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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Die neuen Briefe Robert Schumanns.

Auch sonst erbat Schumann bei wohlmeinenden Kunstgenossen Besprechung
seiner Werke. An Fischhvf schrieb er (1834): "Ohne Aufmunterung keine Kunst.
Auf den beliebten einsamen Inseln in einem stillen Ozean würden ein Mozart,
ein Raphael Vaucru geblieben sein." Dagegen sagt er vier Jahre später zu
Karl Krägen: "Für Ihre Teilnahme an meinen Kompositionen danke ich Ihnen;
sie thut'mir manchmal Not, da ich nur wenig darüber sprechen höre. Doch,
gesteh' ich, drängt es mich oft so zum Schaffen, daß ichs auch mitten im Meer
auf einer einsamen' Insel nicht lassen könnte."

Über diesen innern Schaffensdrang spricht sich Schumann sehr oft ans.
"Früher grübelte ich lauge, jetzt s1839^ streiche ich kaum eine Note. Es kömmt
mir alles von selbst, und sogar manchmal ist es mir, als könnte ich immerfort
spielen und nie zu Ende kommen. Die Musik verzehrt mich noch, ich muß mich
oft mit Gewalt losmachen.... Eben hat mich ein Streichquartett, das mich
ganz beglückt. An fwohl sein Lehrer Dorn^ denke ich nicht mehr beim kom-
poniren; ich mach's eben." Wie ihm die erste Idee der "ü-aur^Symphonie ge¬
kommen sei, teilt er gar.anmutig Mendelssohn mit: "In mir paukt und trompetet
es seit einigen Tagen sehr, ich weiß nicht, was daraus werden wird." Daß sich
aus einem Anfcmgsmvtivc eine ganze Shmphouie entwickeln könne, daran er¬
innert ein Wort an Joachim: "Nun, wo ist Johannes ^Brahms^? Ist er bei
Ihnen? Läßt er noch keine Pauken und Drommeten erschallen? Er soll sich
immer an die Anfänge der Veethovcnschen Symphonien erinnern, er soll etwas
ähnliches zu machen suchen. Der Anfang ist die Hauptsache; hat mau angefangen,
dann kommt einem das Ende wie von selbst entgegen."

Dieser innere Schaffensdrang verließ Schumann nur selten -- dann war er
aber auch körperlich leidend. Alles, was ihn erregte, setzte sich bei ihm in Töne
um. "Vou den Schmerzen und Freuden, die die Zeit bewegen, der Musik zu
erzählen, dies fühl' ich, ist mir vor viele" andern zuerteilt worden. Und daß
Sie ^er schreibt an Brendelj es deu Leuten manchmal vorhalten, wie stark eben
meine Musik in der Gegenwart wurzelt und etwas ganz andres will, als mir
Wohlklang und angenehme Unterhaltung, dies freut mich und muntert mich ans
zu höherm Strebe".... Ich kann nie rasten, und muß es durch Musik aus-
sprechen." Aus Moskau sendet er ein Gedicht an Wieck, das den Eindruck schildert,
den der Kreml auf ihn gemacht hat. "Es ist versteckte.Musik, da zum Kom-
poniren keine Ruhe und Zeit war." So dichtet und schafft es in ihm ohne
Unterlaß.

Wie beurteilt nun Schumann selbst seine Kompositionen? Ein allgemeines
Urteil hören wir von ihm im Jahre 1852. D. van Bruyck hatte mit Begeisterung
an ihn geschrieben. Er antwortete: "Ich glaube, Sie sagen mir zu hoch Er¬
hebendes, und dies über Jugendarbeiten, deren Mängel mir nur zu klar sind.
In meinen spätern größern Arbeiten, wie deu Symphonien und Chorkompositionen,
möchte eine so wohlwollende Anerkennung eher gerechtfertigt sein." Die Streich-


Die neuen Briefe Robert Schumanns.

Auch sonst erbat Schumann bei wohlmeinenden Kunstgenossen Besprechung
seiner Werke. An Fischhvf schrieb er (1834): „Ohne Aufmunterung keine Kunst.
Auf den beliebten einsamen Inseln in einem stillen Ozean würden ein Mozart,
ein Raphael Vaucru geblieben sein." Dagegen sagt er vier Jahre später zu
Karl Krägen: „Für Ihre Teilnahme an meinen Kompositionen danke ich Ihnen;
sie thut'mir manchmal Not, da ich nur wenig darüber sprechen höre. Doch,
gesteh' ich, drängt es mich oft so zum Schaffen, daß ichs auch mitten im Meer
auf einer einsamen' Insel nicht lassen könnte."

Über diesen innern Schaffensdrang spricht sich Schumann sehr oft ans.
„Früher grübelte ich lauge, jetzt s1839^ streiche ich kaum eine Note. Es kömmt
mir alles von selbst, und sogar manchmal ist es mir, als könnte ich immerfort
spielen und nie zu Ende kommen. Die Musik verzehrt mich noch, ich muß mich
oft mit Gewalt losmachen.... Eben hat mich ein Streichquartett, das mich
ganz beglückt. An fwohl sein Lehrer Dorn^ denke ich nicht mehr beim kom-
poniren; ich mach's eben." Wie ihm die erste Idee der «ü-aur^Symphonie ge¬
kommen sei, teilt er gar.anmutig Mendelssohn mit: „In mir paukt und trompetet
es seit einigen Tagen sehr, ich weiß nicht, was daraus werden wird." Daß sich
aus einem Anfcmgsmvtivc eine ganze Shmphouie entwickeln könne, daran er¬
innert ein Wort an Joachim: „Nun, wo ist Johannes ^Brahms^? Ist er bei
Ihnen? Läßt er noch keine Pauken und Drommeten erschallen? Er soll sich
immer an die Anfänge der Veethovcnschen Symphonien erinnern, er soll etwas
ähnliches zu machen suchen. Der Anfang ist die Hauptsache; hat mau angefangen,
dann kommt einem das Ende wie von selbst entgegen."

