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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Max Duncker.

Buchhandlung übernommen und das Geschäft in kurzer Zeit durch umsichtige
Thätigkeit zu einem blühenden zu machen verstanden; später ward es durch die¬
selben Eigenschaften eins der bedeutendsten in ganz Deutschland. Der Sohn
besuchte das von Spilleke geleitete Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, von dessen
Lehrern er außer dem Direktor besonders dem Professor Ixem eine dankbare
Erinnerung bewahrte. Dieser gab ihm in den oberen Klassen die Richtung auf
die Beschäftigung mit philosophischen Studien, leitete ihn zur Kenntnis und
richtigen Beurteilung der vaterländischen Literatur an, ward aber namentlich
sein Führer für das Verständnis und die Beherrschung der griechischen Klassiker.
Es muß eine Freude gewesen sein, den Knaben und Jüngling zu unterrichten,
der mit dem vollen Idealismus der Jugend das, was der Lehrer ihm darbot,
aufnahm, es mit scharfem Verstände zu seinem Eigentums machte, durch Privat¬
stunden ergänzte und den Schatz des Gelernten mit einem so unvergleichlichen
Gedächtnisse festhielt, daß er noch im Alter lange Partien aus griechischen,
lateinischen, deutschen Schriftstellern dein Wortlaute nach anführen konnte. Einen
nicht geringeren Einfluß auf seine Entwicklung hatte es, daß eine beträchtliche
Anzahl wissenschaftlich hervorragender oder künstlerisch gebildeter Persönlichkeiten
im väterlichen Hause verkehrte. Wiese, der als junger Mann die Arbeiten der
Dunckerschen Kinder beaufsichtigte, berichtet in seinen Lebenserinnerungen, wie
förderlich auch für ihn diese Beziehungen gewesen seien. Mit dem neunzehnten
Jahre bezog Duncker die Universität. War es nur zufällig, daß der Sohn des
Hauses, in welchem die Werke Rankes und Beckers Weltgeschichte verlegt wurden,
in dem aber auch die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik erschienen, neben
philosophischen Studien sich der Geschichte widmete? So ist er einer der
ältesten Schüler Rankes geworden, hörte jedoch auch Raumer, Böckh und in
Bonn Löbell. In der letzten Stadt leistete er zugleich sein freiwilliges Dienst¬
jahr bei dem achten Ulanenregimente ab und erhielt dort die erste Einführung in
das Verständnis militärischer Fragen, das ihn vor allen übrigen Historikern
auszeichnet. Ein unerfreulicher Nachklang seines Studentenlebens in Bonn war
es, daß er die Zugehörigkeit zur dortigen Burschenschaft zwar uicht mit sechs¬
jährigem Gefängnis, wozu er verurteilt ward, doch mit einer Haft von sechs
Monaten in Köpenick zu verbüßen hatte.

Nachdem er 1834 auf Grund einer Dissertation, welche den doppelseitigen
Gang seiner Studien kennzeichnet -- Os lust-ölig. "MLauv tmotÄQÜÄö og.rÜ8
rÄtioiüduL --, zum Doktor der Philosophie ernannt war, lag es nahe, die Vor¬
bereitung zur Habilitation zu treffen. Allein der bestrafte Burschenschafter
mußte noch volle fünf Jahre warten, ehe er dazu die..Erlaubnis erhielt. Erst
1839 durfte er sich mit der Verteidigung seiner Schrift Orig'wW HormMioiiiz
als Privatdozent in Halle niederlassen. Diese Universität mochte Johannes
Schultze vorgeschlagen haben. In der That schien sich hier ein angemessenes,
freies Feld für seine akademische Wirksamkeit zu eröffnen, Boigtel war alt, Leo


Max Duncker.

Buchhandlung übernommen und das Geschäft in kurzer Zeit durch umsichtige
Thätigkeit zu einem blühenden zu machen verstanden; später ward es durch die¬
selben Eigenschaften eins der bedeutendsten in ganz Deutschland. Der Sohn
besuchte das von Spilleke geleitete Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, von dessen
Lehrern er außer dem Direktor besonders dem Professor Ixem eine dankbare
Erinnerung bewahrte. Dieser gab ihm in den oberen Klassen die Richtung auf
die Beschäftigung mit philosophischen Studien, leitete ihn zur Kenntnis und
richtigen Beurteilung der vaterländischen Literatur an, ward aber namentlich
sein Führer für das Verständnis und die Beherrschung der griechischen Klassiker.
Es muß eine Freude gewesen sein, den Knaben und Jüngling zu unterrichten,
der mit dem vollen Idealismus der Jugend das, was der Lehrer ihm darbot,
aufnahm, es mit scharfem Verstände zu seinem Eigentums machte, durch Privat¬
stunden ergänzte und den Schatz des Gelernten mit einem so unvergleichlichen
Gedächtnisse festhielt, daß er noch im Alter lange Partien aus griechischen,
lateinischen, deutschen Schriftstellern dein Wortlaute nach anführen konnte. Einen
nicht geringeren Einfluß auf seine Entwicklung hatte es, daß eine beträchtliche
Anzahl wissenschaftlich hervorragender oder künstlerisch gebildeter Persönlichkeiten
im väterlichen Hause verkehrte. Wiese, der als junger Mann die Arbeiten der
Dunckerschen Kinder beaufsichtigte, berichtet in seinen Lebenserinnerungen, wie
förderlich auch für ihn diese Beziehungen gewesen seien. Mit dem neunzehnten
Jahre bezog Duncker die Universität. War es nur zufällig, daß der Sohn des
Hauses, in welchem die Werke Rankes und Beckers Weltgeschichte verlegt wurden,
in dem aber auch die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik erschienen, neben
philosophischen Studien sich der Geschichte widmete? So ist er einer der
ältesten Schüler Rankes geworden, hörte jedoch auch Raumer, Böckh und in
Bonn Löbell. In der letzten Stadt leistete er zugleich sein freiwilliges Dienst¬
jahr bei dem achten Ulanenregimente ab und erhielt dort die erste Einführung in
das Verständnis militärischer Fragen, das ihn vor allen übrigen Historikern
auszeichnet. Ein unerfreulicher Nachklang seines Studentenlebens in Bonn war
es, daß er die Zugehörigkeit zur dortigen Burschenschaft zwar uicht mit sechs¬
jährigem Gefängnis, wozu er verurteilt ward, doch mit einer Haft von sechs
Monaten in Köpenick zu verbüßen hatte.

