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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

That gelang es, nicht nur in Halle den Weg der Mäßigung vorzuzeichne";
auch die übrigen Teile der Provinz, soweit sie ihre Losung von der Universität
holten, blieben mit wenigen Ausnahmen in demselben Gleise. Duncker selbst
ward im Sanlkreise mit überwiegender Majorität zum Abgeordneten nach
Frankfurt gewählt, für andre Kreise wurden seiue Freunde Schwarz, Hansen,
Schwetschke empfohlen und angenommen, selbst die Wahl des Abgeordneten für
Wanzleben, Gervinus, vollzog sich auf den Vorschlag von Halle aus.

Daß er in Frankfurt der sogenannten Weidenbuschpartei angehörte, ist be¬
kannt. Auf der Rednerbühne erschien er selten, war aber desto eifriger in den
Veratungen der Partei thätig. Um diese Zeit wird er Droysen näher getreten
sein. Dieser schien damals seine direkte politische Wirksamkeit abzuschließen, nur
daß eben in derselben Zeit dasjenige Buch vorbereitet ward, das für die Belebung
des preußische,, Staatsbcwußtseius in den Kreisen der Gebildeten fruchtbar ge¬
wesen ist wie kein andres; für Duncker hob die Periode des unmittelbaren Ein¬
greifens in die Gestaltung des vaterländischen Staates erst an. Er hat die
Geschicke der Frankfurter Abgeordneten, welche die Aufrichtung der preußischen
Suprematie herbeizuführen suchten, geteilt, ist an dem Tage in Gotha zugegen
gewesen, wo er den Vorsitz in der Versammlung führte, hat dann auch in Erfurt
nicht gefehlt. In der Überzeugung aber, daß mit der Schleswig-holsteinischen
Frage die andre über die Machtstellung Preußens in Deutschland auf das engste
zusammenhänge, begab er sich im Herbst 1850 selbst in die Herzogtümer; in
Kiel und Rendsburg hat er mit seinem Rate und seiner Thätigkeit der schwer
bedrängten Statthalterschaft zur Seite gestanden. Als er dann nach Berlin
zu gehen hatte, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen, hat er zwar das
Verhängnis, das über Kurhessen, in welchem die Macht Hasscnpslugs hergestellt
war, und über die Herzogtümer, die an Dänemark ausgeliefert wurden, hereinbrach,
nicht aufzuhalten vermocht; aber wenigstens haben die "Vier Monate auswärtiger
Politik," jene glänzende Staatsschrift von seiner Hand, den Einfluß gehabt, daß
die schweren Fehler des Ministeriums Manteuffel -- mau kann sagen -- von
allen Seiten erkannt und eine endliche Abrechnung mit Österreich, wenn sie auch
jetzt vertagt werden mußte, als eine Notwendigkeit angesehen wurde.

War er der Oppositionsmaun, der er in den vierziger Jahren gewesen war,
geblieben? Ja und nein. Er ist wie früher der glühende Patriot, der sich sein
zu Großem berufenes engeres und weiteres Vaterland nicht denken kann, nicht
denken will, ohne daß er seine hohen Aufgaben erfüllt, der warnt und zürnt,
wenn er Wege beschreiten sieht, die in die Irre führen, der jedoch zu hoffen und
^ben deshalb zu sorgen nicht müde wird. Anderseits verhehlte er sich nicht, daß
u> den vormärzlichen Regungen viel Trübes und Unklares gewesen war; die
Ziele waren klarer, weil beschränkter, geworden, und der Mann selbst, der jetzt
in der Vollkraft seines Lebens stand, weitaus gereifter. Sichtbnrlich war eine
Änderung in der Methode der politischen Arbeit eingetreten. Wie indessen die


Max Duncker.

That gelang es, nicht nur in Halle den Weg der Mäßigung vorzuzeichne»;
auch die übrigen Teile der Provinz, soweit sie ihre Losung von der Universität
holten, blieben mit wenigen Ausnahmen in demselben Gleise. Duncker selbst
ward im Sanlkreise mit überwiegender Majorität zum Abgeordneten nach
Frankfurt gewählt, für andre Kreise wurden seiue Freunde Schwarz, Hansen,
Schwetschke empfohlen und angenommen, selbst die Wahl des Abgeordneten für
Wanzleben, Gervinus, vollzog sich auf den Vorschlag von Halle aus.

Daß er in Frankfurt der sogenannten Weidenbuschpartei angehörte, ist be¬
kannt. Auf der Rednerbühne erschien er selten, war aber desto eifriger in den
Veratungen der Partei thätig. Um diese Zeit wird er Droysen näher getreten
sein. Dieser schien damals seine direkte politische Wirksamkeit abzuschließen, nur
daß eben in derselben Zeit dasjenige Buch vorbereitet ward, das für die Belebung
des preußische,, Staatsbcwußtseius in den Kreisen der Gebildeten fruchtbar ge¬
wesen ist wie kein andres; für Duncker hob die Periode des unmittelbaren Ein¬
greifens in die Gestaltung des vaterländischen Staates erst an. Er hat die
Geschicke der Frankfurter Abgeordneten, welche die Aufrichtung der preußischen
Suprematie herbeizuführen suchten, geteilt, ist an dem Tage in Gotha zugegen
gewesen, wo er den Vorsitz in der Versammlung führte, hat dann auch in Erfurt
nicht gefehlt. In der Überzeugung aber, daß mit der Schleswig-holsteinischen
Frage die andre über die Machtstellung Preußens in Deutschland auf das engste
zusammenhänge, begab er sich im Herbst 1850 selbst in die Herzogtümer; in
Kiel und Rendsburg hat er mit seinem Rate und seiner Thätigkeit der schwer
bedrängten Statthalterschaft zur Seite gestanden. Als er dann nach Berlin
zu gehen hatte, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen, hat er zwar das
Verhängnis, das über Kurhessen, in welchem die Macht Hasscnpslugs hergestellt
war, und über die Herzogtümer, die an Dänemark ausgeliefert wurden, hereinbrach,
nicht aufzuhalten vermocht; aber wenigstens haben die „Vier Monate auswärtiger
Politik," jene glänzende Staatsschrift von seiner Hand, den Einfluß gehabt, daß
die schweren Fehler des Ministeriums Manteuffel — mau kann sagen — von
allen Seiten erkannt und eine endliche Abrechnung mit Österreich, wenn sie auch
jetzt vertagt werden mußte, als eine Notwendigkeit angesehen wurde.

