Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.Goethes Lila. zeigt"; und wenn Veraziv davon spricht, daß Lila den Gemahl "dnrch Geduld Ein Hauptmotiv der " Zauberflöte," die gemeinsame Wanderung der Es wäre gewiß höchst lehrreich, wenn wir die erste Fassung des Stückes Auf jeden Fall ist die hier mitgeteilte Entdeckung sehr geeignet, uns über Im übrigen sehen wir auch hier, daß Goethe das "Gute" nahm, wo er Grenzüvtcu IV. 1836.4
Goethes Lila. zeigt"; und wenn Veraziv davon spricht, daß Lila den Gemahl „dnrch Geduld Ein Hauptmotiv der „ Zauberflöte," die gemeinsame Wanderung der Es wäre gewiß höchst lehrreich, wenn wir die erste Fassung des Stückes Auf jeden Fall ist die hier mitgeteilte Entdeckung sehr geeignet, uns über Im übrigen sehen wir auch hier, daß Goethe das „Gute" nahm, wo er Grenzüvtcu IV. 1836.4
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Goethes Lila.
zeigt"; und wenn Veraziv davon spricht, daß Lila den Gemahl „dnrch Geduld
und Standhaftigkeit wieder erwerben könne," so hören wir Sarastro singen und
die Götter darum bitten, daß sie die Wandrer „mit Geduld in Gefahr stärken"
mögen.
Ein Hauptmotiv der „ Zauberflöte," die gemeinsame Wanderung der
Liebenden, ist nicht benutzt worden, wie ja überhaupt von einer eigentlichen
Durcharbeitung des Überkommenen ebensowenig gesprochen werden kann, wie
von einer kunstvollen Durchführung der Idee; das Ganze ist in Anlehnung an
die Vorgänge in der „Zauberflöte" (einiges, namentlich das vorgebliche Kämpfen
mit den bösen Geistern, erinnert anch an Glucks „Orpheus") äußerlich und ohne
Zweifel sehr schnell und flüchtig zusammengestellt worden.
Es wäre gewiß höchst lehrreich, wenn wir die erste Fassung des Stückes
mit der vorliegenden vergleichen könnten. Für das Stück selbst wäre daraus
nichts zu gewinnen, und ich wüßte auch nicht, was uns an dieser Gelegenheits¬
arbeit in ästhetischer Beziehung reizen könnte; aber es wäre doch lehrreich, zu
verfolgen, wie Goethe zu arbeiten pflegte, und wie er sich nicht scheute, Fertiges,
aus ganz andern Beziehungen Erwachsenes zu verstümmeln, um das Ver¬
stümmelte dann durch Ergänzungen zu einem neuen, nur äußerlich zusammen-
hängenden Ganzen zu machen.
Auf jeden Fall ist die hier mitgeteilte Entdeckung sehr geeignet, uns über
das „Geheimnisvolle und Unverständliche" in manchen Werken Goethes un¬
erwartete Aufschlüsse zu liefern, wie sie auel^ eine Mahnung für uns enthält,
allem Dunkeln, wo immer wir es finden, rücksichtslos aus dem Wege zu gehen
und nicht an die Ergründung des Unergründlichen, weil Unsinnigen, unsre Zeit
zu verschwenden. Denn so leicht es ist, den Geheimnisvoller zu spielen, ein Ge¬
heimnis, ein Rätsel herzustellen, wenn man in den Mitteln nicht gerade wählerisch
ist, so schwer, so unmöglich ist es, ein solches „Geheimnis" zu ergründen, wenn
man nicht zufällig „dahinter kommt."
Im übrigen sehen wir auch hier, daß Goethe das „Gute" nahm, wo er
es fand, und er hat außerordentlich viel genommen. Je mehr man die mit
Goethe gleichzeitige und unmittelbar vorhergehende Literatur in Beziehung auf
ihn studiren und Parallelen sammeln wird, desto mehr wird dies offenbar werden.
Dadurch wird natürlich die Bedeutung und Größe Goethes nicht geschmälert,
sondern nnr begreifbarer gemacht werden, und alles Begriffene bildet.
Grenzüvtcu IV. 1836.4
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