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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Mcix Duncker.

die Leitung der Historischen Gesellschaft zu übernehmen, so durfte der im An¬
fange der dreißiger Jahre stehende außerordentliche Professor mit der Stellung
welche er an der Universität, in der Stadt und bald auch in der Provinz ein¬
nahm, zufrieden sein. Seine Vorlesungen bezogen sich übrigens nicht nur auf
die alte Geschichte, sondern dehnten sich auch bald auf die Reformationszeit wie
auf die neuere Zeit aus. Aber es trat noch ein Andres. Besseres hinzu, was
ihm Halle so wert machte, daß er diesen Ort bis in die letzten Lebenstage als
seine zweite Heimat ansehen lernte, seine Verheiratung mit der ältesten Tochter
des Dr. Guticke, die nun an allem, was ihn beschäftigte und bewegte, den
vollsten Anteil nahm. Wie viele haben in dem Hause an der alten Promenade,
das sich nun den jünger" Freunden öffnete, Belehrung, Anregung, freundliches
Willkommen gefunden: Haym, Hinrichs, Albr. Ritschl, Korse. Rößler, Osterwald,
Baumgarten, Rich. v. Vardeleben und Robert Franz.

Inzwischen hatte sich die Unzufriedenheit mit den Beschränkungen der
Zensur, mit den verletzenden Maßregeln des Eichhvrnschen Regiments gesteigert,
selbst durch die außerordentliche Generalsynode des Jahres 1846 war kein
frischer Luftzug in die bange Schwüle gebracht worden. Den protestantischen
Freunden gehörten die meisten Laien an, welche sich überhaupt um die kirch¬
lichem Dinge kümmerten. Auch Duncker hat dieser Bewegung nicht fern ge¬
standen und den Schritten, welche zu Gunsten von Wislieenus gethan wurden,
seine Teilnahme und Mitwirkung nicht versagt. Mit der Art jedoch, wie die
religiösen Fragen von Uhlich und den Freunden des Dcutschkatholizismus auf¬
gefaßt wurden, hatte er nichts gemein, seine Natur war viel zu tief, als daß
er Probleme von solcher Wichtigkeit mit der Philosophie des Hausbackenbrvtes
hätte abthun mögen. Zugleich trat Wichtigeres in den Vordergrund, der
Februar 1847 brachte die Einberufung des Vereinigten Landtages. Natürlich
wurden die Verhandlungen desselben besonders in Halle, das nach dieser
Richtung gewissermaßen der Vorort der Provinz geworden war, mit dem
höchsten Interesse verfolgt. Doch war, schon ehe der März 1848 kam, die
Scheidung zwischen den früher in der Opposition verbundenen Führern der
liberalen Richtung in Halle eine offene geworden. Wenn die Radikalen in dem,
was von oben allerdings nur mit karger Hand geboten ward, ein ungenügendes
Minimum Sachen, das am einfachsten durch den Druck des Volkswillcus zu ver¬
vollständigen sei, so konnte dem Historiker und Philosophen nur daran liegen,
einen Bruch in der organischen Entwicklung der Verhältnisse zu verhindern; es
galt aufzubauen, zu gestalten, nicht niederzureißen. Wir wissen nicht, ob Duncker
durch den Ausbruch des Berliner Aufstandes überrascht gewesen ist, aber das
wissen wir, daß er alles that, um wenigstens in seinem Bereiche die Massen
von dem allgemeinen Taumel zurückzuhalten. Zur Verwunderung allerdings
seiner subalternen Gegner, die wegen des Widerstandes gegen das vormärzliche
Regiment eine so positive Stellung von ihm nicht erwartet hatten. In der


Mcix Duncker.

die Leitung der Historischen Gesellschaft zu übernehmen, so durfte der im An¬
fange der dreißiger Jahre stehende außerordentliche Professor mit der Stellung
welche er an der Universität, in der Stadt und bald auch in der Provinz ein¬
nahm, zufrieden sein. Seine Vorlesungen bezogen sich übrigens nicht nur auf
die alte Geschichte, sondern dehnten sich auch bald auf die Reformationszeit wie
auf die neuere Zeit aus. Aber es trat noch ein Andres. Besseres hinzu, was
ihm Halle so wert machte, daß er diesen Ort bis in die letzten Lebenstage als
seine zweite Heimat ansehen lernte, seine Verheiratung mit der ältesten Tochter
des Dr. Guticke, die nun an allem, was ihn beschäftigte und bewegte, den
vollsten Anteil nahm. Wie viele haben in dem Hause an der alten Promenade,
das sich nun den jünger» Freunden öffnete, Belehrung, Anregung, freundliches
Willkommen gefunden: Haym, Hinrichs, Albr. Ritschl, Korse. Rößler, Osterwald,
Baumgarten, Rich. v. Vardeleben und Robert Franz.

Inzwischen hatte sich die Unzufriedenheit mit den Beschränkungen der
Zensur, mit den verletzenden Maßregeln des Eichhvrnschen Regiments gesteigert,
selbst durch die außerordentliche Generalsynode des Jahres 1846 war kein
frischer Luftzug in die bange Schwüle gebracht worden. Den protestantischen
Freunden gehörten die meisten Laien an, welche sich überhaupt um die kirch¬
lichem Dinge kümmerten. Auch Duncker hat dieser Bewegung nicht fern ge¬
standen und den Schritten, welche zu Gunsten von Wislieenus gethan wurden,
seine Teilnahme und Mitwirkung nicht versagt. Mit der Art jedoch, wie die
religiösen Fragen von Uhlich und den Freunden des Dcutschkatholizismus auf¬
gefaßt wurden, hatte er nichts gemein, seine Natur war viel zu tief, als daß
er Probleme von solcher Wichtigkeit mit der Philosophie des Hausbackenbrvtes
hätte abthun mögen. Zugleich trat Wichtigeres in den Vordergrund, der
Februar 1847 brachte die Einberufung des Vereinigten Landtages. Natürlich
wurden die Verhandlungen desselben besonders in Halle, das nach dieser
Richtung gewissermaßen der Vorort der Provinz geworden war, mit dem
höchsten Interesse verfolgt. Doch war, schon ehe der März 1848 kam, die
Scheidung zwischen den früher in der Opposition verbundenen Führern der
liberalen Richtung in Halle eine offene geworden. Wenn die Radikalen in dem,
was von oben allerdings nur mit karger Hand geboten ward, ein ungenügendes
Minimum Sachen, das am einfachsten durch den Druck des Volkswillcus zu ver¬
vollständigen sei, so konnte dem Historiker und Philosophen nur daran liegen,
einen Bruch in der organischen Entwicklung der Verhältnisse zu verhindern; es
galt aufzubauen, zu gestalten, nicht niederzureißen. Wir wissen nicht, ob Duncker
durch den Ausbruch des Berliner Aufstandes überrascht gewesen ist, aber das
wissen wir, daß er alles that, um wenigstens in seinem Bereiche die Massen
von dem allgemeinen Taumel zurückzuhalten. Zur Verwunderung allerdings
seiner subalternen Gegner, die wegen des Widerstandes gegen das vormärzliche
Regiment eine so positive Stellung von ihm nicht erwartet hatten. In der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/372>, abgerufen am 20.10.2024.