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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

erste Heft den Aufsatz "Preußen und England" geliefert. Wie weit nun jetzt,
nachdem er als Geh. Regierungsrat zur Berichterstattung über die Presse nach
Berlin berufen war, sein Einfluß sich erstreckte, wird im Augenblicke noch uicht
zu sagen sein; daß er oft und über die wichtigsten Angelegenheiten um seine
Meinung befragt ward, bedarf keiner Versicherung. Wohl aber ist hier die
Bemerkung am Orte, daß sich von dieser Zeit an, wenn auch nur leise und
sehr allmählich, eine Trennung von seinen alten parlamentarischen Genossen
vollzog. Nicht daß er die Grundsätze, deren treuer und warmer Verfechter er
so lange gewesen war, preisgegeben hätte; nicht auch und noch viel weniger,
daß er als Beamter die Dinge von andern Gesichtspunkten angesehen hätte als
vormals: es war die Armeerevrganisation, welche die alten Fäden zwar nicht
zerschnitt, wohl aber lockerte. Er war der festen Überzeugung, daß ohne die
Umgestaltung in der Militärverfafsuug die Führerschaft Preußens in Deutsch¬
land eine Unmöglichkeit sei, und du er schwere Verwicklungen und Kämpfe vor-
aussah, so wirkte er für dieselbe, wo und wie er konnte. So viel war ihm
doch die Doktrin nicht wert, daß er um ihretwillen die Einheit und Größe des
Vaterlandes hätte zurücktreten lassen mögen; stellten seine Freunde die Autorität
der parlamentarischen Körperschaften höher als diese, so war er genötigt, andre
Wege zu gehen als sie. Der Gang der Begebenheiten hat ihm Recht gegeben.
Von denselben Voraussetzungen aus beurteilte er den Nationalvercin; mochte
er ein noch so brauchbarer Bundesgenosse sein: die Hauptsache konnte allein,
ja mußte durch die Regierung gethan werden. Dies war wieder ein Punkt,
in welchem er sich mit seinem Freunde Mathy traf. So ist er denn weder
erschreckt noch befremdet gewesen, als die Leitung der Geschäfte in die Hände
des Mannes überging, der den Knoten zerhieb, ja seine innere Stellung zu
Vismarck ward sehr bald von einer positiven Empfindung, von Bewunderung
vor der einsichtsvollen Kraft desselben bestimmt. Und wer den achten Band
der Geschichte des Altertums geuau gelesen hat, wird sich kaum dem Eindrucke ent¬
ziehen können, daß die schöne Zeichnung und richtige Würdigung des Themistokles
deswegen so gelungen ist, weil der Verfasser in dem Befreier von der öster¬
reichischen Übermacht und dem Einiger der protestantischen Staaten Deutschlands
manche Züge wiederfand, welche er auch in dem großen Athener zu erkennen
glaubte.

Der Rücktritt des Ministeriums Auerswald hatte zur Folge gehabt, daß
auch Duncker sein peinliches Amt niederlegte; er wurde als vortragender Rat
in die nächste Nähe des Kronprinzen berufen. Wie es sich nicht ziemen würde,
so würde es auch schwer sein, über seine nunmehrige Wirksamkeit zu reden;
dergleichen Verhältnisse entziehen sich dem Auge der Außenwelt. Anderseits
wissen wir, mit welcher Herzenserhebung er den Lauf der Dinge in Schleswig
verfolgte und wie er dabei die Genugthuung haben durfte, daß der Übergang
über die Schlei bis Amis eine Bewegung zur Ausführung brachte, welche er


Max Duncker.

erste Heft den Aufsatz „Preußen und England" geliefert. Wie weit nun jetzt,
nachdem er als Geh. Regierungsrat zur Berichterstattung über die Presse nach
Berlin berufen war, sein Einfluß sich erstreckte, wird im Augenblicke noch uicht
zu sagen sein; daß er oft und über die wichtigsten Angelegenheiten um seine
Meinung befragt ward, bedarf keiner Versicherung. Wohl aber ist hier die
Bemerkung am Orte, daß sich von dieser Zeit an, wenn auch nur leise und
sehr allmählich, eine Trennung von seinen alten parlamentarischen Genossen
vollzog. Nicht daß er die Grundsätze, deren treuer und warmer Verfechter er
so lange gewesen war, preisgegeben hätte; nicht auch und noch viel weniger,
daß er als Beamter die Dinge von andern Gesichtspunkten angesehen hätte als
vormals: es war die Armeerevrganisation, welche die alten Fäden zwar nicht
zerschnitt, wohl aber lockerte. Er war der festen Überzeugung, daß ohne die
Umgestaltung in der Militärverfafsuug die Führerschaft Preußens in Deutsch¬
land eine Unmöglichkeit sei, und du er schwere Verwicklungen und Kämpfe vor-
aussah, so wirkte er für dieselbe, wo und wie er konnte. So viel war ihm
doch die Doktrin nicht wert, daß er um ihretwillen die Einheit und Größe des
Vaterlandes hätte zurücktreten lassen mögen; stellten seine Freunde die Autorität
der parlamentarischen Körperschaften höher als diese, so war er genötigt, andre
Wege zu gehen als sie. Der Gang der Begebenheiten hat ihm Recht gegeben.
Von denselben Voraussetzungen aus beurteilte er den Nationalvercin; mochte
er ein noch so brauchbarer Bundesgenosse sein: die Hauptsache konnte allein,
ja mußte durch die Regierung gethan werden. Dies war wieder ein Punkt,
in welchem er sich mit seinem Freunde Mathy traf. So ist er denn weder
erschreckt noch befremdet gewesen, als die Leitung der Geschäfte in die Hände
des Mannes überging, der den Knoten zerhieb, ja seine innere Stellung zu
Vismarck ward sehr bald von einer positiven Empfindung, von Bewunderung
vor der einsichtsvollen Kraft desselben bestimmt. Und wer den achten Band
der Geschichte des Altertums geuau gelesen hat, wird sich kaum dem Eindrucke ent¬
ziehen können, daß die schöne Zeichnung und richtige Würdigung des Themistokles
deswegen so gelungen ist, weil der Verfasser in dem Befreier von der öster¬
reichischen Übermacht und dem Einiger der protestantischen Staaten Deutschlands
manche Züge wiederfand, welche er auch in dem großen Athener zu erkennen
glaubte.

