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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

mit andern bereits 1850 dem Führer der Armee der Statthalterschaft empfohlen
hatte. Das gleiche Gefühl beseelte ihn, als der zweite Akt, der Feldzug in
Böhmen, folgte. Die Besitznahme Hessens berief ihn noch einmal in eine
öffentliche politische Stellung, er ward auf kurze Zeit, ehe der Oberpräsident
von Möller die Verwaltung des Kurfürstentums übernahm, als Zivilkommissar
nach Kassel geschickt. Nachdem er dann wieder von seinen alten Wählern in
Halle mit ihrer Vertretung im Parlament des norddeutschen Bundes beauftragt
worden war, gab er die unmittelbare Mitwirkung an der Tagespolitik auf und
wandte sich mit erneutem Eifer seinen wissenschaftlichen Studien zu. Daß er
die Verwaltung der Staatsarchive als Generaldirektor übernahm und noch
später sich auch bereit finden ließ, Vorträge über neuere Geschichte an der Kriegs¬
akademie zu halten, war der wissenschaftlichen Beschäftigung nicht hinderlich,
ward vielmehr die Veranlassung, ein bisher immer nur mit Unterbrechungen
betretenes Feld, das der vaterländischen Geschichte, in zusammenhängender Weise
zu bebauen. Die Vorstandschaft in der Archivverwaltung war übrigens keine
Sinekure, da es sich darum handelte, die Anstalten der neuerworbenen Provinzen
in den Gesamtbereich einzufügen, Neubauten ausführen zu lassen, überhaupt eine
Neuorganisation einzuleiten.

Daneben war die Geschichte des Altertums fast Jahr für Jahr um einen
neuen Band weiter geführt worden. Bei der breiten Anlage des Buches mußte
darauf verzichtet werden, anch die Entwicklung Roms in die Peripherie der
Aufgabe hineinzuziehen. Aber es war ihm Herzenssache, wenigstens die Ge¬
schichte der Griechen bis zu einem Punkte zu führen, auf welchem ein Stillstand
sich ertragen ließ. Die Vorsehung hat es ihm gewährt, daß er mit dem Zeit¬
alter des Perikles abschließen konnte. Vielleicht wäre er noch weiter gelangt,
wenn nicht immer neue Auflagen des Werkes neben seinen übrigen Obliegen¬
heiten ihn genötigt hätten, die Segel rückwärts zu wenden und den langen Gang
zu wiederholten malen aufs neue aufzunehmen. Ob er beim Beginn der Arbeit
sich eine Vorstellung davon gemacht hat, daß er den Lesern eine willkommene
und von Jahr zu Jahr eifriger begehrte Gabe bieten werde? Schwerlich.
Anderseits hatte er auch nach dieser Richtung Vertrauen zu dem gleichzeitigen
und kommenden Geschlechte und außerdem Weitblick genug, um vorherzusehen,
daß das Interesse an dem Orient, an Ägypten sich bilden und ausdehnen und
dasjenige an der Griechenwelt sich wiederfinden werde.

Für jenen ersteren Teil des Werkes kam es darauf an, das vielfach zer¬
streute Material der Lepsius, Bunsen, Röth, der Oppcrt, Layard, Movers,
Lassen und Spiegel unter den universalhistorischen Gesichtspunkt zu stellen, die
eigenartige Entwicklung der untergegangnen Volker, wie sie aus den Natur-
bedingungen erwachsen ist und sich nach Religion, Sitte, Staat ausgestaltet hat,
in pragmatischen Zusammenhange darzulegen. Diese gewaltige Arbeit, welche
selbst im ersten Aufriß nur während einer Reihe von Jahren zustande gebracht


Grenzboten IV. 1886. 47
Max Duncker.

mit andern bereits 1850 dem Führer der Armee der Statthalterschaft empfohlen
hatte. Das gleiche Gefühl beseelte ihn, als der zweite Akt, der Feldzug in
Böhmen, folgte. Die Besitznahme Hessens berief ihn noch einmal in eine
öffentliche politische Stellung, er ward auf kurze Zeit, ehe der Oberpräsident
von Möller die Verwaltung des Kurfürstentums übernahm, als Zivilkommissar
nach Kassel geschickt. Nachdem er dann wieder von seinen alten Wählern in
Halle mit ihrer Vertretung im Parlament des norddeutschen Bundes beauftragt
worden war, gab er die unmittelbare Mitwirkung an der Tagespolitik auf und
wandte sich mit erneutem Eifer seinen wissenschaftlichen Studien zu. Daß er
die Verwaltung der Staatsarchive als Generaldirektor übernahm und noch
später sich auch bereit finden ließ, Vorträge über neuere Geschichte an der Kriegs¬
akademie zu halten, war der wissenschaftlichen Beschäftigung nicht hinderlich,
ward vielmehr die Veranlassung, ein bisher immer nur mit Unterbrechungen
betretenes Feld, das der vaterländischen Geschichte, in zusammenhängender Weise
zu bebauen. Die Vorstandschaft in der Archivverwaltung war übrigens keine
Sinekure, da es sich darum handelte, die Anstalten der neuerworbenen Provinzen
in den Gesamtbereich einzufügen, Neubauten ausführen zu lassen, überhaupt eine
Neuorganisation einzuleiten.

