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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Risfelshauscn.

wohnt war, ihre Blicke zu wahren, sah bewundernd in das erregte Gesicht des
jungen Patrioten.

Auch Komtesse Asta verweilte länger, als unbedingt nötig war, auf diesem
Bilde; dann drehte sie sich rasch ihrem Nachbar zu.

Was hat aber Ihr Bruder mit Mirabeau, dem Weinfaß, zu thun?

Dieser dicke junge Mann pflegte zu klagen, der berühmte Bruder sei
sein Schicksal. Wäre der nicht da, so würde man in ihm einen lüdcrlichcu,
aber recht gescheiten Menschen sehen. So aber, neben dem Bruder, gelte er für
bornirt und solide. Mir geht es gerade so, Gräfin! Wenn dieser Anton
nicht da wäre, so nähme man mich für einen leidlich hübschen Menschen.

Die Komtesse konnte bei dieser Bemerkung kaum ein Lächeln unterdrücken.
Valcriaus Gesicht war durch eine Schmarre, die quer über die Stirne lief, nicht
verschönert wordeu.

Ich bemerke wohl Ihr Lächeln, fuhr er fort. So geht es mir immer.
Warum mußte ich Sie auch noch auf die Schönheit meines Bruders aufmerksam
machen! Man würde sonst mein Gesicht zwar nicht eine regelmäßige Antike,
aber doch einen interessanten Charakterkopf nennen. So habe ich mir auf der
Mensur einige Schönheitspflästerchen auflegen müssen, um uur überhaupt be¬
merkt zu werden. Sie würden mich auch einen Raufbold nennen, aber was
will mein bischen Streitlust sagen gegen diesen Anton, der die ganze französische
Armee zum Frühstück speisen will? Nun heiße ich überall: der häßliche und
harmlose Niffclshausen.

Die Harmlosigkeit imponirte der jungen Gräfin nicht; denn sie hatte bereits
von Valerian Niffelshauseu als einem ganz bösen Händelsucher sprechen hören.

Heda, Schefflingen! rief jetzt Valer dem Sohne des Hauses zu. Sie haben
doch sicherlich nur Ihren Abschied genommen, weil der Zivilanzug Ihrem famosen
Geschmack ein reicheres Feld bietet.

Dem einen dies, dem andern das, antwortete Einnahm ärgerlich, es giebt
auch Leute, die keine Kleidung verschönern kann.

Valer lachte. Sie müssen sich mit meiner sanften Schwester gut herum¬
geschlagen haben, daß solche Funken stieben.

Aber Julie, Emilchens Nachbarin, hörte diese Bemerkung nicht. Von der
andern Seite der Tafel her hatte sie die Stichworte Danda und Moosdorf
vernommen.

Was ist denn los? fragte Valer, ihrem aufmerksamen Blick folgend.

Dcüdas sind wieder in Moosdorf.

Herr von Schefflingen erzählte soeben Fräulein Cäcilie diese interessante
Thatsache.

Der Graf ist mit Frau und Tochter anwesend.

Entschuldige, Onkel, sagte der junge Lembrück, nur mit der Tochter. Die
Gräfin ist in Berlin zurückgeblieben.


Aus der Lhronik derer von Risfelshauscn.

wohnt war, ihre Blicke zu wahren, sah bewundernd in das erregte Gesicht des
jungen Patrioten.

Auch Komtesse Asta verweilte länger, als unbedingt nötig war, auf diesem
Bilde; dann drehte sie sich rasch ihrem Nachbar zu.

Was hat aber Ihr Bruder mit Mirabeau, dem Weinfaß, zu thun?

Dieser dicke junge Mann pflegte zu klagen, der berühmte Bruder sei
sein Schicksal. Wäre der nicht da, so würde man in ihm einen lüdcrlichcu,
aber recht gescheiten Menschen sehen. So aber, neben dem Bruder, gelte er für
bornirt und solide. Mir geht es gerade so, Gräfin! Wenn dieser Anton
nicht da wäre, so nähme man mich für einen leidlich hübschen Menschen.

Die Komtesse konnte bei dieser Bemerkung kaum ein Lächeln unterdrücken.
Valcriaus Gesicht war durch eine Schmarre, die quer über die Stirne lief, nicht
verschönert wordeu.

Ich bemerke wohl Ihr Lächeln, fuhr er fort. So geht es mir immer.
Warum mußte ich Sie auch noch auf die Schönheit meines Bruders aufmerksam
machen! Man würde sonst mein Gesicht zwar nicht eine regelmäßige Antike,
aber doch einen interessanten Charakterkopf nennen. So habe ich mir auf der
Mensur einige Schönheitspflästerchen auflegen müssen, um uur überhaupt be¬
merkt zu werden. Sie würden mich auch einen Raufbold nennen, aber was
will mein bischen Streitlust sagen gegen diesen Anton, der die ganze französische
Armee zum Frühstück speisen will? Nun heiße ich überall: der häßliche und
harmlose Niffclshausen.

