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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

weil sie eine gleichmäßige Besteuerung, d. h. eine solche uach ein- und dem¬
selben Maßstabe, geradezu ausschließen, und weil sie garnicht unterscheiden, ob
das von ihnen zur Steuer herangezogene Vermögen bereits anderwärts besteuert
ist oder nicht, endlich, weil sie gewöhnlich den minder gut situirter Staats¬
bürger treffen und hierdurch häufig, wie z. B, die in den Prozessen unter¬
liegenden Parteien, ruiniren.

Dagegen glauben wir, daß das zur Milderung und Beseitigung der be¬
denklichen Folgen der unverhältnismäßigen Vermögensverteilung geeignete Mittel
in der Besitzsteuer erblickt werden muß, denn nur das Besitzsteuersystem berück¬
sichtigt alle einzelnen Steuerkräfte derartig, daß Steuerexekutiouen viel seltener
werden müssen als gegenwärtig, und daß erfolglose Steuerexekutiouen kaum
gedacht werden können. Da dieses System noch ziemlich unbekannt und erst in
neuerer Zeit sozusagen entdeckt worden ist, so möge es gestattet sein, es hier
etwas näher zu besprechen.*)

Dieses Steuersystem ist, wie sein Name sagt, auf den Besitz basirt, und
zwar auf den Besitz im allgemeinen, nämlich sowohl auf den positiven, das ist
auf den wirklichen Besitz an körperlichen und unkörperlichen Sachen, als: Im¬
mobilien, Mobilien, Möveneier, Rechten, Aktivfordcrnngen, Wertpapieren, Baar-
schaften und den in Verwendung sich befindlichen Produktionskosten, als auch
auf den negativen, nämlich den Besitz von Passiver und sonstigen lästigen Ver¬
bindlichkeiten, wozu insbesondre die Ernührnngsverbindlichkeiten gegen die Fa¬
milienangehörigen, nämlich gegen die Ehefrauen, die Aszendentcn und Deszen¬
denten, zu rechnen sind.

Wird die Summe des kapitalisirten negativen Besitzes von dem snmmirten
Kapitalswerte des positiven Besitzes "ut ebenso auch die kapitalisirte, jedem
physischen Steuersubjekte eingeräumte steuerfreie sogenannte Notbedarfsnmme von
etwa 300 Mark oder 600 Mark -- je nachdem nämlich ein fnndirtes oder aber
nur unfnndirtes Bcsitzkapital vorhanden ist -- abgezogen, so füllt die sich dann
ergebende Besteuerungssumme dergestalt mit der Stcuerkraft jedes einzelnen
Steuerpflichtigen zusammen, daß eine gerechtere Steuer als die Besitzsteuer wohl
kaum erdacht werden kann.

Infolge dieser denkbar größten Gerechtigkeit ist aber die Vesitzsteuer auch
härtlich, das heißt dem jeweiligen Staatsbedarfe gemäß erhöhungs- "ut er¬
niedrigungsfähig, und zwar derart, baß sie allen billigen Anforderungen, die
an eine direkte Steuer uur immer gestellt werden können, entsprechen würde,
und daß bei ihrer Einführung alle andern mißliebigen, den Handel und den
Verkehr mitunter sehr belästigenden Auflagen beseitigt oder in der Besitzstcuer
gerecht verteilt werden könnten. Da die Besitzsteuer nur einen einzigen Ver-



*) Näher dargelegt ist dasselbe in der bei F. W. Keppler in Passau erschienenen
Schrift: "Das Besitzsteuersystem, die künftige, einzige direkte Steuerquelle aller Rechts¬
staaten :c."
volkswirtschaftliche Betrachtungen eines Laien.

weil sie eine gleichmäßige Besteuerung, d. h. eine solche uach ein- und dem¬
selben Maßstabe, geradezu ausschließen, und weil sie garnicht unterscheiden, ob
das von ihnen zur Steuer herangezogene Vermögen bereits anderwärts besteuert
ist oder nicht, endlich, weil sie gewöhnlich den minder gut situirter Staats¬
bürger treffen und hierdurch häufig, wie z. B, die in den Prozessen unter¬
liegenden Parteien, ruiniren.

Dagegen glauben wir, daß das zur Milderung und Beseitigung der be¬
denklichen Folgen der unverhältnismäßigen Vermögensverteilung geeignete Mittel
in der Besitzsteuer erblickt werden muß, denn nur das Besitzsteuersystem berück¬
sichtigt alle einzelnen Steuerkräfte derartig, daß Steuerexekutiouen viel seltener
werden müssen als gegenwärtig, und daß erfolglose Steuerexekutiouen kaum
gedacht werden können. Da dieses System noch ziemlich unbekannt und erst in
neuerer Zeit sozusagen entdeckt worden ist, so möge es gestattet sein, es hier
etwas näher zu besprechen.*)

Dieses Steuersystem ist, wie sein Name sagt, auf den Besitz basirt, und
zwar auf den Besitz im allgemeinen, nämlich sowohl auf den positiven, das ist
auf den wirklichen Besitz an körperlichen und unkörperlichen Sachen, als: Im¬
mobilien, Mobilien, Möveneier, Rechten, Aktivfordcrnngen, Wertpapieren, Baar-
schaften und den in Verwendung sich befindlichen Produktionskosten, als auch
auf den negativen, nämlich den Besitz von Passiver und sonstigen lästigen Ver¬
bindlichkeiten, wozu insbesondre die Ernührnngsverbindlichkeiten gegen die Fa¬
milienangehörigen, nämlich gegen die Ehefrauen, die Aszendentcn und Deszen¬
denten, zu rechnen sind.

Wird die Summe des kapitalisirten negativen Besitzes von dem snmmirten
Kapitalswerte des positiven Besitzes »ut ebenso auch die kapitalisirte, jedem
physischen Steuersubjekte eingeräumte steuerfreie sogenannte Notbedarfsnmme von
etwa 300 Mark oder 600 Mark — je nachdem nämlich ein fnndirtes oder aber
nur unfnndirtes Bcsitzkapital vorhanden ist — abgezogen, so füllt die sich dann
ergebende Besteuerungssumme dergestalt mit der Stcuerkraft jedes einzelnen
Steuerpflichtigen zusammen, daß eine gerechtere Steuer als die Besitzsteuer wohl
kaum erdacht werden kann.

Infolge dieser denkbar größten Gerechtigkeit ist aber die Vesitzsteuer auch
härtlich, das heißt dem jeweiligen Staatsbedarfe gemäß erhöhungs- »ut er¬
niedrigungsfähig, und zwar derart, baß sie allen billigen Anforderungen, die
an eine direkte Steuer uur immer gestellt werden können, entsprechen würde,
und daß bei ihrer Einführung alle andern mißliebigen, den Handel und den
Verkehr mitunter sehr belästigenden Auflagen beseitigt oder in der Besitzstcuer
gerecht verteilt werden könnten. Da die Besitzsteuer nur einen einzigen Ver-



*) Näher dargelegt ist dasselbe in der bei F. W. Keppler in Passau erschienenen
Schrift: „Das Besitzsteuersystem, die künftige, einzige direkte Steuerquelle aller Rechts¬
staaten :c."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/420>, abgerufen am 27.09.2024.