Daneben war die Geschichte des Altertums fast Jahr für Jahr um einen
neuen Band weiter geführt worden. Bei der breiten Anlage des Buches mußte
darauf verzichtet werden, anch die Entwicklung Roms in die Peripherie der
Aufgabe hineinzuziehen. Aber es war ihm Herzenssache, wenigstens die Ge¬
schichte der Griechen bis zu einem Punkte zu führen, auf welchem ein Stillstand
sich ertragen ließ. Die Vorsehung hat es ihm gewährt, daß er mit dem Zeit¬
alter des Perikles abschließen konnte. Vielleicht wäre er noch weiter gelangt,
wenn nicht immer neue Auflagen des Werkes neben seinen übrigen Obliegen¬
heiten ihn genötigt hätten, die Segel rückwärts zu wenden und den langen Gang
zu wiederholten malen aufs neue aufzunehmen. Ob er beim Beginn der Arbeit
sich eine Vorstellung davon gemacht hat, daß er den Lesern eine willkommene
und von Jahr zu Jahr eifriger begehrte Gabe bieten werde? Schwerlich.
Anderseits hatte er auch nach dieser Richtung Vertrauen zu dem gleichzeitigen
und kommenden Geschlechte und außerdem Weitblick genug, um vorherzusehen,
daß das Interesse an dem Orient, an Ägypten sich bilden und ausdehnen und
dasjenige an der Griechenwelt sich wiederfinden werde.

Für jenen ersteren Teil des Werkes kam es darauf an, das vielfach zer¬
streute Material der Lepsius, Bunsen, Röth, der Oppcrt, Layard, Movers,
Lassen und Spiegel unter den universalhistorischen Gesichtspunkt zu stellen, die
eigenartige Entwicklung der untergegangnen Volker, wie sie aus den Natur-
bedingungen erwachsen ist und sich nach Religion, Sitte, Staat ausgestaltet hat,
in pragmatischen Zusammenhange darzulegen. Diese gewaltige Arbeit, welche
selbst im ersten Aufriß nur während einer Reihe von Jahren zustande gebracht


Grenzboten IV. 1886. 47
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[0377] Max Duncker. mit andern bereits 1850 dem Führer der Armee der Statthalterschaft empfohlen hatte. Das gleiche Gefühl beseelte ihn, als der zweite Akt, der Feldzug in Böhmen, folgte. Die Besitznahme Hessens berief ihn noch einmal in eine öffentliche politische Stellung, er ward auf kurze Zeit, ehe der Oberpräsident von Möller die Verwaltung des Kurfürstentums übernahm, als Zivilkommissar nach Kassel geschickt. Nachdem er dann wieder von seinen alten Wählern in Halle mit ihrer Vertretung im Parlament des norddeutschen Bundes beauftragt worden war, gab er die unmittelbare Mitwirkung an der Tagespolitik auf und wandte sich mit erneutem Eifer seinen wissenschaftlichen Studien zu. Daß er die Verwaltung der Staatsarchive als Generaldirektor übernahm und noch später sich auch bereit finden ließ, Vorträge über neuere Geschichte an der Kriegs¬ akademie zu halten, war der wissenschaftlichen Beschäftigung nicht hinderlich, ward vielmehr die Veranlassung, ein bisher immer nur mit Unterbrechungen betretenes Feld, das der vaterländischen Geschichte, in zusammenhängender Weise zu bebauen. Die Vorstandschaft in der Archivverwaltung war übrigens keine Sinekure, da es sich darum handelte, die Anstalten der neuerworbenen Provinzen in den Gesamtbereich einzufügen, Neubauten ausführen zu lassen, überhaupt eine Neuorganisation einzuleiten. Daneben war die Geschichte des Altertums fast Jahr für Jahr um einen neuen Band weiter geführt worden. Bei der breiten Anlage des Buches mußte darauf verzichtet werden, anch die Entwicklung Roms in die Peripherie der Aufgabe hineinzuziehen. Aber es war ihm Herzenssache, wenigstens die Ge¬ schichte der Griechen bis zu einem Punkte zu führen, auf welchem ein Stillstand sich ertragen ließ. Die Vorsehung hat es ihm gewährt, daß er mit dem Zeit¬ alter des Perikles abschließen konnte. Vielleicht wäre er noch weiter gelangt, wenn nicht immer neue Auflagen des Werkes neben seinen übrigen Obliegen¬ heiten ihn genötigt hätten, die Segel rückwärts zu wenden und den langen Gang zu wiederholten malen aufs neue aufzunehmen. Ob er beim Beginn der Arbeit sich eine Vorstellung davon gemacht hat, daß er den Lesern eine willkommene und von Jahr zu Jahr eifriger begehrte Gabe bieten werde? Schwerlich. Anderseits hatte er auch nach dieser Richtung Vertrauen zu dem gleichzeitigen und kommenden Geschlechte und außerdem Weitblick genug, um vorherzusehen, daß das Interesse an dem Orient, an Ägypten sich bilden und ausdehnen und dasjenige an der Griechenwelt sich wiederfinden werde. Für jenen ersteren Teil des Werkes kam es darauf an, das vielfach zer¬ streute Material der Lepsius, Bunsen, Röth, der Oppcrt, Layard, Movers, Lassen und Spiegel unter den universalhistorischen Gesichtspunkt zu stellen, die eigenartige Entwicklung der untergegangnen Volker, wie sie aus den Natur- bedingungen erwachsen ist und sich nach Religion, Sitte, Staat ausgestaltet hat, in pragmatischen Zusammenhange darzulegen. Diese gewaltige Arbeit, welche selbst im ersten Aufriß nur während einer Reihe von Jahren zustande gebracht Grenzboten IV. 1886. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/377>, abgerufen am 27.09.2024.