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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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den Parlamenten und in der Presse nicht mehr gegenseitig beleidigen darf,
wozu, frage ich, sind dann diese Institutionen noch da? Wie beschämend ist
für uns das Beispiel Amerikas! Da sagt man es doch einem gerade ins
Gesicht, wenn man ihn für einen Schurken hält oder vielleicht auch nicht dafür
hält, sondern nur just das Wort auf der Zunge hat. Was der Gebrauch des
Revolvers anbelangt, so müßten freilich die Regierungsparteien die Waffen in
der Garderobe abgeben, denn in ihren Reihen pflegt man sich aus das Schießen
so gut zu verstehen, wie in den unsern auf das Börsengeschäft, wie Herr Rickert
so treffend bemerkt hat.

Doch ich wollte von der übertriebenen Bescheidenheit sprechen. Herr Rickert
sagt ganz''^ schlicht: "Man soll den Wählern kein X für ein U vormachen."
Man -- weshalb nicht bestimmter: die Regierung, die Rechte soll das nicht
thun, warum es nicht ausdrücklich als Gewerbsstörung brandmarken? Denn
das ist doch eine abgemachte Sache: die Minister und die Abgeordneten von
den Konservativen bis zu den Nationallibcmlen haben überhaupt mit dem
Wähler garnichts zu reden^, den aufzuklären ist unsre Sache, und wenn wir
einmal ans Ruder kommen, werden wir den Herren das Handwerk gründlich
legen, darauf verlassen Sie sich.

Wenn wir ans Ruder kommen -- diese Äußerung wird die elende Rep¬
tilienpresse, welche sich im Schweiße des Volkes berauscht, natürlich wieder so
auslegen, als ob ich Portefeuillehunger hätte, aber dieser neuen Fälschung der
öffentlichen Meinung soll gleich ein Riegel vorgeschoben werden. Nein, meine
Herren, ich weiß recht gut, daß, wenn auch wir herankommen, doch ich nicht
herankomme. Unsre ganze Partei besteht aus Staatsmännern ersten Ranges,
nicht jeder wird Minister werden können, und ich -- ohne falsche Bescheidenheit
sei es gesagt -- bin einer der Kleinsten von den Großen. Ich verlange auch
garnicht, Minister zu werden. Unter einem Regime Richert-Baumberger (so
möchte ich der Kürze halber die vier Namen zusammenziehen, welche jedenfalls
an der Spitze stehen werden) müssen natürlich die Staatsbahnen wieder in
Privathände gelangen, und da wird sich schon eine Altersversorgung finden,
die nicht durch ein Gesetz knapp zugemessen ist. Wollte Gott, wir wären schon
so weit, dann wüßte doch jeder wie und wo, und Herr von Scholz irrt sehr,
wenn er meint, wir würden die Dinge anders ansehen, sobald wir für die
Leitung der Staatsgeschäfte verantwortlich wären. Hat er denn überhört, wie
feierlich Herr niedere -- Rickert wollte ich^. sagen: er ist nach und nach seinem
Vorbilde so ähnlich geworden, daß man sie gleicht miteinander verwechseln
könnte -- wie feierlich Herr Rickert wieder erklärt hat: "Wir halten fest an
unsrer Überzeugung in jeder Lage." So ist es. Wie die Verhältnisse sich
ändern mögen, welche Erfahrungen wir machen, si lraows iMliatur vMs: wir
bleiben bei unserm Spruche. Und was mich anbetrifft, so scheue ich mich
niemals, die vollen Konsequenzen zu ziehen. Friedrich der Große und Rickert


den Parlamenten und in der Presse nicht mehr gegenseitig beleidigen darf,
wozu, frage ich, sind dann diese Institutionen noch da? Wie beschämend ist
für uns das Beispiel Amerikas! Da sagt man es doch einem gerade ins
Gesicht, wenn man ihn für einen Schurken hält oder vielleicht auch nicht dafür
hält, sondern nur just das Wort auf der Zunge hat. Was der Gebrauch des
Revolvers anbelangt, so müßten freilich die Regierungsparteien die Waffen in
der Garderobe abgeben, denn in ihren Reihen pflegt man sich aus das Schießen
so gut zu verstehen, wie in den unsern auf das Börsengeschäft, wie Herr Rickert
so treffend bemerkt hat.

Doch ich wollte von der übertriebenen Bescheidenheit sprechen. Herr Rickert
sagt ganz''^ schlicht: „Man soll den Wählern kein X für ein U vormachen."
Man — weshalb nicht bestimmter: die Regierung, die Rechte soll das nicht
thun, warum es nicht ausdrücklich als Gewerbsstörung brandmarken? Denn
das ist doch eine abgemachte Sache: die Minister und die Abgeordneten von
den Konservativen bis zu den Nationallibcmlen haben überhaupt mit dem
Wähler garnichts zu reden^, den aufzuklären ist unsre Sache, und wenn wir
einmal ans Ruder kommen, werden wir den Herren das Handwerk gründlich
legen, darauf verlassen Sie sich.

