Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Die neuen Briefe Robert Schumanns. "Das Violvncellkouzert ist auch etwas, das manchem erwünscht kommen wird, Diese Auszüge aus den Briefen zeigen, wie Schumann selbst über sich ur¬ Umso wohlthuender berührte es ihn, wenn ihm ungesucht das richtige Wasielewski meint, Schumann habe mit dieser Komposition ebensowenig wie seine
Vorgänger das Problem eines Vivloncellkonzcrts zu lösen vermocht. Die Tonlage des In¬ struments erweise sich für das Figuren- und Pnssngenspicl zu tief und werde vom Orchester leicht erdrückt. Dringe es aber durch, so fehle ihm der nneiitbehrliche Glnuz des Tones. Außerdem habe Schumann die Technik des Cellos nicht sachgemäß zu behandeln verstanden; die AllegrosNtze könnten daher nicht zu rechter Geltung kommen. Dieser Tadel ist mit all der Herzlosigkeit ausgesprochen, welche der Sticfbiograph Schumanns in seinen Kritiken so oft gezeigt hat. Er schreckt von der Beschäftigung mit diesem Werke Schumanns ab, anstatt Begeisterung dafür zu erwecken. In gewöhnlichem Sinne ist das Konzert wohl kein dank¬ bares Stück, es enthält aber doch so viele Schönheiten, daß jeder Cellist sich verpflichtet fühlen müßte, es dem Publikum immer wieder vorzuführen, selbst mit Verzicht ans unmittelbaren Erfolg. Wie himmelhoch steht das Konzert Schumanns über vielen andern, die dem Pu¬ blikum gefallen und von der Kritik mit Wohlwollen aufgenommen werden! Sehr häufig und ganz vortrefflich wird es übrigens von Robert Hausmann gespielt, der es auch stets zu schönster Wirkung bringt. Die neuen Briefe Robert Schumanns. „Das Violvncellkouzert ist auch etwas, das manchem erwünscht kommen wird, Diese Auszüge aus den Briefen zeigen, wie Schumann selbst über sich ur¬ Umso wohlthuender berührte es ihn, wenn ihm ungesucht das richtige Wasielewski meint, Schumann habe mit dieser Komposition ebensowenig wie seine
Vorgänger das Problem eines Vivloncellkonzcrts zu lösen vermocht. Die Tonlage des In¬ struments erweise sich für das Figuren- und Pnssngenspicl zu tief und werde vom Orchester leicht erdrückt. Dringe es aber durch, so fehle ihm der nneiitbehrliche Glnuz des Tones. Außerdem habe Schumann die Technik des Cellos nicht sachgemäß zu behandeln verstanden; die AllegrosNtze könnten daher nicht zu rechter Geltung kommen. Dieser Tadel ist mit all der Herzlosigkeit ausgesprochen, welche der Sticfbiograph Schumanns in seinen Kritiken so oft gezeigt hat. Er schreckt von der Beschäftigung mit diesem Werke Schumanns ab, anstatt Begeisterung dafür zu erwecken. In gewöhnlichem Sinne ist das Konzert wohl kein dank¬ bares Stück, es enthält aber doch so viele Schönheiten, daß jeder Cellist sich verpflichtet fühlen müßte, es dem Publikum immer wieder vorzuführen, selbst mit Verzicht ans unmittelbaren Erfolg. Wie himmelhoch steht das Konzert Schumanns über vielen andern, die dem Pu¬ blikum gefallen und von der Kritik mit Wohlwollen aufgenommen werden! Sehr häufig und ganz vortrefflich wird es übrigens von Robert Hausmann gespielt, der es auch stets zu schönster Wirkung bringt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199794"/> <fw type="header" place="top"> Die neuen Briefe Robert Schumanns.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1802" prev="#ID_1801"> „Das Violvncellkouzert ist auch etwas, das manchem erwünscht kommen wird,<lb/> da es an solchen Kompositionen sehr mangelt. Auch dieses Konzert ist ein<lb/> durchaus heiteres Stück."