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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

einer Skandalgeschichte aus der preußischen Hauptstadt abgelenkt, die Emilcheu
ihr gerade auftischte, und sie horchte mit Spannung auf die Autwort der Frau
von Scheffliugeu.

Er ist ja ein ganz junger Mann, antwortete diese, mit unserm unverge߬
lichen Andermütz natürlich garnicht zu vergleichen.

El, das will ich meinen! rief der Hausherr erheitert; der Richter kann es
noch zu etwas bringen. Eine ganz eminente Rednergabe hat der Mensch!
Wird das in der Umgegend bekannt, so wird unser stilles Trübensee noch zum
Wallfahrtsort.

Frau von Scheffliugeu sah den Gemahl starr an, bis er ausgeredet hatte;
dann fuhr sie noch langsamer und würdevoller als gewöhnlich fort: In der That,
dem seligen Andermütz garnicht zu vergleichen. Richters Ansichten wollen mir
manchmal für einen Prediger etwas -- wie soll ich mich ausdrücken? -- etwas
frei erscheinen. Er spricht allerdings fesselnd, aber meiner Meinung nach
nicht ganz die Sprache, die in das Gotteshaus gehört. Übrigens hat er
bereits viel Einfluß auf die Dorfbewohner, und ich kann nicht anders sagen,
als daß dieser Einfluß ein recht günstiger zu sein scheint. Die Scheffliugeu zerbrach
mit Würde eine Bretzel.

Nun stellen Sie sich die Situation vor, endigte auch Einnahm zu gleicher
Zeit seine Erzählung; es war, um sich totzuschießen!

Und wodurch wurden Sie an der Ausführung verhindert? erkundigte sich
bedauernd Valer.

Durch einen impertinenten Bengel, sagte Emil wütend, das kommt öfters vor.

Glaub's gern, lachte Valer; manchen Leuten geht das nicht anders.

Gegen Abend schlug Einnahm eine Kahnfahrt vor. Es war zwar einiger¬
maßen rätselhaft, wie sich der Kahn dnrch die üppige Vegetation des Teiches
Bahn brechen sollte, aber die Trnbcnseer glaubten so fest an den Teich, daß
man, ohne die ganze Familie zu kränken, nichts einwenden durfte.

Der Vorschlag wurde also angenommen, doch faßte der Kahn nur vier
Personen. Valerian stimmte dafür, man solle Schutzmannschaft um den Teich
stellen. Er selbst verzichtete bescheidentlich auf das Vergnügen und schlug der
Komtesse Lembrück vor, mit ihm in den Gemüsegarten zu gehen, denn dort
würde der Mondaufgang zu sehen sein.

Aber erst um neun Uhr!

Ja so. Nun, dann haben wir zunächst Abendröte; machen Sie mich nicht
unglücklich. Ich muß hente Natur bewundern.

Um den Kahn hatte sich ein liebenswürdiger Streit entsponnen, indem nämlich
jeder dem andern den Vortritt lassen wollte. Einnahm stand bereits in dem
leichten Fahrzeug, ohne des fast zollhoch um ihn stehenden Wassers zu achten.

Nur herein, herein! Wenn ich noch lange vor Anker liege, wird aus der ganzen
Partie nichts. Fräulein Mathilde! herein, das bischen Feuchtigkeit schadet nichts.


Grenzboten IV. 188S. 44
Aus der Chronik derer von Riffelshausen.

einer Skandalgeschichte aus der preußischen Hauptstadt abgelenkt, die Emilcheu
ihr gerade auftischte, und sie horchte mit Spannung auf die Autwort der Frau
von Scheffliugeu.

Er ist ja ein ganz junger Mann, antwortete diese, mit unserm unverge߬
lichen Andermütz natürlich garnicht zu vergleichen.

El, das will ich meinen! rief der Hausherr erheitert; der Richter kann es
noch zu etwas bringen. Eine ganz eminente Rednergabe hat der Mensch!
Wird das in der Umgegend bekannt, so wird unser stilles Trübensee noch zum
Wallfahrtsort.

Frau von Scheffliugeu sah den Gemahl starr an, bis er ausgeredet hatte;
dann fuhr sie noch langsamer und würdevoller als gewöhnlich fort: In der That,
dem seligen Andermütz garnicht zu vergleichen. Richters Ansichten wollen mir
manchmal für einen Prediger etwas — wie soll ich mich ausdrücken? — etwas
frei erscheinen. Er spricht allerdings fesselnd, aber meiner Meinung nach
nicht ganz die Sprache, die in das Gotteshaus gehört. Übrigens hat er
bereits viel Einfluß auf die Dorfbewohner, und ich kann nicht anders sagen,
als daß dieser Einfluß ein recht günstiger zu sein scheint. Die Scheffliugeu zerbrach
mit Würde eine Bretzel.

Nun stellen Sie sich die Situation vor, endigte auch Einnahm zu gleicher
Zeit seine Erzählung; es war, um sich totzuschießen!

Und wodurch wurden Sie an der Ausführung verhindert? erkundigte sich
bedauernd Valer.

Durch einen impertinenten Bengel, sagte Emil wütend, das kommt öfters vor.

Glaub's gern, lachte Valer; manchen Leuten geht das nicht anders.

Gegen Abend schlug Einnahm eine Kahnfahrt vor. Es war zwar einiger¬
maßen rätselhaft, wie sich der Kahn dnrch die üppige Vegetation des Teiches
Bahn brechen sollte, aber die Trnbcnseer glaubten so fest an den Teich, daß
man, ohne die ganze Familie zu kränken, nichts einwenden durfte.

Der Vorschlag wurde also angenommen, doch faßte der Kahn nur vier
Personen. Valerian stimmte dafür, man solle Schutzmannschaft um den Teich
stellen. Er selbst verzichtete bescheidentlich auf das Vergnügen und schlug der
Komtesse Lembrück vor, mit ihm in den Gemüsegarten zu gehen, denn dort
würde der Mondaufgang zu sehen sein.

Aber erst um neun Uhr!

Ja so. Nun, dann haben wir zunächst Abendröte; machen Sie mich nicht
unglücklich. Ich muß hente Natur bewundern.

Um den Kahn hatte sich ein liebenswürdiger Streit entsponnen, indem nämlich
jeder dem andern den Vortritt lassen wollte. Einnahm stand bereits in dem
leichten Fahrzeug, ohne des fast zollhoch um ihn stehenden Wassers zu achten.

Nur herein, herein! Wenn ich noch lange vor Anker liege, wird aus der ganzen
Partie nichts. Fräulein Mathilde! herein, das bischen Feuchtigkeit schadet nichts.


Grenzboten IV. 188S. 44
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/353>, abgerufen am 27.09.2024.