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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Ans der Chronik derer von Riffelshausen.

Wandelte währenddessen an das Ende des Perrons, um zu sehen, ob der er¬
wartete Zug sich noch nicht an der Krümmung des Schienenweges zeige. Sie
sah nichts, aber als sie sich umwandte, kam Einnahm von Schefslingen auf sie
Angestiefelt.

Ich habe doch wohl die Ehre, Fräulein von Niffelshausen zu begrüßen?

Die bin ich.

Dann gestatten Sie mir, gnädiges Fräulein, Ihnen einen alten Bekannten
in Erinnerung zu bringen, Emil Schesflingen. Hätten Mama und Lischen ge¬
wußt, welche angenehme Überraschung meiner hier warte, so hätte ich sicherlich
eine ganze Wagenladung von Grüßen mitbekommen. Ha ha ha!

Der junge Mann begann laut zu lachen, und Mathilde kam diese Heiter¬
keit, deren Ursache sie garnicht einsah, so komisch vor, daß sie auch lachte.

Juchheisa didcldumdei! Hier geht's ja hoch her, bin auch dabei! zitirte
der zu ihnen tretende Valer und sah aus seinen kleinen grauen Angen höhnisch
auf Schefflingcu, Alle tausend, Emilcheu, der neue Anzug sitzt Ihnen aber
brillant. Wo wollen sie denn Eroberungen machen, schönster aller Kavaliere?

Schefslingen sah den lärmenden Bewunderer böse an. Ihr Fräulein
Schwester und ich waren eben dabei, eine alte Bekanntschaft zu erneuern.

Hoffentlich knüpfen sie da wieder an, wo Sie damals aufhörten! Wissen
Sie noch, wie Sie Mathildens Kleid an die Tischdecke genäht hatten, sodaß meine
verehrte Schwester beim Aufstehen all die chinesischen Nippsachen vom Tische
riß? Ich erinnere mich, daß Ihr Herr Vater damals die Freundschaft gewalt¬
sam abbrach, indem er sie ersuchte --

Mathilde hatte dem Bruder mit wahrem Schrecken zugehört. Jetzt schnitt
sie seine Erzählung kurz ab, und indem sie Schesflingen die Hand reichte, sagte
sie lächelnd: Ja, wir waren eine wilde Bande damals. Aber wie geht es
Ihren Lieben in Trübensee?

Emilcheu war augenehm überrascht durch ihr Dazwischenkommen, hatte
aber nicht Zeit, ihre Frage zu beantworten, da der Zug bereits heranbrauste.

Valerian zog Mathildens Arm durch den seinen, nickte dem Nachbar
herablassend zu und ging mit ihr davou, ehe jener noch seinen Abschiedsgruß
beendet hatte.

Die Wagenthüren öffneten sich. Eine Schulgesellschaft "Batavia" oder
"Germania" stürmte mit Schreien und Toben aus einem Wagen dritter Klasse;
sie war ans einer Tnrnfcchrt in den Thüringer Wald begriffen. Dann stürzten
einige Tannenbäderbesuchende, einige Handlungsreisende auf den Perron, und
mit eiuemmcile drängte sich Kopf an Kopf auf dem erst so stillen Bahnhofe.
HerrFi--ez! Herr Fi--ez! schrie eine schrille Weiberstimme vom äußersten Ende
des Perron her, ja, wolle Se denn weiterfahre? Hökerweiber drängten sich mit
ihren Tragkörben herzu; eine Musikantenbande zog lachend und schimpfend nach
der dritten Klasse, ein dicker Herr brüllte nach dem Kellner; eine Dame zankte


Ans der Chronik derer von Riffelshausen.

Wandelte währenddessen an das Ende des Perrons, um zu sehen, ob der er¬
wartete Zug sich noch nicht an der Krümmung des Schienenweges zeige. Sie
sah nichts, aber als sie sich umwandte, kam Einnahm von Schefslingen auf sie
Angestiefelt.

Ich habe doch wohl die Ehre, Fräulein von Niffelshausen zu begrüßen?

Die bin ich.

Dann gestatten Sie mir, gnädiges Fräulein, Ihnen einen alten Bekannten
in Erinnerung zu bringen, Emil Schesflingen. Hätten Mama und Lischen ge¬
wußt, welche angenehme Überraschung meiner hier warte, so hätte ich sicherlich
eine ganze Wagenladung von Grüßen mitbekommen. Ha ha ha!

Der junge Mann begann laut zu lachen, und Mathilde kam diese Heiter¬
keit, deren Ursache sie garnicht einsah, so komisch vor, daß sie auch lachte.

Juchheisa didcldumdei! Hier geht's ja hoch her, bin auch dabei! zitirte
der zu ihnen tretende Valer und sah aus seinen kleinen grauen Angen höhnisch
auf Schefflingcu, Alle tausend, Emilcheu, der neue Anzug sitzt Ihnen aber
brillant. Wo wollen sie denn Eroberungen machen, schönster aller Kavaliere?

Schefslingen sah den lärmenden Bewunderer böse an. Ihr Fräulein
Schwester und ich waren eben dabei, eine alte Bekanntschaft zu erneuern.

