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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhroni? derer von Riffelshausen.

Wenn ein Mädchen so viel von sich reden macht, lohnt es sich doch wohl, daß
Anton Niffelshausen seinen hochgebornen Mund zu ein paar Worten über sie öffnet.

O, wenn du das willst, da kann ich dir einen ganzen Roman erzählen.
Wir hatten eine Schlittenfahrt arrangirt, und meine Dame meldete sich krank.
Mein Kamerad Nohr, derselbe, den du heute hier kennen gelernt hast, führte
mir ohne Vorstellung eine andre zu, gerade im Augenblick des Ausbruchs, und
wir sausten los. Sonderbarerweise konnte ich nicht herausbringen, wen ich zu
fahren die Ehre hatte. So langten wir im Gasthaus an, wo nach Verabredung
gegessen und getanzt werden sollte.

Du kanntest sie wirklich noch nicht?

Nein. Ich bin den Daldas standhaft aus dem Wege gegangen, was
manchmal schwierig genug war.

Das glaub' ich! Aber weiter im Text.

Ich will ihr eben einschenken, da sagt unser Visavis, der uns schon etwas
mehr als nötig lorgnettirt hatte, zu seiner Nachbarin: Gott, meine Gnädigste,
die Daida und der Niffelshausen sind aber ein ganz famoses Paar. Ich bekam
einen Schreck, daß --

Du den Rotwein auf das Tischtuch gössest, wie?

Und über ihre Hand und ihr Kleid, was schlimmer war. Die Komtesse
schien durchaus unbefangen. Ich erhielt am nächsten Morgen ein Billet von
ihrer Mutter, meine Dame sei wohl. Sie erachte es für unnötig, daß ich mich
Persönlich nach ihrem Befinden erkundige.

Wie ist denn die junge Dame?

Ich weiß uicht. Ihre Augen sehen jeden Sperling verliebt an, schwerlich
einen mehr als den andern.

Hast du dich in sie verliebt?

In ihre Schönheit vielleicht so, wie in das reizende Pastellbild unsrer
Großmutter.

Aber Antons Augen wanderten suchend umher. Hast du nicht Emil Scheff-
lingen hier irgendwo gesehen?

Valerian lachte. Wie gefällt dir der Affenschwanz als Landjunker?

Besser als du als Satiriker, denn ein solcher muß Witz haben noch außer
der Bosheit.

Alle Wetter, rief Valer, das sitzt! Seit wann bist du denn so intim mit dem
Gecken, der auch da noch Eitelkeit sitzen hat, wo bei andern Sterblichen der Ver¬
stand ist?

Ich begreife wirklich nicht, was du gegen den harmlosen Jungen hast. Er
hat dir sicherlich nichts zu leide gethan.

Sieh einmal den Ohrwurm an, der dort über den Tisch läuft. Der hat
mir auch nichts zu leide gethan. Lassen wir das. Ich glaube, im Grunde ist's
auch mir die Schwester, die du suchst.


Aus der Lhroni? derer von Riffelshausen.

Wenn ein Mädchen so viel von sich reden macht, lohnt es sich doch wohl, daß
Anton Niffelshausen seinen hochgebornen Mund zu ein paar Worten über sie öffnet.

O, wenn du das willst, da kann ich dir einen ganzen Roman erzählen.
Wir hatten eine Schlittenfahrt arrangirt, und meine Dame meldete sich krank.
Mein Kamerad Nohr, derselbe, den du heute hier kennen gelernt hast, führte
mir ohne Vorstellung eine andre zu, gerade im Augenblick des Ausbruchs, und
wir sausten los. Sonderbarerweise konnte ich nicht herausbringen, wen ich zu
fahren die Ehre hatte. So langten wir im Gasthaus an, wo nach Verabredung
gegessen und getanzt werden sollte.

Du kanntest sie wirklich noch nicht?

Nein. Ich bin den Daldas standhaft aus dem Wege gegangen, was
manchmal schwierig genug war.

Das glaub' ich! Aber weiter im Text.

Ich will ihr eben einschenken, da sagt unser Visavis, der uns schon etwas
mehr als nötig lorgnettirt hatte, zu seiner Nachbarin: Gott, meine Gnädigste,
die Daida und der Niffelshausen sind aber ein ganz famoses Paar. Ich bekam
einen Schreck, daß —

Du den Rotwein auf das Tischtuch gössest, wie?

