschen
Subvention trugen verschiedne Eisenbahnen 6^ Millionen, das Grvßherzogtum
Baden 2 717 060 Franken bei.

Nun war der Gvtthardvereinigung die Aufgabe gestellt, die Finanzkräfte
für die zu bildende Gesellschaft zu gewinnen. Eine Reihe von Anerbietungen,
den Bau in Verbindung mit Beschaffung des Kapitals zu übernehmen, wies
die Vereinigung zurück; sie wollte beides auseinander halten. Für die Be¬
schaffung des Kapitals erfolgten Anerbieten von italienischen und deutscheu
Finanzgrvßen. An der Spitze der letztern stand die Diskontogesellschaft zu
Berlin. Nach längerem Verhandeln kam um 10. Oktober 1871 mit einem
dentschen Konsortium ein Vertrag zu Stande, an welchem jedoch vvrbchaltmäßig
auch Schweizer und italienische Hänser je zu einem Dritten sich beteiligten.
Danach sollte" die erforderlichen 102 Millionen zu einem Dritten in Aktien,
denen 6 Prozent Banzinscn zugesichert wurden, und zu zwei Dritteilen in
fünfprozentigen Obligationen aufgebracht werden. Das Konsortium übernahm
die Aktien zu 92, die Obligationen zu 95 Prozent. Zugleich wurden über die
zu bildende Gesellschaft Vestimmnngen vereinbart. Demgemäß wurde durch
Statuten vom 1. November 1871 die Gotthardgesellschaft gegründet, deren
Direktion den Ban der Bahn von Luzern bis zu den italienischen Grenz¬
stationen unter Aufsicht des Bundesrates übernahm, wozu ihr die Subven¬
tionen von 85 Millionen zur Verfügung gestellt wurden. Für den großen
Tunnel war eine Bauzeit von nenn Jahren vorbehalten.

Mit ungeheuerm Jubel wurde das endliche Zustandekommen des großen
Unternehmens am 4. November 1871 zu Luzern, wo zum letztenmale der Aus¬
schuß der Gotthardvereinigting zusammenkam, gefeiert. Als die Männer, welche
durch rastlose Thätigkeit vorzugsweise zur Erreichung dieses Zieles beigetragen,
verdienen namentlich I)r. A. Escher in Zürich und Regierungsrath I. Zingg
zu Luzern genannt zu werden. Beide wurden dann auch in die Direktion ge¬
wählt. Im Bundesrat, der sich lange Zeit bei der Sache passiv verhalten,
hatte Oberst E. Welti sich das größte Verdienst um die Sache erworben.

An diese Darstellung der Vorgeschichte der Gvtthardbahn schließen wir
sofort die Darstellung von Notgängen, die im Laufe des Baues der Bahn ein¬
traten, die aber mit jener Vorgeschichte in nahem Zusammenhange stehe.

Bereits im Jahre 1875 erwies sich der Kostenanschlag vom Jahre 1869,
welcher dem Staatsvertmge vom 15. Oktober 1869 zu Grunde lag, als un¬
zureichend. Der bisherige Oberingenieur Gerwig stellte bei seinem Rücktritt
eine Berechnung auf, welche einen Mehrbedarf von 'Z4 Millionen Franken er-


Die Geschichte der Goichavd!>uhn.

eine Unterbrechung, Erst im Jahre 1871 fand dort der Vertrag vom 15. Ok¬
tober 1869 die Genehmigung der Parlamente. In Italien hatten die ober-
italienischen Eisenbahnen 16 Millionen, eine Anzahl Städte und Provinzen
ungefähr 10^ Millionen (darunter Genua 7 Millionen) zu der Subvention
beizutragen übernommen. Das übrige zahlte der Staat. Zu der deutschen
Subvention trugen verschiedne Eisenbahnen 6^ Millionen, das Grvßherzogtum
Baden 2 717 060 Franken bei.

Nun war der Gvtthardvereinigung die Aufgabe gestellt, die Finanzkräfte
für die zu bildende Gesellschaft zu gewinnen. Eine Reihe von Anerbietungen,
den Bau in Verbindung mit Beschaffung des Kapitals zu übernehmen, wies
die Vereinigung zurück; sie wollte beides auseinander halten. Für die Be¬
schaffung des Kapitals erfolgten Anerbieten von italienischen und deutscheu
Finanzgrvßen. An der Spitze der letztern stand die Diskontogesellschaft zu
Berlin. Nach längerem Verhandeln kam um 10. Oktober 1871 mit einem
dentschen Konsortium ein Vertrag zu Stande, an welchem jedoch vvrbchaltmäßig
auch Schweizer und italienische Hänser je zu einem Dritten sich beteiligten.
Danach sollte« die erforderlichen 102 Millionen zu einem Dritten in Aktien,
denen 6 Prozent Banzinscn zugesichert wurden, und zu zwei Dritteilen in
fünfprozentigen Obligationen aufgebracht werden. Das Konsortium übernahm
die Aktien zu 92, die Obligationen zu 95 Prozent. Zugleich wurden über die
zu bildende Gesellschaft Vestimmnngen vereinbart. Demgemäß wurde durch
Statuten vom 1. November 1871 die Gotthardgesellschaft gegründet, deren
Direktion den Ban der Bahn von Luzern bis zu den italienischen Grenz¬
stationen unter Aufsicht des Bundesrates übernahm, wozu ihr die Subven¬
tionen von 85 Millionen zur Verfügung gestellt wurden. Für den großen
Tunnel war eine Bauzeit von nenn Jahren vorbehalten.