Dieser innere Schaffensdrang verließ Schumann nur selten — dann war er
aber auch körperlich leidend. Alles, was ihn erregte, setzte sich bei ihm in Töne
um. „Vou den Schmerzen und Freuden, die die Zeit bewegen, der Musik zu
erzählen, dies fühl' ich, ist mir vor viele» andern zuerteilt worden. Und daß
Sie ^er schreibt an Brendelj es deu Leuten manchmal vorhalten, wie stark eben
meine Musik in der Gegenwart wurzelt und etwas ganz andres will, als mir
Wohlklang und angenehme Unterhaltung, dies freut mich und muntert mich ans
zu höherm Strebe».... Ich kann nie rasten, und muß es durch Musik aus-
sprechen." Aus Moskau sendet er ein Gedicht an Wieck, das den Eindruck schildert,
den der Kreml auf ihn gemacht hat. „Es ist versteckte.Musik, da zum Kom-
poniren keine Ruhe und Zeit war." So dichtet und schafft es in ihm ohne
Unterlaß.

Wie beurteilt nun Schumann selbst seine Kompositionen? Ein allgemeines
Urteil hören wir von ihm im Jahre 1852. D. van Bruyck hatte mit Begeisterung
an ihn geschrieben. Er antwortete: „Ich glaube, Sie sagen mir zu hoch Er¬
hebendes, und dies über Jugendarbeiten, deren Mängel mir nur zu klar sind.
In meinen spätern größern Arbeiten, wie deu Symphonien und Chorkompositionen,
möchte eine so wohlwollende Anerkennung eher gerechtfertigt sein." Die Streich-


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[0438] Die neuen Briefe Robert Schumanns. Auch sonst erbat Schumann bei wohlmeinenden Kunstgenossen Besprechung seiner Werke. An Fischhvf schrieb er (1834): „Ohne Aufmunterung keine Kunst. Auf den beliebten einsamen Inseln in einem stillen Ozean würden ein Mozart, ein Raphael Vaucru geblieben sein." Dagegen sagt er vier Jahre später zu Karl Krägen: „Für Ihre Teilnahme an meinen Kompositionen danke ich Ihnen; sie thut'mir manchmal Not, da ich nur wenig darüber sprechen höre. Doch, gesteh' ich, drängt es mich oft so zum Schaffen, daß ichs auch mitten im Meer auf einer einsamen' Insel nicht lassen könnte." Über diesen innern Schaffensdrang spricht sich Schumann sehr oft ans. „Früher grübelte ich lauge, jetzt s1839^ streiche ich kaum eine Note. Es kömmt mir alles von selbst, und sogar manchmal ist es mir, als könnte ich immerfort spielen und nie zu Ende kommen. Die Musik verzehrt mich noch, ich muß mich oft mit Gewalt losmachen.... Eben hat mich ein Streichquartett, das mich ganz beglückt. An fwohl sein Lehrer Dorn^ denke ich nicht mehr beim kom- poniren; ich mach's eben." Wie ihm die erste Idee der «ü-aur^Symphonie ge¬ kommen sei, teilt er gar.anmutig Mendelssohn mit: „In mir paukt und trompetet es seit einigen Tagen sehr, ich weiß nicht, was daraus werden wird." Daß sich aus einem Anfcmgsmvtivc eine ganze Shmphouie entwickeln könne, daran er¬ innert ein Wort an Joachim: „Nun, wo ist Johannes ^Brahms^? Ist er bei Ihnen? Läßt er noch keine Pauken und Drommeten erschallen? Er soll sich immer an die Anfänge der Veethovcnschen Symphonien erinnern, er soll etwas ähnliches zu machen suchen. Der Anfang ist die Hauptsache; hat mau angefangen, dann kommt einem das Ende wie von selbst entgegen." Dieser innere Schaffensdrang verließ Schumann nur selten — dann war er aber auch körperlich leidend. Alles, was ihn erregte, setzte sich bei ihm in Töne um. „Vou den Schmerzen und Freuden, die die Zeit bewegen, der Musik zu erzählen, dies fühl' ich, ist mir vor viele» andern zuerteilt worden. Und daß Sie ^er schreibt an Brendelj es deu Leuten manchmal vorhalten, wie stark eben meine Musik in der Gegenwart wurzelt und etwas ganz andres will, als mir Wohlklang und angenehme Unterhaltung, dies freut mich und muntert mich ans zu höherm Strebe».... Ich kann nie rasten, und muß es durch Musik aus- sprechen." Aus Moskau sendet er ein Gedicht an Wieck, das den Eindruck schildert, den der Kreml auf ihn gemacht hat. „Es ist versteckte.Musik, da zum Kom- poniren keine Ruhe und Zeit war." So dichtet und schafft es in ihm ohne Unterlaß. Wie beurteilt nun Schumann selbst seine Kompositionen? Ein allgemeines Urteil hören wir von ihm im Jahre 1852. D. van Bruyck hatte mit Begeisterung an ihn geschrieben. Er antwortete: „Ich glaube, Sie sagen mir zu hoch Er¬ hebendes, und dies über Jugendarbeiten, deren Mängel mir nur zu klar sind. In meinen spätern größern Arbeiten, wie deu Symphonien und Chorkompositionen, möchte eine so wohlwollende Anerkennung eher gerechtfertigt sein." Die Streich-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/438>, abgerufen am 20.10.2024.