Wenn wir ans Ruder kommen — diese Äußerung wird die elende Rep¬
tilienpresse, welche sich im Schweiße des Volkes berauscht, natürlich wieder so
auslegen, als ob ich Portefeuillehunger hätte, aber dieser neuen Fälschung der
öffentlichen Meinung soll gleich ein Riegel vorgeschoben werden. Nein, meine
Herren, ich weiß recht gut, daß, wenn auch wir herankommen, doch ich nicht
herankomme. Unsre ganze Partei besteht aus Staatsmännern ersten Ranges,
nicht jeder wird Minister werden können, und ich — ohne falsche Bescheidenheit
sei es gesagt — bin einer der Kleinsten von den Großen. Ich verlange auch
garnicht, Minister zu werden. Unter einem Regime Richert-Baumberger (so
möchte ich der Kürze halber die vier Namen zusammenziehen, welche jedenfalls
an der Spitze stehen werden) müssen natürlich die Staatsbahnen wieder in
Privathände gelangen, und da wird sich schon eine Altersversorgung finden,
die nicht durch ein Gesetz knapp zugemessen ist. Wollte Gott, wir wären schon
so weit, dann wüßte doch jeder wie und wo, und Herr von Scholz irrt sehr,
wenn er meint, wir würden die Dinge anders ansehen, sobald wir für die
Leitung der Staatsgeschäfte verantwortlich wären. Hat er denn überhört, wie
feierlich Herr niedere — Rickert wollte ich^. sagen: er ist nach und nach seinem
Vorbilde so ähnlich geworden, daß man sie gleicht miteinander verwechseln
könnte — wie feierlich Herr Rickert wieder erklärt hat: „Wir halten fest an
unsrer Überzeugung in jeder Lage." So ist es. Wie die Verhältnisse sich
ändern mögen, welche Erfahrungen wir machen, si lraows iMliatur vMs: wir
bleiben bei unserm Spruche. Und was mich anbetrifft, so scheue ich mich
niemals, die vollen Konsequenzen zu ziehen. Friedrich der Große und Rickert


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[0549] den Parlamenten und in der Presse nicht mehr gegenseitig beleidigen darf, wozu, frage ich, sind dann diese Institutionen noch da? Wie beschämend ist für uns das Beispiel Amerikas! Da sagt man es doch einem gerade ins Gesicht, wenn man ihn für einen Schurken hält oder vielleicht auch nicht dafür hält, sondern nur just das Wort auf der Zunge hat. Was der Gebrauch des Revolvers anbelangt, so müßten freilich die Regierungsparteien die Waffen in der Garderobe abgeben, denn in ihren Reihen pflegt man sich aus das Schießen so gut zu verstehen, wie in den unsern auf das Börsengeschäft, wie Herr Rickert so treffend bemerkt hat. Doch ich wollte von der übertriebenen Bescheidenheit sprechen. Herr Rickert sagt ganz''^ schlicht: „Man soll den Wählern kein X für ein U vormachen." Man — weshalb nicht bestimmter: die Regierung, die Rechte soll das nicht thun, warum es nicht ausdrücklich als Gewerbsstörung brandmarken? Denn das ist doch eine abgemachte Sache: die Minister und die Abgeordneten von den Konservativen bis zu den Nationallibcmlen haben überhaupt mit dem Wähler garnichts zu reden^, den aufzuklären ist unsre Sache, und wenn wir einmal ans Ruder kommen, werden wir den Herren das Handwerk gründlich legen, darauf verlassen Sie sich. Wenn wir ans Ruder kommen — diese Äußerung wird die elende Rep¬ tilienpresse, welche sich im Schweiße des Volkes berauscht, natürlich wieder so auslegen, als ob ich Portefeuillehunger hätte, aber dieser neuen Fälschung der öffentlichen Meinung soll gleich ein Riegel vorgeschoben werden. Nein, meine Herren, ich weiß recht gut, daß, wenn auch wir herankommen, doch ich nicht herankomme. Unsre ganze Partei besteht aus Staatsmännern ersten Ranges, nicht jeder wird Minister werden können, und ich — ohne falsche Bescheidenheit sei es gesagt — bin einer der Kleinsten von den Großen. Ich verlange auch garnicht, Minister zu werden. Unter einem Regime Richert-Baumberger (so möchte ich der Kürze halber die vier Namen zusammenziehen, welche jedenfalls an der Spitze stehen werden) müssen natürlich die Staatsbahnen wieder in Privathände gelangen, und da wird sich schon eine Altersversorgung finden, die nicht durch ein Gesetz knapp zugemessen ist. Wollte Gott, wir wären schon so weit, dann wüßte doch jeder wie und wo, und Herr von Scholz irrt sehr, wenn er meint, wir würden die Dinge anders ansehen, sobald wir für die Leitung der Staatsgeschäfte verantwortlich wären. Hat er denn überhört, wie feierlich Herr niedere — Rickert wollte ich^. sagen: er ist nach und nach seinem Vorbilde so ähnlich geworden, daß man sie gleicht miteinander verwechseln könnte — wie feierlich Herr Rickert wieder erklärt hat: „Wir halten fest an unsrer Überzeugung in jeder Lage." So ist es. Wie die Verhältnisse sich ändern mögen, welche Erfahrungen wir machen, si lraows iMliatur vMs: wir bleiben bei unserm Spruche. Und was mich anbetrifft, so scheue ich mich niemals, die vollen Konsequenzen zu ziehen. Friedrich der Große und Rickert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/549>, abgerufen am 27.09.2024.