Der Rücktritt des Ministeriums Auerswald hatte zur Folge gehabt, daß
auch Duncker sein peinliches Amt niederlegte; er wurde als vortragender Rat
in die nächste Nähe des Kronprinzen berufen. Wie es sich nicht ziemen würde,
so würde es auch schwer sein, über seine nunmehrige Wirksamkeit zu reden;
dergleichen Verhältnisse entziehen sich dem Auge der Außenwelt. Anderseits
wissen wir, mit welcher Herzenserhebung er den Lauf der Dinge in Schleswig
verfolgte und wie er dabei die Genugthuung haben durfte, daß der Übergang
über die Schlei bis Amis eine Bewegung zur Ausführung brachte, welche er


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[0376] Max Duncker. erste Heft den Aufsatz „Preußen und England" geliefert. Wie weit nun jetzt, nachdem er als Geh. Regierungsrat zur Berichterstattung über die Presse nach Berlin berufen war, sein Einfluß sich erstreckte, wird im Augenblicke noch uicht zu sagen sein; daß er oft und über die wichtigsten Angelegenheiten um seine Meinung befragt ward, bedarf keiner Versicherung. Wohl aber ist hier die Bemerkung am Orte, daß sich von dieser Zeit an, wenn auch nur leise und sehr allmählich, eine Trennung von seinen alten parlamentarischen Genossen vollzog. Nicht daß er die Grundsätze, deren treuer und warmer Verfechter er so lange gewesen war, preisgegeben hätte; nicht auch und noch viel weniger, daß er als Beamter die Dinge von andern Gesichtspunkten angesehen hätte als vormals: es war die Armeerevrganisation, welche die alten Fäden zwar nicht zerschnitt, wohl aber lockerte. Er war der festen Überzeugung, daß ohne die Umgestaltung in der Militärverfafsuug die Führerschaft Preußens in Deutsch¬ land eine Unmöglichkeit sei, und du er schwere Verwicklungen und Kämpfe vor- aussah, so wirkte er für dieselbe, wo und wie er konnte. So viel war ihm doch die Doktrin nicht wert, daß er um ihretwillen die Einheit und Größe des Vaterlandes hätte zurücktreten lassen mögen; stellten seine Freunde die Autorität der parlamentarischen Körperschaften höher als diese, so war er genötigt, andre Wege zu gehen als sie. Der Gang der Begebenheiten hat ihm Recht gegeben. Von denselben Voraussetzungen aus beurteilte er den Nationalvercin; mochte er ein noch so brauchbarer Bundesgenosse sein: die Hauptsache konnte allein, ja mußte durch die Regierung gethan werden. Dies war wieder ein Punkt, in welchem er sich mit seinem Freunde Mathy traf. So ist er denn weder erschreckt noch befremdet gewesen, als die Leitung der Geschäfte in die Hände des Mannes überging, der den Knoten zerhieb, ja seine innere Stellung zu Vismarck ward sehr bald von einer positiven Empfindung, von Bewunderung vor der einsichtsvollen Kraft desselben bestimmt. Und wer den achten Band der Geschichte des Altertums geuau gelesen hat, wird sich kaum dem Eindrucke ent¬ ziehen können, daß die schöne Zeichnung und richtige Würdigung des Themistokles deswegen so gelungen ist, weil der Verfasser in dem Befreier von der öster¬ reichischen Übermacht und dem Einiger der protestantischen Staaten Deutschlands manche Züge wiederfand, welche er auch in dem großen Athener zu erkennen glaubte. Der Rücktritt des Ministeriums Auerswald hatte zur Folge gehabt, daß auch Duncker sein peinliches Amt niederlegte; er wurde als vortragender Rat in die nächste Nähe des Kronprinzen berufen. Wie es sich nicht ziemen würde, so würde es auch schwer sein, über seine nunmehrige Wirksamkeit zu reden; dergleichen Verhältnisse entziehen sich dem Auge der Außenwelt. Anderseits wissen wir, mit welcher Herzenserhebung er den Lauf der Dinge in Schleswig verfolgte und wie er dabei die Genugthuung haben durfte, daß der Übergang über die Schlei bis Amis eine Bewegung zur Ausführung brachte, welche er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/376>, abgerufen am 20.10.2024.