Mit ungeheuerm Jubel wurde das endliche Zustandekommen des großen
Unternehmens am 4. November 1871 zu Luzern, wo zum letztenmale der Aus¬
schuß der Gotthardvereinigting zusammenkam, gefeiert. Als die Männer, welche
durch rastlose Thätigkeit vorzugsweise zur Erreichung dieses Zieles beigetragen,
verdienen namentlich I)r. A. Escher in Zürich und Regierungsrath I. Zingg
zu Luzern genannt zu werden. Beide wurden dann auch in die Direktion ge¬
wählt. Im Bundesrat, der sich lange Zeit bei der Sache passiv verhalten,
hatte Oberst E. Welti sich das größte Verdienst um die Sache erworben.

An diese Darstellung der Vorgeschichte der Gvtthardbahn schließen wir
sofort die Darstellung von Notgängen, die im Laufe des Baues der Bahn ein¬
traten, die aber mit jener Vorgeschichte in nahem Zusammenhange stehe.

Bereits im Jahre 1875 erwies sich der Kostenanschlag vom Jahre 1869,
welcher dem Staatsvertmge vom 15. Oktober 1869 zu Grunde lag, als un¬
zureichend. Der bisherige Oberingenieur Gerwig stellte bei seinem Rücktritt
eine Berechnung auf, welche einen Mehrbedarf von 'Z4 Millionen Franken er-


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[0576] Die Geschichte der Goichavd!>uhn. eine Unterbrechung, Erst im Jahre 1871 fand dort der Vertrag vom 15. Ok¬ tober 1869 die Genehmigung der Parlamente. In Italien hatten die ober- italienischen Eisenbahnen 16 Millionen, eine Anzahl Städte und Provinzen ungefähr 10^ Millionen (darunter Genua 7 Millionen) zu der Subvention beizutragen übernommen. Das übrige zahlte der Staat. Zu der deutschen Subvention trugen verschiedne Eisenbahnen 6^ Millionen, das Grvßherzogtum Baden 2 717 060 Franken bei. Nun war der Gvtthardvereinigung die Aufgabe gestellt, die Finanzkräfte für die zu bildende Gesellschaft zu gewinnen. Eine Reihe von Anerbietungen, den Bau in Verbindung mit Beschaffung des Kapitals zu übernehmen, wies die Vereinigung zurück; sie wollte beides auseinander halten. Für die Be¬ schaffung des Kapitals erfolgten Anerbieten von italienischen und deutscheu Finanzgrvßen. An der Spitze der letztern stand die Diskontogesellschaft zu Berlin. Nach längerem Verhandeln kam um 10. Oktober 1871 mit einem dentschen Konsortium ein Vertrag zu Stande, an welchem jedoch vvrbchaltmäßig auch Schweizer und italienische Hänser je zu einem Dritten sich beteiligten. Danach sollte« die erforderlichen 102 Millionen zu einem Dritten in Aktien, denen 6 Prozent Banzinscn zugesichert wurden, und zu zwei Dritteilen in fünfprozentigen Obligationen aufgebracht werden. Das Konsortium übernahm die Aktien zu 92, die Obligationen zu 95 Prozent. Zugleich wurden über die zu bildende Gesellschaft Vestimmnngen vereinbart. Demgemäß wurde durch Statuten vom 1. November 1871 die Gotthardgesellschaft gegründet, deren Direktion den Ban der Bahn von Luzern bis zu den italienischen Grenz¬ stationen unter Aufsicht des Bundesrates übernahm, wozu ihr die Subven¬ tionen von 85 Millionen zur Verfügung gestellt wurden. Für den großen Tunnel war eine Bauzeit von nenn Jahren vorbehalten. Mit ungeheuerm Jubel wurde das endliche Zustandekommen des großen Unternehmens am 4. November 1871 zu Luzern, wo zum letztenmale der Aus¬ schuß der Gotthardvereinigting zusammenkam, gefeiert. Als die Männer, welche durch rastlose Thätigkeit vorzugsweise zur Erreichung dieses Zieles beigetragen, verdienen namentlich I)r. A. Escher in Zürich und Regierungsrath I. Zingg zu Luzern genannt zu werden. Beide wurden dann auch in die Direktion ge¬ wählt. Im Bundesrat, der sich lange Zeit bei der Sache passiv verhalten, hatte Oberst E. Welti sich das größte Verdienst um die Sache erworben. An diese Darstellung der Vorgeschichte der Gvtthardbahn schließen wir sofort die Darstellung von Notgängen, die im Laufe des Baues der Bahn ein¬ traten, die aber mit jener Vorgeschichte in nahem Zusammenhange stehe. Bereits im Jahre 1875 erwies sich der Kostenanschlag vom Jahre 1869, welcher dem Staatsvertmge vom 15. Oktober 1869 zu Grunde lag, als un¬ zureichend. Der bisherige Oberingenieur Gerwig stellte bei seinem Rücktritt eine Berechnung auf, welche einen Mehrbedarf von 'Z4 Millionen Franken er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/576>, abgerufen am 27.09.2024.