Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die neuen Briefe Robert Schumanns,

Indessen genügten diese Stimmen nicht, Schumann allgemeiner bekannt zu
machen, und der Komponist bat daher gelegentlich seine Freunde, für ihn ein¬
zutreten, Nanentmrg sollte in der "Cäcilia" über die Toccata, Keferstein über
die erste Sonate schreiben. "Die "Cücilia" ist das einzige Blatt, worin etwas
über mich gesagt werden darf, . . , Ich möchte doch als Komponist nicht so
kometenartig vorübergehen. Sprechen Sie so freimütig, wie über einen Ihnen
wildfremden Menschen, so ist mir's gerade recht." Für die "Leipziger allge¬
meine musikalische Zeitung," die unter Fluth Leitung volle zehn Jahre über
ihn geschwiegen hatte, erbat sich Schumann eine Besprechung seiner Klavier¬
werke von Koßmalh. "Mit einiger Scheu lege ich Ihnen ein Paket äl¬
terer Kompositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an
ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meistens Widerspiegelungen meines wild¬
bewegten frühern Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig
bei mir auszusprechen; es ist wohl auch uoch jetzt so, wo ich mich freilich und
anch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden
in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, Ihr mitfühlendes
Herz wird das herausfinden. Von den Klavierkvmpositionen, die ich für meine
besten halte, konnte ich leider kein Exemplar auftreiben; es sind das, wie ich
glaube: Die Kreisleriana, 8 Phantasiestücke, 4 Hefte Nvvellctten und ein Heft
Romanzen. Doch auch die frühern werde" Ihnen ein Bild meines Charakters,
meines Strebens geben; ja gerade in den Versuchen liegen oft die meisten Keime
der Zukunft. Drum nehmen Sie sie wohlwollend ans mit ihren Mängeln --
ich kann nichts weiter darüber sagen. Diese Sachen sind alle nur wenig be¬
kannt geworden, aus natürlichen Gründen: 1. aus innern der Schwierigkeit in
Form und Gehalt; 2. weil ich kein Virtuos bin, der sie öffentlich vortragen
könnte; 3, weil ich Redakteur meiner Zeitschrift, in der ich sie nicht erwähnen
konnte; 4. weil Fink Redakteur der andern, der sie nicht erwähnen wollte. Es
ist aber manches anders geworden. Das Publikum nimmt, wie ich höre, jetzt
s1843j größern Anteil an meinen Sachen, auch den ältern -- die Kiuderszenen
und Phautasicstücke haben sogar ein größeres gefunden. Auch darin hat sich
die Zeit verändert; sonst galt es mir gleich, ob man sich um mich bekümmere
oder nicht -- hat man Frau und Kinder, so wird das ganz anders -- man
muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte seiner Arbeit sehen,
nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen, die zum Leben gehören, und diese
bringt und vermehrt nur der größere Ruf. Nennen Sie es also nicht Eitelkeit,
wenn ich Ihnen diese ältern Stücke jetzt, nachdem ich ihnen schon längst ent¬
wachsen bin, noch zuschicke und Ihr freundliches Anerbieten, ein Wort darüber
irgendwo zu sagen, dankbar annehme. Ich habe die Künstler immer verachtet,
die, wenn der Wisch noch naß aus der Druckerei kommt, ihn auch schon auf
die Post befördern an die verschiednen Redaktionen. Doch, was mach' ich für
Worte? Sie kennen mich jn und verstehen mich."


