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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

Punkt eines ausgewählten Kreises der Hallischen Gesellschaft, es ward Musik
gepflegt, von jeder neuen bedeutenden literarischen Erscheinung Kenntnis ge¬
nommen, und nicht selten trug auch der Besuch eines Freundes aus der Ferne
dazu bei, Abwechslung und Erfrischung in den Kreis zu bringen, der wohl ein
gewählter, besondrer, nicht jedoch ein enger war; in letzterer Zeit war auch der
neue Oberbürgermeister der Stadt, v. Voß, in denselben eingetreten. Ebenso
wenig ging die gute Laune, die Freude an der Harmlosigkeit, die Empfänglichkeit
für jeden Beweis selbständigen wissenschaftlichen Strebens oder für die Regungen
guten, liebenswürdigen Empfindens verloren. Gar mancher hat die Abend¬
stunden in dem Hause, das die Frau in aller Einfachheit angenehm für die
Gäste zu verwalten verstand, oder die Spaziergänge, auf welchen alle möglichen
Fragen bald gestreift, bald gründlich erörtert wurden, in dankbarem Andenken
behalten. Und wenn der Lehrer der Geschichte keine Schule gegründet hat, wie
es um dieselbe Zeit sein Altersgenosse Waitz in Göttingen that, so war sein
Absehen auch nicht darauf gerichtet. War nicht seine Geschichtsauffassung eine
zu universelle, und lagen nicht die Gebiete, denen er besondre Teilnahme zu¬
wandte, zu weit auseinander, als daß er sich hätte bemühen sollen, seine Zu¬
hörer auf das methodische Anfassen von Einzelheiten einzuüben?

Wie die Dinge in Halle und Berlin lagen, konnte er eine Besserung seiner
Amtsvcrhältnisse vorderhand nicht erwarten. Er entschloß sich, 1357 einer
Berufung nach Tübingen als Mitglied der staatswissenschaftlicher Fakultät Folge
zu geben. Daß er den heimatlichen Boden gern verlassen hätte, wird man
nicht annehmen, und indem er ging, that er dies doch wohl nur in der Vor¬
aussicht, daß sich irgendwie eine Gelegenheit zur Rückkehr in sein Preußen
bieten würde. Er wird in Schwaben das Prenßentum nicht verleugnet haben,
doch schadete ihm das Bekennen desselben nicht, vielmehr kam man ihm aller¬
seits freundlich entgegen, und zu manchem echten Schwaben fanden sich bald
die nächsten Beziehungen, wie zu Uhland, Karl Mayer, Klüpfel, Baur und
Holland, und auch von den jüngern wußte er wie in Halle manche fester an
sich zu ziehen, wie namentlich Schmoller. Aber in den großen Ferien 1858
war er doch wieder in Elgersburg. Zog ihn der Ort, oder that auch die Nähe
der alten Heimat ihr Teil?

Nun stand der Umschwung der Dinge in Berlin bevor. Der November
1858 führte den Prinzregenten an die Spitze der Staatsgeschäfte. Daß die
Partei, welche dem Ministerium Manteuffel in dem Preußischen Wochenblatte
entgegengestanden hatte, zur Teilnahme an denselben berufen wurde, verstand
sich von selbst, bald jedoch traten auch die mehr nach links stehenden Führer
der nationalen Partei in das Ministerium Hohenzollern ein. Diese hatten sich
eben vorher in den Preußischen Jahrbüchern ein selbständiges Organ gegründet,
Hahn als Redakteur, Georg Reimer als Verleger gewonnen; und Duncker hatte
seine Feder den alten Freunden bereitwillig zu Diensten gestellt, gleich in das


Max Duncker.

Punkt eines ausgewählten Kreises der Hallischen Gesellschaft, es ward Musik
gepflegt, von jeder neuen bedeutenden literarischen Erscheinung Kenntnis ge¬
nommen, und nicht selten trug auch der Besuch eines Freundes aus der Ferne
dazu bei, Abwechslung und Erfrischung in den Kreis zu bringen, der wohl ein
gewählter, besondrer, nicht jedoch ein enger war; in letzterer Zeit war auch der
neue Oberbürgermeister der Stadt, v. Voß, in denselben eingetreten. Ebenso
wenig ging die gute Laune, die Freude an der Harmlosigkeit, die Empfänglichkeit
für jeden Beweis selbständigen wissenschaftlichen Strebens oder für die Regungen
guten, liebenswürdigen Empfindens verloren. Gar mancher hat die Abend¬
stunden in dem Hause, das die Frau in aller Einfachheit angenehm für die
Gäste zu verwalten verstand, oder die Spaziergänge, auf welchen alle möglichen
Fragen bald gestreift, bald gründlich erörtert wurden, in dankbarem Andenken
behalten. Und wenn der Lehrer der Geschichte keine Schule gegründet hat, wie
es um dieselbe Zeit sein Altersgenosse Waitz in Göttingen that, so war sein
Absehen auch nicht darauf gerichtet. War nicht seine Geschichtsauffassung eine
zu universelle, und lagen nicht die Gebiete, denen er besondre Teilnahme zu¬
wandte, zu weit auseinander, als daß er sich hätte bemühen sollen, seine Zu¬
hörer auf das methodische Anfassen von Einzelheiten einzuüben?

Wie die Dinge in Halle und Berlin lagen, konnte er eine Besserung seiner
Amtsvcrhältnisse vorderhand nicht erwarten. Er entschloß sich, 1357 einer
Berufung nach Tübingen als Mitglied der staatswissenschaftlicher Fakultät Folge
zu geben. Daß er den heimatlichen Boden gern verlassen hätte, wird man
nicht annehmen, und indem er ging, that er dies doch wohl nur in der Vor¬
aussicht, daß sich irgendwie eine Gelegenheit zur Rückkehr in sein Preußen
bieten würde. Er wird in Schwaben das Prenßentum nicht verleugnet haben,
doch schadete ihm das Bekennen desselben nicht, vielmehr kam man ihm aller¬
seits freundlich entgegen, und zu manchem echten Schwaben fanden sich bald
die nächsten Beziehungen, wie zu Uhland, Karl Mayer, Klüpfel, Baur und
Holland, und auch von den jüngern wußte er wie in Halle manche fester an
sich zu ziehen, wie namentlich Schmoller. Aber in den großen Ferien 1858
war er doch wieder in Elgersburg. Zog ihn der Ort, oder that auch die Nähe
der alten Heimat ihr Teil?

Nun stand der Umschwung der Dinge in Berlin bevor. Der November
1858 führte den Prinzregenten an die Spitze der Staatsgeschäfte. Daß die
Partei, welche dem Ministerium Manteuffel in dem Preußischen Wochenblatte
entgegengestanden hatte, zur Teilnahme an denselben berufen wurde, verstand
sich von selbst, bald jedoch traten auch die mehr nach links stehenden Führer
der nationalen Partei in das Ministerium Hohenzollern ein. Diese hatten sich
eben vorher in den Preußischen Jahrbüchern ein selbständiges Organ gegründet,
Hahn als Redakteur, Georg Reimer als Verleger gewonnen; und Duncker hatte
seine Feder den alten Freunden bereitwillig zu Diensten gestellt, gleich in das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/375>, abgerufen am 20.10.2024.