*)</p><lb/> <p xml:id="ID_1803"> Diese Auszüge aus den Briefen zeigen, wie Schumann selbst über sich ur¬<lb/> teilte. Wenn er zuweilen erleben mußte, daß sein Wert unterschätzt wurde,<lb/> scheute er sich nicht, seinen Unmut darüber kund zu geben. So an Wenzel,<lb/> der die L-aur-Symphonie etwas oberflächlich behandelt hatte. „War das Ihr<lb/> Aufsatz? Im Kinderfreund? jEr meint die Leipziger Zeitung.'j Wie haben Sie<lb/> mich damit gekränkt! Ich war so fröhlich. Auf die Zukunft verweisen Sie nach<lb/> einem mit solcher Liebe gegebenen Werke — mit so kühlen Worten! Und über¬<lb/> rascht hat es Sie dennoch? Worte, die ich in den Tod hasse. Und fleißig<lb/> und gewissenhaft war ich genug Zeit meines Lebens, um nicht mehr als ein<lb/> Zukünftiger zu erscheinen und zu überraschen. Das weiß ich. Wie dem sei —<lb/> erst wollte ich Ihnen diese geheimen Gedanken verhehlen — doch mochte ich<lb/> gerade von Ihnen mit der Achtung angesprochen sein, die ich gar wohl verlangen<lb/> kann. Also nicht weiter davon und ohne Groll." Als Ed. Krüger sich mi߬<lb/> billigend über die „Geuoveva" ausgelassen hatte, kündigte er ihm mit harten<lb/> Worten die Freundschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1804" next="#ID_1805"> Umso wohlthuender berührte es ihn, wenn ihm ungesucht das richtige<lb/> Verständnis entgegenkam. „Die wohlwollende, gründliche und sorgsame Be¬<lb/> urteilung des Konzertes hop. 54^j hat mir Freude gemacht. War sie nicht von<lb/> Dörsfel? Es sieht ihm ganz ähnlich" ^47). „Dörffels Aufsatz über die<lb/> Symphonie sin L!j habe ich mit Freuden gelesen" l1848.j. Auch was Dörsfel über<lb/> das v-in.oI1-Trio ausgesprochen hat, atmet die innigste Verehrung und sichert<lb/> ihm den ersten Rang unter den Kritikern Schumanns. Neben ihm steht Louis<lb/> Estere, der 1849 in der „Königsberger Zeitung" Schumann als „ ein Genie in<lb/> der weitesten Bedeutung des Wortes" pries. Auf diese hohen Worte folgt eine</p><lb/> <note xml:id="FID_41" place="foot"> Wasielewski meint, Schumann habe mit dieser Komposition ebensowenig wie seine<lb/> Vorgänger das Problem eines Vivloncellkonzcrts zu lösen vermocht. Die Tonlage des In¬<lb/> struments erweise sich für das Figuren- und Pnssngenspicl zu tief und werde vom Orchester<lb/> leicht erdrückt. Dringe es aber durch, so fehle ihm der nneiitbehrliche Glnuz des Tones.<lb/> Außerdem habe Schumann die Technik des Cellos nicht sachgemäß zu behandeln verstanden;<lb/> die AllegrosNtze könnten daher nicht zu rechter Geltung kommen. Dieser Tadel ist mit all<lb/> der Herzlosigkeit ausgesprochen, welche der Sticfbiograph Schumanns in seinen Kritiken so<lb/> oft gezeigt hat. Er schreckt von der Beschäftigung mit diesem Werke Schumanns ab, anstatt<lb/> Begeisterung dafür zu erwecken. In gewöhnlichem Sinne ist das Konzert wohl kein dank¬<lb/> bares Stück, es enthält aber doch so viele Schönheiten, daß jeder Cellist sich verpflichtet fühlen<lb/> müßte, es dem Publikum immer wieder vorzuführen, selbst mit Verzicht ans unmittelbaren<lb/> Erfolg. Wie himmelhoch steht das Konzert Schumanns über vielen andern, die dem Pu¬<lb/> blikum gefallen und von der Kritik mit Wohlwollen aufgenommen werden! Sehr häufig und<lb/> ganz vortrefflich wird es übrigens von Robert Hausmann gespielt, der es auch stets zu<lb/> schönster Wirkung bringt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Die neuen Briefe Robert Schumanns.