Die neuen Briefe Robert Schumanns,

Indessen genügten diese Stimmen nicht, Schumann allgemeiner bekannt zu
machen, und der Komponist bat daher gelegentlich seine Freunde, für ihn ein¬
zutreten, Nanentmrg sollte in der „Cäcilia" über die Toccata, Keferstein über
die erste Sonate schreiben. „Die »Cücilia« ist das einzige Blatt, worin etwas
über mich gesagt werden darf, . . , Ich möchte doch als Komponist nicht so
kometenartig vorübergehen. Sprechen Sie so freimütig, wie über einen Ihnen
wildfremden Menschen, so ist mir's gerade recht." Für die „Leipziger allge¬
meine musikalische Zeitung," die unter Fluth Leitung volle zehn Jahre über
ihn geschwiegen hatte, erbat sich Schumann eine Besprechung seiner Klavier¬
werke von Koßmalh. „Mit einiger Scheu lege ich Ihnen ein Paket äl¬
terer Kompositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an
ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meistens Widerspiegelungen meines wild¬
bewegten frühern Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig
bei mir auszusprechen; es ist wohl auch uoch jetzt so, wo ich mich freilich und
anch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden
in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, Ihr mitfühlendes
Herz wird das herausfinden. Von den Klavierkvmpositionen, die ich für meine
besten halte, konnte ich leider kein Exemplar auftreiben; es sind das, wie ich
glaube: Die Kreisleriana, 8 Phantasiestücke, 4 Hefte Nvvellctten und ein Heft
Romanzen. Doch auch die frühern werde» Ihnen ein Bild meines Charakters,
meines Strebens geben; ja gerade in den Versuchen liegen oft die meisten Keime
der Zukunft. Drum nehmen Sie sie wohlwollend ans mit ihren Mängeln —
ich kann nichts weiter darüber sagen. Diese Sachen sind alle nur wenig be¬
kannt geworden, aus natürlichen Gründen: 1. aus innern der Schwierigkeit in
Form und Gehalt; 2. weil ich kein Virtuos bin, der sie öffentlich vortragen
könnte; 3, weil ich Redakteur meiner Zeitschrift, in der ich sie nicht erwähnen
konnte; 4. weil Fink Redakteur der andern, der sie nicht erwähnen wollte. Es
ist aber manches anders geworden. Das Publikum nimmt, wie ich höre, jetzt
s1843j größern Anteil an meinen Sachen, auch den ältern — die Kiuderszenen
und Phautasicstücke haben sogar ein größeres gefunden. Auch darin hat sich
die Zeit verändert; sonst galt es mir gleich, ob man sich um mich bekümmere
oder nicht — hat man Frau und Kinder, so wird das ganz anders — man
muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte seiner Arbeit sehen,
nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen, die zum Leben gehören, und diese
bringt und vermehrt nur der größere Ruf. Nennen Sie es also nicht Eitelkeit,
wenn ich Ihnen diese ältern Stücke jetzt, nachdem ich ihnen schon längst ent¬
wachsen bin, noch zuschicke und Ihr freundliches Anerbieten, ein Wort darüber
irgendwo zu sagen, dankbar annehme. Ich habe die Künstler immer verachtet,
die, wenn der Wisch noch naß aus der Druckerei kommt, ihn auch schon auf
die Post befördern an die verschiednen Redaktionen. Doch, was mach' ich für
Worte? Sie kennen mich jn und verstehen mich."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199791"/>
          <fw type="header" place="top"> Die neuen Briefe Robert Schumanns,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1794"> Indessen genügten diese Stimmen nicht, Schumann allgemeiner bekannt zu<lb/>
machen, und der Komponist bat daher gelegentlich seine Freunde, für ihn ein¬<lb/>
zutreten, Nanentmrg sollte in der &#x201E;Cäcilia" über die Toccata, Keferstein über<lb/>
die erste Sonate schreiben. &#x201E;Die »Cücilia« ist das einzige Blatt, worin etwas<lb/>
über mich gesagt werden darf, . . , Ich möchte doch als Komponist nicht so<lb/>
kometenartig vorübergehen. Sprechen Sie so freimütig, wie über einen Ihnen<lb/>
wildfremden Menschen, so ist mir's gerade recht." Für die &#x201E;Leipziger allge¬<lb/>
meine musikalische Zeitung," die unter Fluth Leitung volle zehn Jahre über<lb/>
ihn geschwiegen hatte, erbat sich Schumann eine Besprechung seiner Klavier¬<lb/>
werke von Koßmalh. &#x201E;Mit einiger Scheu lege ich Ihnen ein Paket äl¬<lb/>
terer Kompositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an<lb/>
ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meistens Widerspiegelungen meines wild¬<lb/>
bewegten frühern Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig<lb/>
bei mir auszusprechen; es ist wohl auch uoch jetzt so, wo ich mich freilich und<lb/>
anch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden<lb/>
in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, Ihr mitfühlendes<lb/>
Herz wird das herausfinden. Von den Klavierkvmpositionen, die ich für meine<lb/>
besten halte, konnte ich leider kein Exemplar auftreiben; es sind das, wie ich<lb/>
glaube: Die Kreisleriana, 8 Phantasiestücke, 4 Hefte Nvvellctten und ein Heft<lb/>
Romanzen. Doch auch die frühern werde» Ihnen ein Bild meines Charakters,<lb/>