War er der Oppositionsmaun, der er in den vierziger Jahren gewesen war,
geblieben? Ja und nein. Er ist wie früher der glühende Patriot, der sich sein
zu Großem berufenes engeres und weiteres Vaterland nicht denken kann, nicht
denken will, ohne daß er seine hohen Aufgaben erfüllt, der warnt und zürnt,
wenn er Wege beschreiten sieht, die in die Irre führen, der jedoch zu hoffen und
^ben deshalb zu sorgen nicht müde wird. Anderseits verhehlte er sich nicht, daß
u> den vormärzlichen Regungen viel Trübes und Unklares gewesen war; die
Ziele waren klarer, weil beschränkter, geworden, und der Mann selbst, der jetzt
in der Vollkraft seines Lebens stand, weitaus gereifter. Sichtbnrlich war eine
Änderung in der Methode der politischen Arbeit eingetreten. Wie indessen die


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[0373] Max Duncker. That gelang es, nicht nur in Halle den Weg der Mäßigung vorzuzeichne»; auch die übrigen Teile der Provinz, soweit sie ihre Losung von der Universität holten, blieben mit wenigen Ausnahmen in demselben Gleise. Duncker selbst ward im Sanlkreise mit überwiegender Majorität zum Abgeordneten nach Frankfurt gewählt, für andre Kreise wurden seiue Freunde Schwarz, Hansen, Schwetschke empfohlen und angenommen, selbst die Wahl des Abgeordneten für Wanzleben, Gervinus, vollzog sich auf den Vorschlag von Halle aus. Daß er in Frankfurt der sogenannten Weidenbuschpartei angehörte, ist be¬ kannt. Auf der Rednerbühne erschien er selten, war aber desto eifriger in den Veratungen der Partei thätig. Um diese Zeit wird er Droysen näher getreten sein. Dieser schien damals seine direkte politische Wirksamkeit abzuschließen, nur daß eben in derselben Zeit dasjenige Buch vorbereitet ward, das für die Belebung des preußische,, Staatsbcwußtseius in den Kreisen der Gebildeten fruchtbar ge¬ wesen ist wie kein andres; für Duncker hob die Periode des unmittelbaren Ein¬ greifens in die Gestaltung des vaterländischen Staates erst an. Er hat die Geschicke der Frankfurter Abgeordneten, welche die Aufrichtung der preußischen Suprematie herbeizuführen suchten, geteilt, ist an dem Tage in Gotha zugegen gewesen, wo er den Vorsitz in der Versammlung führte, hat dann auch in Erfurt nicht gefehlt. In der Überzeugung aber, daß mit der Schleswig-holsteinischen Frage die andre über die Machtstellung Preußens in Deutschland auf das engste zusammenhänge, begab er sich im Herbst 1850 selbst in die Herzogtümer; in Kiel und Rendsburg hat er mit seinem Rate und seiner Thätigkeit der schwer bedrängten Statthalterschaft zur Seite gestanden. Als er dann nach Berlin zu gehen hatte, um seinen Platz als Abgeordneter einzunehmen, hat er zwar das Verhängnis, das über Kurhessen, in welchem die Macht Hasscnpslugs hergestellt war, und über die Herzogtümer, die an Dänemark ausgeliefert wurden, hereinbrach, nicht aufzuhalten vermocht; aber wenigstens haben die „Vier Monate auswärtiger Politik," jene glänzende Staatsschrift von seiner Hand, den Einfluß gehabt, daß die schweren Fehler des Ministeriums Manteuffel — mau kann sagen — von allen Seiten erkannt und eine endliche Abrechnung mit Österreich, wenn sie auch jetzt vertagt werden mußte, als eine Notwendigkeit angesehen wurde. War er der Oppositionsmaun, der er in den vierziger Jahren gewesen war, geblieben? Ja und nein. Er ist wie früher der glühende Patriot, der sich sein zu Großem berufenes engeres und weiteres Vaterland nicht denken kann, nicht denken will, ohne daß er seine hohen Aufgaben erfüllt, der warnt und zürnt, wenn er Wege beschreiten sieht, die in die Irre führen, der jedoch zu hoffen und ^ben deshalb zu sorgen nicht müde wird. Anderseits verhehlte er sich nicht, daß u> den vormärzlichen Regungen viel Trübes und Unklares gewesen war; die Ziele waren klarer, weil beschränkter, geworden, und der Mann selbst, der jetzt in der Vollkraft seines Lebens stand, weitaus gereifter. Sichtbnrlich war eine Änderung in der Methode der politischen Arbeit eingetreten. Wie indessen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/373>, abgerufen am 20.10.2024.