Nachdem er 1834 auf Grund einer Dissertation, welche den doppelseitigen
Gang seiner Studien kennzeichnet — Os lust-ölig. «MLauv tmotÄQÜÄö og.rÜ8
rÄtioiüduL —, zum Doktor der Philosophie ernannt war, lag es nahe, die Vor¬
bereitung zur Habilitation zu treffen. Allein der bestrafte Burschenschafter
mußte noch volle fünf Jahre warten, ehe er dazu die..Erlaubnis erhielt. Erst
1839 durfte er sich mit der Verteidigung seiner Schrift Orig'wW HormMioiiiz
als Privatdozent in Halle niederlassen. Diese Universität mochte Johannes
Schultze vorgeschlagen haben. In der That schien sich hier ein angemessenes,
freies Feld für seine akademische Wirksamkeit zu eröffnen, Boigtel war alt, Leo


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[0370] Max Duncker. Buchhandlung übernommen und das Geschäft in kurzer Zeit durch umsichtige Thätigkeit zu einem blühenden zu machen verstanden; später ward es durch die¬ selben Eigenschaften eins der bedeutendsten in ganz Deutschland. Der Sohn besuchte das von Spilleke geleitete Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, von dessen Lehrern er außer dem Direktor besonders dem Professor Ixem eine dankbare Erinnerung bewahrte. Dieser gab ihm in den oberen Klassen die Richtung auf die Beschäftigung mit philosophischen Studien, leitete ihn zur Kenntnis und richtigen Beurteilung der vaterländischen Literatur an, ward aber namentlich sein Führer für das Verständnis und die Beherrschung der griechischen Klassiker. Es muß eine Freude gewesen sein, den Knaben und Jüngling zu unterrichten, der mit dem vollen Idealismus der Jugend das, was der Lehrer ihm darbot, aufnahm, es mit scharfem Verstände zu seinem Eigentums machte, durch Privat¬ stunden ergänzte und den Schatz des Gelernten mit einem so unvergleichlichen Gedächtnisse festhielt, daß er noch im Alter lange Partien aus griechischen, lateinischen, deutschen Schriftstellern dein Wortlaute nach anführen konnte. Einen nicht geringeren Einfluß auf seine Entwicklung hatte es, daß eine beträchtliche Anzahl wissenschaftlich hervorragender oder künstlerisch gebildeter Persönlichkeiten im väterlichen Hause verkehrte. Wiese, der als junger Mann die Arbeiten der Dunckerschen Kinder beaufsichtigte, berichtet in seinen Lebenserinnerungen, wie förderlich auch für ihn diese Beziehungen gewesen seien. Mit dem neunzehnten Jahre bezog Duncker die Universität. War es nur zufällig, daß der Sohn des Hauses, in welchem die Werke Rankes und Beckers Weltgeschichte verlegt wurden, in dem aber auch die Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik erschienen, neben philosophischen Studien sich der Geschichte widmete? So ist er einer der ältesten Schüler Rankes geworden, hörte jedoch auch Raumer, Böckh und in Bonn Löbell. In der letzten Stadt leistete er zugleich sein freiwilliges Dienst¬ jahr bei dem achten Ulanenregimente ab und erhielt dort die erste Einführung in das Verständnis militärischer Fragen, das ihn vor allen übrigen Historikern auszeichnet. Ein unerfreulicher Nachklang seines Studentenlebens in Bonn war es, daß er die Zugehörigkeit zur dortigen Burschenschaft zwar uicht mit sechs¬ jährigem Gefängnis, wozu er verurteilt ward, doch mit einer Haft von sechs Monaten in Köpenick zu verbüßen hatte. Nachdem er 1834 auf Grund einer Dissertation, welche den doppelseitigen Gang seiner Studien kennzeichnet — Os lust-ölig. «MLauv tmotÄQÜÄö og.rÜ8 rÄtioiüduL —, zum Doktor der Philosophie ernannt war, lag es nahe, die Vor¬ bereitung zur Habilitation zu treffen. Allein der bestrafte Burschenschafter mußte noch volle fünf Jahre warten, ehe er dazu die..Erlaubnis erhielt. Erst 1839 durfte er sich mit der Verteidigung seiner Schrift Orig'wW HormMioiiiz als Privatdozent in Halle niederlassen. Diese Universität mochte Johannes Schultze vorgeschlagen haben. In der That schien sich hier ein angemessenes, freies Feld für seine akademische Wirksamkeit zu eröffnen, Boigtel war alt, Leo

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/370>, abgerufen am 15.01.2025.