meines Strebens geben; ja gerade in den Versuchen liegen oft die meisten Keime<lb/>
der Zukunft. Drum nehmen Sie sie wohlwollend ans mit ihren Mängeln &#x2014;<lb/>
ich kann nichts weiter darüber sagen. Diese Sachen sind alle nur wenig be¬<lb/>
kannt geworden, aus natürlichen Gründen: 1. aus innern der Schwierigkeit in<lb/>
Form und Gehalt; 2. weil ich kein Virtuos bin, der sie öffentlich vortragen<lb/>
könnte; 3, weil ich Redakteur meiner Zeitschrift, in der ich sie nicht erwähnen<lb/>
konnte; 4. weil Fink Redakteur der andern, der sie nicht erwähnen wollte. Es<lb/>
ist aber manches anders geworden. Das Publikum nimmt, wie ich höre, jetzt<lb/>
s1843j größern Anteil an meinen Sachen, auch den ältern &#x2014; die Kiuderszenen<lb/>
und Phautasicstücke haben sogar ein größeres gefunden. Auch darin hat sich<lb/>
die Zeit verändert; sonst galt es mir gleich, ob man sich um mich bekümmere<lb/>
oder nicht &#x2014; hat man Frau und Kinder, so wird das ganz anders &#x2014; man<lb/>
muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte seiner Arbeit sehen,<lb/>
nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen, die zum Leben gehören, und diese<lb/>
bringt und vermehrt nur der größere Ruf. Nennen Sie es also nicht Eitelkeit,<lb/>
wenn ich Ihnen diese ältern Stücke jetzt, nachdem ich ihnen schon längst ent¬<lb/>
wachsen bin, noch zuschicke und Ihr freundliches Anerbieten, ein Wort darüber<lb/>
irgendwo zu sagen, dankbar annehme. Ich habe die Künstler immer verachtet,<lb/>
die, wenn der Wisch noch naß aus der Druckerei kommt, ihn auch schon auf<lb/>
die Post befördern an die verschiednen Redaktionen. Doch, was mach' ich für<lb/>
Worte? Sie kennen mich jn und verstehen mich."</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0437] Die neuen Briefe Robert Schumanns, Indessen genügten diese Stimmen nicht, Schumann allgemeiner bekannt zu machen, und der Komponist bat daher gelegentlich seine Freunde, für ihn ein¬ zutreten, Nanentmrg sollte in der „Cäcilia" über die Toccata, Keferstein über die erste Sonate schreiben. „Die »Cücilia« ist das einzige Blatt, worin etwas über mich gesagt werden darf, . . , Ich möchte doch als Komponist nicht so kometenartig vorübergehen. Sprechen Sie so freimütig, wie über einen Ihnen wildfremden Menschen, so ist mir's gerade recht." Für die „Leipziger allge¬ meine musikalische Zeitung," die unter Fluth Leitung volle zehn Jahre über ihn geschwiegen hatte, erbat sich Schumann eine Besprechung seiner Klavier¬ werke von Koßmalh. „Mit einiger Scheu lege ich Ihnen ein Paket äl¬ terer Kompositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meistens Widerspiegelungen meines wild¬ bewegten frühern Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig bei mir auszusprechen; es ist wohl auch uoch jetzt so, wo ich mich freilich und anch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, Ihr mitfühlendes Herz wird das herausfinden. Von den Klavierkvmpositionen, die ich für meine besten halte, konnte ich leider kein Exemplar auftreiben; es sind das, wie ich glaube: Die Kreisleriana, 8 Phantasiestücke, 4 Hefte Nvvellctten und ein Heft Romanzen. Doch auch die frühern werde» Ihnen ein Bild meines Charakters, meines Strebens geben; ja gerade in den Versuchen liegen oft die meisten Keime der Zukunft. Drum nehmen Sie sie wohlwollend ans mit ihren Mängeln — ich kann nichts weiter darüber sagen. Diese Sachen sind alle nur wenig be¬ kannt geworden, aus natürlichen Gründen: 1. aus innern der Schwierigkeit in Form und Gehalt; 2. weil ich kein Virtuos bin, der sie öffentlich vortragen könnte; 3, weil ich Redakteur meiner Zeitschrift, in der ich sie nicht erwähnen konnte; 4. weil Fink Redakteur der andern, der sie nicht erwähnen wollte. Es ist aber manches anders geworden. Das Publikum nimmt, wie ich höre, jetzt s1843j größern Anteil an meinen Sachen, auch den ältern — die Kiuderszenen und Phautasicstücke haben sogar ein größeres gefunden. Auch darin hat sich die Zeit verändert; sonst galt es mir gleich, ob man sich um mich bekümmere oder nicht — hat man Frau und Kinder, so wird das ganz anders — man muß ja an die Zukunft denken, man will auch die Früchte seiner Arbeit sehen, nicht die künstlerischen, sondern die prosaischen, die zum Leben gehören, und diese bringt und vermehrt nur der größere Ruf. Nennen Sie es also nicht Eitelkeit, wenn ich Ihnen diese ältern Stücke jetzt, nachdem ich ihnen schon längst ent¬ wachsen bin, noch zuschicke und Ihr freundliches Anerbieten, ein Wort darüber irgendwo zu sagen, dankbar annehme. Ich habe die Künstler immer verachtet, die, wenn der Wisch noch naß aus der Druckerei kommt, ihn auch schon auf die Post befördern an die verschiednen Redaktionen. Doch, was mach' ich für Worte? Sie kennen mich jn und verstehen mich."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/437
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/437>, abgerufen am 20.10.2024.