Und über ihre Hand und ihr Kleid, was schlimmer war. Die Komtesse
schien durchaus unbefangen. Ich erhielt am nächsten Morgen ein Billet von
ihrer Mutter, meine Dame sei wohl. Sie erachte es für unnötig, daß ich mich
Persönlich nach ihrem Befinden erkundige.

Wie ist denn die junge Dame?

Ich weiß uicht. Ihre Augen sehen jeden Sperling verliebt an, schwerlich
einen mehr als den andern.

Hast du dich in sie verliebt?

In ihre Schönheit vielleicht so, wie in das reizende Pastellbild unsrer
Großmutter.

Aber Antons Augen wanderten suchend umher. Hast du nicht Emil Scheff-
lingen hier irgendwo gesehen?

Valerian lachte. Wie gefällt dir der Affenschwanz als Landjunker?

Besser als du als Satiriker, denn ein solcher muß Witz haben noch außer
der Bosheit.

Alle Wetter, rief Valer, das sitzt! Seit wann bist du denn so intim mit dem
Gecken, der auch da noch Eitelkeit sitzen hat, wo bei andern Sterblichen der Ver¬
stand ist?

Ich begreife wirklich nicht, was du gegen den harmlosen Jungen hast. Er
hat dir sicherlich nichts zu leide gethan.

Sieh einmal den Ohrwurm an, der dort über den Tisch läuft. Der hat
mir auch nichts zu leide gethan. Lassen wir das. Ich glaube, im Grunde ist's
auch mir die Schwester, die du suchst.


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[0351] Aus der Lhroni? derer von Riffelshausen. Wenn ein Mädchen so viel von sich reden macht, lohnt es sich doch wohl, daß Anton Niffelshausen seinen hochgebornen Mund zu ein paar Worten über sie öffnet. O, wenn du das willst, da kann ich dir einen ganzen Roman erzählen. Wir hatten eine Schlittenfahrt arrangirt, und meine Dame meldete sich krank. Mein Kamerad Nohr, derselbe, den du heute hier kennen gelernt hast, führte mir ohne Vorstellung eine andre zu, gerade im Augenblick des Ausbruchs, und wir sausten los. Sonderbarerweise konnte ich nicht herausbringen, wen ich zu fahren die Ehre hatte. So langten wir im Gasthaus an, wo nach Verabredung gegessen und getanzt werden sollte. Du kanntest sie wirklich noch nicht? Nein. Ich bin den Daldas standhaft aus dem Wege gegangen, was manchmal schwierig genug war. Das glaub' ich! Aber weiter im Text. Ich will ihr eben einschenken, da sagt unser Visavis, der uns schon etwas mehr als nötig lorgnettirt hatte, zu seiner Nachbarin: Gott, meine Gnädigste, die Daida und der Niffelshausen sind aber ein ganz famoses Paar. Ich bekam einen Schreck, daß — Du den Rotwein auf das Tischtuch gössest, wie? Und über ihre Hand und ihr Kleid, was schlimmer war. Die Komtesse schien durchaus unbefangen. Ich erhielt am nächsten Morgen ein Billet von ihrer Mutter, meine Dame sei wohl. Sie erachte es für unnötig, daß ich mich Persönlich nach ihrem Befinden erkundige. Wie ist denn die junge Dame? Ich weiß uicht. Ihre Augen sehen jeden Sperling verliebt an, schwerlich einen mehr als den andern. Hast du dich in sie verliebt? In ihre Schönheit vielleicht so, wie in das reizende Pastellbild unsrer Großmutter. Aber Antons Augen wanderten suchend umher. Hast du nicht Emil Scheff- lingen hier irgendwo gesehen? Valerian lachte. Wie gefällt dir der Affenschwanz als Landjunker? Besser als du als Satiriker, denn ein solcher muß Witz haben noch außer der Bosheit. Alle Wetter, rief Valer, das sitzt! Seit wann bist du denn so intim mit dem Gecken, der auch da noch Eitelkeit sitzen hat, wo bei andern Sterblichen der Ver¬ stand ist? Ich begreife wirklich nicht, was du gegen den harmlosen Jungen hast. Er hat dir sicherlich nichts zu leide gethan. Sieh einmal den Ohrwurm an, der dort über den Tisch läuft. Der hat mir auch nichts zu leide gethan. Lassen wir das. Ich glaube, im Grunde ist's auch mir die Schwester, die du suchst.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/351>, abgerufen am 27.09.2024.