Hoffentlich knüpfen sie da wieder an, wo Sie damals aufhörten! Wissen
Sie noch, wie Sie Mathildens Kleid an die Tischdecke genäht hatten, sodaß meine
verehrte Schwester beim Aufstehen all die chinesischen Nippsachen vom Tische
riß? Ich erinnere mich, daß Ihr Herr Vater damals die Freundschaft gewalt¬
sam abbrach, indem er sie ersuchte —

Mathilde hatte dem Bruder mit wahrem Schrecken zugehört. Jetzt schnitt
sie seine Erzählung kurz ab, und indem sie Schesflingen die Hand reichte, sagte
sie lächelnd: Ja, wir waren eine wilde Bande damals. Aber wie geht es
Ihren Lieben in Trübensee?

Emilcheu war augenehm überrascht durch ihr Dazwischenkommen, hatte
aber nicht Zeit, ihre Frage zu beantworten, da der Zug bereits heranbrauste.

Valerian zog Mathildens Arm durch den seinen, nickte dem Nachbar
herablassend zu und ging mit ihr davou, ehe jener noch seinen Abschiedsgruß
beendet hatte.

Die Wagenthüren öffneten sich. Eine Schulgesellschaft „Batavia" oder
„Germania" stürmte mit Schreien und Toben aus einem Wagen dritter Klasse;
sie war ans einer Tnrnfcchrt in den Thüringer Wald begriffen. Dann stürzten
einige Tannenbäderbesuchende, einige Handlungsreisende auf den Perron, und
mit eiuemmcile drängte sich Kopf an Kopf auf dem erst so stillen Bahnhofe.
HerrFi—ez! Herr Fi—ez! schrie eine schrille Weiberstimme vom äußersten Ende
des Perron her, ja, wolle Se denn weiterfahre? Hökerweiber drängten sich mit
ihren Tragkörben herzu; eine Musikantenbande zog lachend und schimpfend nach
der dritten Klasse, ein dicker Herr brüllte nach dem Kellner; eine Dame zankte


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[0253] Ans der Chronik derer von Riffelshausen. Wandelte währenddessen an das Ende des Perrons, um zu sehen, ob der er¬ wartete Zug sich noch nicht an der Krümmung des Schienenweges zeige. Sie sah nichts, aber als sie sich umwandte, kam Einnahm von Schefslingen auf sie Angestiefelt. Ich habe doch wohl die Ehre, Fräulein von Niffelshausen zu begrüßen? Die bin ich. Dann gestatten Sie mir, gnädiges Fräulein, Ihnen einen alten Bekannten in Erinnerung zu bringen, Emil Schesflingen. Hätten Mama und Lischen ge¬ wußt, welche angenehme Überraschung meiner hier warte, so hätte ich sicherlich eine ganze Wagenladung von Grüßen mitbekommen. Ha ha ha! Der junge Mann begann laut zu lachen, und Mathilde kam diese Heiter¬ keit, deren Ursache sie garnicht einsah, so komisch vor, daß sie auch lachte. Juchheisa didcldumdei! Hier geht's ja hoch her, bin auch dabei! zitirte der zu ihnen tretende Valer und sah aus seinen kleinen grauen Angen höhnisch auf Schefflingcu, Alle tausend, Emilcheu, der neue Anzug sitzt Ihnen aber brillant. Wo wollen sie denn Eroberungen machen, schönster aller Kavaliere? Schefslingen sah den lärmenden Bewunderer böse an. Ihr Fräulein Schwester und ich waren eben dabei, eine alte Bekanntschaft zu erneuern. Hoffentlich knüpfen sie da wieder an, wo Sie damals aufhörten! Wissen Sie noch, wie Sie Mathildens Kleid an die Tischdecke genäht hatten, sodaß meine verehrte Schwester beim Aufstehen all die chinesischen Nippsachen vom Tische riß? Ich erinnere mich, daß Ihr Herr Vater damals die Freundschaft gewalt¬ sam abbrach, indem er sie ersuchte — Mathilde hatte dem Bruder mit wahrem Schrecken zugehört. Jetzt schnitt sie seine Erzählung kurz ab, und indem sie Schesflingen die Hand reichte, sagte sie lächelnd: Ja, wir waren eine wilde Bande damals. Aber wie geht es Ihren Lieben in Trübensee? Emilcheu war augenehm überrascht durch ihr Dazwischenkommen, hatte aber nicht Zeit, ihre Frage zu beantworten, da der Zug bereits heranbrauste. Valerian zog Mathildens Arm durch den seinen, nickte dem Nachbar herablassend zu und ging mit ihr davou, ehe jener noch seinen Abschiedsgruß beendet hatte. Die Wagenthüren öffneten sich. Eine Schulgesellschaft „Batavia" oder „Germania" stürmte mit Schreien und Toben aus einem Wagen dritter Klasse; sie war ans einer Tnrnfcchrt in den Thüringer Wald begriffen. Dann stürzten einige Tannenbäderbesuchende, einige Handlungsreisende auf den Perron, und mit eiuemmcile drängte sich Kopf an Kopf auf dem erst so stillen Bahnhofe. HerrFi—ez! Herr Fi—ez! schrie eine schrille Weiberstimme vom äußersten Ende des Perron her, ja, wolle Se denn weiterfahre? Hökerweiber drängten sich mit ihren Tragkörben herzu; eine Musikantenbande zog lachend und schimpfend nach der dritten Klasse, ein dicker Herr brüllte nach dem Kellner; eine Dame zankte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/253>, abgerufen am 27.09.2024.