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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Mcix ZZnncker.

Vaterlandsliebe sich gleich geblieben war, so ist es die Zierde derselben, daß sie
auch völlig uneigennützig und rein war. An seine Persönliche Stellung, an seine
Zukunft hatte er bei allem, was er unternahm, am wenigsten gedacht, hatte sie
vielmehr dafür zum Einsatz gegeben. Das ist der Zug, welcher ihn schon seit
Frankfurt in naher und fortan in immer näherer Freundschaft mit Mathy
verband.

In Halle hatte er seine historischen und politischen Vorlesungen wieder
aufgenommen und mir dann unterbrochen, wenn er als Abgeordneter seinen Platz
in der zweiten Kammer neben den alten politischen Freunden, die nun mit
ihm wieder in den Gegensatz zu dem Ministerium gedrängt waren, einnahm.
Zugleich erschien eben jetzt, 1852, der erste Band seiner Geschichte des Altertums,
der die Ägypter und Semiten, im folgende" Jahre der zweite Band, welcher
die Inder, Baktrer, Meter und Perser bis auf Darius behandelte. Schon im
Sommer 1840, also bereits vor den weittragenden Entdeckungen, welche neues
Licht über das Land am Nil und den Orient verbreiteten, hatte er alte Geschichte
von dem umfassenden Gesichtspunkte ans gelesen, die Bildung der östlichen alten
Welt im Zusammenhange darzustellen. Seine Arbeiten auf diesem Gebiete
hatten auch während der politischen Thätigkeit in den Sturmjahren nicht geruht,
und war in den Anfangsvorlcsungen der Blick mehr auf die Gesamtkonstruktion
gerichtet gewesen, so war immer mehr auch die Detailforschung hinzugekommen und
hatte für das eine Änderungen der Anschauung herbeigeführt, für das andre
die Bestätigung des Urteils gebracht. Er hatte die Aufgabe in einer Aus¬
dehnung und Allseitigkeit erfaßt, wie noch niemand vor ihm; die Länge der
Vorbereitung war der Reife der Vollendung zu Gute gekommen. Das Werk
ward mit dem Beifall begrüßt, den es verdiente; selbst seine politischen Gegner
konnten sich der Anerkennung nicht entziehen, wenn sie auch einigermaßen darüber
verwundert sein mochten, daß der Mann, welcher nur für die Gestaltung der
Gegenwart oder der nächsten Zukunft zu wirken schien, die Elastizität des Geistes
zeigte, sich in der Stille in die fernste Vergangenheit zu versenken und sich eine
so völlige Beherrschung der verschiedensten Gebiete anzueignen.

Allein es blieb ans, was er mit vollem Fug erwarten durfte, die Be¬
förderung zum ordentliche" Professor. Wie hätte die damalige Verwaltung des
Unterrichtswesens, die ohnehin unter den Professoren nur eine spärliche Zahl
von Anhängern hatte, einen Mann in das Generalkonzil der Höllischem Uni¬
versität eintreten lassen können, der kurz vorher der gesamten Regierung den
Absagebrief der "Vier Monate" geschrieben hatte? So wurden denn die
nächsten Jahre in Halle zwar in ungestörter Arbeit für die folgenden Bände
der Altcrtumsgeschichte, doch auch mit einer gewissen Resignation verlebt. Nur
allerdings nicht ohne den Verkehr mit den alten und mit neugewonnenen
Freunden, und nicht ohne Vertrauen auf den endlichen Sieg der guten Sache
wie in ungebrochener Hoffnung. Wieder ward das Haus Duncker der Mittel-


Mcix ZZnncker.

Vaterlandsliebe sich gleich geblieben war, so ist es die Zierde derselben, daß sie
auch völlig uneigennützig und rein war. An seine Persönliche Stellung, an seine
Zukunft hatte er bei allem, was er unternahm, am wenigsten gedacht, hatte sie
vielmehr dafür zum Einsatz gegeben. Das ist der Zug, welcher ihn schon seit
Frankfurt in naher und fortan in immer näherer Freundschaft mit Mathy
verband.

In Halle hatte er seine historischen und politischen Vorlesungen wieder
aufgenommen und mir dann unterbrochen, wenn er als Abgeordneter seinen Platz
in der zweiten Kammer neben den alten politischen Freunden, die nun mit
ihm wieder in den Gegensatz zu dem Ministerium gedrängt waren, einnahm.
Zugleich erschien eben jetzt, 1852, der erste Band seiner Geschichte des Altertums,
der die Ägypter und Semiten, im folgende» Jahre der zweite Band, welcher
die Inder, Baktrer, Meter und Perser bis auf Darius behandelte. Schon im
Sommer 1840, also bereits vor den weittragenden Entdeckungen, welche neues
Licht über das Land am Nil und den Orient verbreiteten, hatte er alte Geschichte
von dem umfassenden Gesichtspunkte ans gelesen, die Bildung der östlichen alten
Welt im Zusammenhange darzustellen. Seine Arbeiten auf diesem Gebiete
hatten auch während der politischen Thätigkeit in den Sturmjahren nicht geruht,
und war in den Anfangsvorlcsungen der Blick mehr auf die Gesamtkonstruktion
gerichtet gewesen, so war immer mehr auch die Detailforschung hinzugekommen und
hatte für das eine Änderungen der Anschauung herbeigeführt, für das andre
die Bestätigung des Urteils gebracht. Er hatte die Aufgabe in einer Aus¬
dehnung und Allseitigkeit erfaßt, wie noch niemand vor ihm; die Länge der
Vorbereitung war der Reife der Vollendung zu Gute gekommen. Das Werk
ward mit dem Beifall begrüßt, den es verdiente; selbst seine politischen Gegner
konnten sich der Anerkennung nicht entziehen, wenn sie auch einigermaßen darüber
verwundert sein mochten, daß der Mann, welcher nur für die Gestaltung der
Gegenwart oder der nächsten Zukunft zu wirken schien, die Elastizität des Geistes
zeigte, sich in der Stille in die fernste Vergangenheit zu versenken und sich eine
so völlige Beherrschung der verschiedensten Gebiete anzueignen.

Allein es blieb ans, was er mit vollem Fug erwarten durfte, die Be¬
förderung zum ordentliche» Professor. Wie hätte die damalige Verwaltung des
Unterrichtswesens, die ohnehin unter den Professoren nur eine spärliche Zahl
von Anhängern hatte, einen Mann in das Generalkonzil der Höllischem Uni¬
versität eintreten lassen können, der kurz vorher der gesamten Regierung den
Absagebrief der „Vier Monate" geschrieben hatte? So wurden denn die
nächsten Jahre in Halle zwar in ungestörter Arbeit für die folgenden Bände
der Altcrtumsgeschichte, doch auch mit einer gewissen Resignation verlebt. Nur
allerdings nicht ohne den Verkehr mit den alten und mit neugewonnenen
Freunden, und nicht ohne Vertrauen auf den endlichen Sieg der guten Sache
wie in ungebrochener Hoffnung. Wieder ward das Haus Duncker der Mittel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/374>, abgerufen am 20.10.2024.