„Das Violvncellkouzert ist auch etwas, das manchem erwünscht kommen wird,
da es an solchen Kompositionen sehr mangelt. Auch dieses Konzert ist ein
durchaus heiteres Stück."*)
Diese Auszüge aus den Briefen zeigen, wie Schumann selbst über sich ur¬
teilte. Wenn er zuweilen erleben mußte, daß sein Wert unterschätzt wurde,
scheute er sich nicht, seinen Unmut darüber kund zu geben. So an Wenzel,
der die L-aur-Symphonie etwas oberflächlich behandelt hatte. „War das Ihr
Aufsatz? Im Kinderfreund? jEr meint die Leipziger Zeitung.'j Wie haben Sie
mich damit gekränkt! Ich war so fröhlich. Auf die Zukunft verweisen Sie nach
einem mit solcher Liebe gegebenen Werke — mit so kühlen Worten! Und über¬
rascht hat es Sie dennoch? Worte, die ich in den Tod hasse. Und fleißig
und gewissenhaft war ich genug Zeit meines Lebens, um nicht mehr als ein
Zukünftiger zu erscheinen und zu überraschen. Das weiß ich. Wie dem sei —
erst wollte ich Ihnen diese geheimen Gedanken verhehlen — doch mochte ich
gerade von Ihnen mit der Achtung angesprochen sein, die ich gar wohl verlangen
kann. Also nicht weiter davon und ohne Groll." Als Ed. Krüger sich mi߬
billigend über die „Geuoveva" ausgelassen hatte, kündigte er ihm mit harten
Worten die Freundschaft.
Umso wohlthuender berührte es ihn, wenn ihm ungesucht das richtige
Verständnis entgegenkam. „Die wohlwollende, gründliche und sorgsame Be¬
urteilung des Konzertes hop. 54^j hat mir Freude gemacht. War sie nicht von
Dörsfel? Es sieht ihm ganz ähnlich" ^47). „Dörffels Aufsatz über die
Symphonie sin L!j habe ich mit Freuden gelesen" l1848.j. Auch was Dörsfel über
das v-in.oI1-Trio ausgesprochen hat, atmet die innigste Verehrung und sichert
ihm den ersten Rang unter den Kritikern Schumanns. Neben ihm steht Louis
Estere, der 1849 in der „Königsberger Zeitung" Schumann als „ ein Genie in
der weitesten Bedeutung des Wortes" pries. Auf diese hohen Worte folgt eine
Wasielewski meint, Schumann habe mit dieser Komposition ebensowenig wie seine
Vorgänger das Problem eines Vivloncellkonzcrts zu lösen vermocht. Die Tonlage des In¬
struments erweise sich für das Figuren- und Pnssngenspicl zu tief und werde vom Orchester
leicht erdrückt. Dringe es aber durch, so fehle ihm der nneiitbehrliche Glnuz des Tones.
Außerdem habe Schumann die Technik des Cellos nicht sachgemäß zu behandeln verstanden;
die AllegrosNtze könnten daher nicht zu rechter Geltung kommen. Dieser Tadel ist mit all
der Herzlosigkeit ausgesprochen, welche der Sticfbiograph Schumanns in seinen Kritiken so
oft gezeigt hat. Er schreckt von der Beschäftigung mit diesem Werke Schumanns ab, anstatt
Begeisterung dafür zu erwecken. In gewöhnlichem Sinne ist das Konzert wohl kein dank¬
bares Stück, es enthält aber doch so viele Schönheiten, daß jeder Cellist sich verpflichtet fühlen
müßte, es dem Publikum immer wieder vorzuführen, selbst mit Verzicht ans unmittelbaren
Erfolg. Wie himmelhoch steht das Konzert Schumanns über vielen andern, die dem Pu¬
blikum gefallen und von der Kritik mit Wohlwollen aufgenommen werden! Sehr häufig und
ganz vortrefflich wird es übrigens von Robert Hausmann gespielt, der es auch stets zu
schönster Wirkung bringt.
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