Die Harmlosigkeit imponirte der jungen Gräfin nicht; denn sie hatte bereits
von Valerian Niffelshauseu als einem ganz bösen Händelsucher sprechen hören.

Heda, Schefflingen! rief jetzt Valer dem Sohne des Hauses zu. Sie haben
doch sicherlich nur Ihren Abschied genommen, weil der Zivilanzug Ihrem famosen
Geschmack ein reicheres Feld bietet.

Dem einen dies, dem andern das, antwortete Einnahm ärgerlich, es giebt
auch Leute, die keine Kleidung verschönern kann.

Valer lachte. Sie müssen sich mit meiner sanften Schwester gut herum¬
geschlagen haben, daß solche Funken stieben.

Aber Julie, Emilchens Nachbarin, hörte diese Bemerkung nicht. Von der
andern Seite der Tafel her hatte sie die Stichworte Danda und Moosdorf
vernommen.

Was ist denn los? fragte Valer, ihrem aufmerksamen Blick folgend.

Dcüdas sind wieder in Moosdorf.

Herr von Schefflingen erzählte soeben Fräulein Cäcilie diese interessante
Thatsache.

Der Graf ist mit Frau und Tochter anwesend.

Entschuldige, Onkel, sagte der junge Lembrück, nur mit der Tochter. Die
Gräfin ist in Berlin zurückgeblieben.


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[0349] Aus der Lhronik derer von Risfelshauscn. wohnt war, ihre Blicke zu wahren, sah bewundernd in das erregte Gesicht des jungen Patrioten. Auch Komtesse Asta verweilte länger, als unbedingt nötig war, auf diesem Bilde; dann drehte sie sich rasch ihrem Nachbar zu. Was hat aber Ihr Bruder mit Mirabeau, dem Weinfaß, zu thun? Dieser dicke junge Mann pflegte zu klagen, der berühmte Bruder sei sein Schicksal. Wäre der nicht da, so würde man in ihm einen lüdcrlichcu, aber recht gescheiten Menschen sehen. So aber, neben dem Bruder, gelte er für bornirt und solide. Mir geht es gerade so, Gräfin! Wenn dieser Anton nicht da wäre, so nähme man mich für einen leidlich hübschen Menschen. Die Komtesse konnte bei dieser Bemerkung kaum ein Lächeln unterdrücken. Valcriaus Gesicht war durch eine Schmarre, die quer über die Stirne lief, nicht verschönert wordeu. Ich bemerke wohl Ihr Lächeln, fuhr er fort. So geht es mir immer. Warum mußte ich Sie auch noch auf die Schönheit meines Bruders aufmerksam machen! Man würde sonst mein Gesicht zwar nicht eine regelmäßige Antike, aber doch einen interessanten Charakterkopf nennen. So habe ich mir auf der Mensur einige Schönheitspflästerchen auflegen müssen, um uur überhaupt be¬ merkt zu werden. Sie würden mich auch einen Raufbold nennen, aber was will mein bischen Streitlust sagen gegen diesen Anton, der die ganze französische Armee zum Frühstück speisen will? Nun heiße ich überall: der häßliche und harmlose Niffclshausen. Die Harmlosigkeit imponirte der jungen Gräfin nicht; denn sie hatte bereits von Valerian Niffelshauseu als einem ganz bösen Händelsucher sprechen hören. Heda, Schefflingen! rief jetzt Valer dem Sohne des Hauses zu. Sie haben doch sicherlich nur Ihren Abschied genommen, weil der Zivilanzug Ihrem famosen Geschmack ein reicheres Feld bietet. Dem einen dies, dem andern das, antwortete Einnahm ärgerlich, es giebt auch Leute, die keine Kleidung verschönern kann. Valer lachte. Sie müssen sich mit meiner sanften Schwester gut herum¬ geschlagen haben, daß solche Funken stieben. Aber Julie, Emilchens Nachbarin, hörte diese Bemerkung nicht. Von der andern Seite der Tafel her hatte sie die Stichworte Danda und Moosdorf vernommen. Was ist denn los? fragte Valer, ihrem aufmerksamen Blick folgend. Dcüdas sind wieder in Moosdorf. Herr von Schefflingen erzählte soeben Fräulein Cäcilie diese interessante Thatsache. Der Graf ist mit Frau und Tochter anwesend. Entschuldige, Onkel, sagte der junge Lembrück, nur mit der Tochter. Die Gräfin ist in Berlin zurückgeblieben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/349>, abgerufen am 27.09.2024.