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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Risfelshcmscn.

Schon gut. Aber nimm dich in Acht. Die Tante ist heute, wie man
sagen kann, beutelustig. Du hast warten lassen, Schelmchen, und das hat die
teure Seele in den Harnisch gebracht. Kennst du übrigens den Gesangbnchsvers:


Gott, dein Gang ist immer richtig,
Scheint er uns auch manchmal krumm;
Kommt's daher, daß wir so dumm?

Du solltest dein gutes Gedächtnis besser anwenden!

Na, dir hört mein's aber an, daß dn mal wieder Priestertum gekneipt hast.

Und dir, daß du sehr lange in keine Kirche gekommen bist.

Die Geschwister langten gleichzeitig mit Julien am Wallgrabenplatz an,
und nachdem sich Mathilde entschuldigt hatte, setzte man sich zum Essen. Die
dicke Milch war fett und gut, der Zucker sehlte allerdings, da aber niemand
zu sagen wußte, wie er aus der Schale gekommen war, meinte Tante Cäcilie: Die
Milch ist ohne Zucker viel gesünder.

Valer bekräftigte dies eifrig und erzählte der Tante mit erhobener Stimme
eine Geschichte, in der eine ganze Familie von Wohlschmeckend an den Folgen
des Schweigens in Milch mit Zucker und Zimmet verstorben war.

Du sollst nicht so viel Unsinn schwatzen, Bruder, rief Julie, als Tante
Cäcilie mit Vergnügen anhörte, wie bereits der zwölfte seinen Geist aufgab.

Soll ich vielleicht unter die Trappisten gehen, wie der schöne Ulanen¬
leutnant Danda?

Also das ist wahr? fragte der Onkel.

Thatsache. Er hat sich aus seinen Schulden nicht herausreißen können,
und auch der Alte hat ihn nicht halten können. Das Vermögen der Mutter
hat er ganz verputzt. Wir dachten, er würde wie sein edler Bruder in Amerika
untertauchen, statt dessen wählt er 1s 'Irn.Wo! Ein so junger Mensch und mit
dem Leben so fertig!

Die arme Mutter! sagte Mathilde.

Die ist auch eine sonderbare Fran. Sie sieht aus, als sei ihr alles gleich-
giltig, die eignen Kinder mit eingerechnet.

Nun, meinte Tante Cäcilie, einer so saubern Gesellschaft gegenüber ist
die Gleichgiltigkeit nicht weiter zu verwundern.

Wißt ihr noch, wie wir als Kinder für diese jungen Daidas schwärmten?
fragte Mathilde.

Ja, weil niemand sie bädigen konnte, sagte Julien nachdenklich. Was ist
denn ans dem dritten Sohn geworden?

Er ist in österreichische Dienste getreten und hat seinen gleichfalls zer¬
rütteten Finanzen durch eine reiche Heirat aufgeholfen. Die einzige Schwester
dieser Brüder ist eine Schönheit ersten Ranges.

Kennst du sie?

Nein, aber ich kenne etliche der Unglücklichen, die dieser Turandot zu tief


Aus der Lhronik derer von Risfelshcmscn.

Schon gut. Aber nimm dich in Acht. Die Tante ist heute, wie man
sagen kann, beutelustig. Du hast warten lassen, Schelmchen, und das hat die
teure Seele in den Harnisch gebracht. Kennst du übrigens den Gesangbnchsvers:


Gott, dein Gang ist immer richtig,
Scheint er uns auch manchmal krumm;
Kommt's daher, daß wir so dumm?

Du solltest dein gutes Gedächtnis besser anwenden!

Na, dir hört mein's aber an, daß dn mal wieder Priestertum gekneipt hast.

Und dir, daß du sehr lange in keine Kirche gekommen bist.

Die Geschwister langten gleichzeitig mit Julien am Wallgrabenplatz an,
und nachdem sich Mathilde entschuldigt hatte, setzte man sich zum Essen. Die
dicke Milch war fett und gut, der Zucker sehlte allerdings, da aber niemand
zu sagen wußte, wie er aus der Schale gekommen war, meinte Tante Cäcilie: Die
Milch ist ohne Zucker viel gesünder.

Valer bekräftigte dies eifrig und erzählte der Tante mit erhobener Stimme
eine Geschichte, in der eine ganze Familie von Wohlschmeckend an den Folgen
des Schweigens in Milch mit Zucker und Zimmet verstorben war.

Du sollst nicht so viel Unsinn schwatzen, Bruder, rief Julie, als Tante
Cäcilie mit Vergnügen anhörte, wie bereits der zwölfte seinen Geist aufgab.

Soll ich vielleicht unter die Trappisten gehen, wie der schöne Ulanen¬
leutnant Danda?

Also das ist wahr? fragte der Onkel.

Thatsache. Er hat sich aus seinen Schulden nicht herausreißen können,
und auch der Alte hat ihn nicht halten können. Das Vermögen der Mutter
hat er ganz verputzt. Wir dachten, er würde wie sein edler Bruder in Amerika
untertauchen, statt dessen wählt er 1s 'Irn.Wo! Ein so junger Mensch und mit
dem Leben so fertig!

Die arme Mutter! sagte Mathilde.

Die ist auch eine sonderbare Fran. Sie sieht aus, als sei ihr alles gleich-
giltig, die eignen Kinder mit eingerechnet.

Nun, meinte Tante Cäcilie, einer so saubern Gesellschaft gegenüber ist
die Gleichgiltigkeit nicht weiter zu verwundern.

Wißt ihr noch, wie wir als Kinder für diese jungen Daidas schwärmten?
fragte Mathilde.

Ja, weil niemand sie bädigen konnte, sagte Julien nachdenklich. Was ist
denn ans dem dritten Sohn geworden?

Er ist in österreichische Dienste getreten und hat seinen gleichfalls zer¬
rütteten Finanzen durch eine reiche Heirat aufgeholfen. Die einzige Schwester
dieser Brüder ist eine Schönheit ersten Ranges.

Kennst du sie?

Nein, aber ich kenne etliche der Unglücklichen, die dieser Turandot zu tief


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[0250] Aus der Lhronik derer von Risfelshcmscn. Schon gut. Aber nimm dich in Acht. Die Tante ist heute, wie man sagen kann, beutelustig. Du hast warten lassen, Schelmchen, und das hat die teure Seele in den Harnisch gebracht. Kennst du übrigens den Gesangbnchsvers: Gott, dein Gang ist immer richtig, Scheint er uns auch manchmal krumm; Kommt's daher, daß wir so dumm? Du solltest dein gutes Gedächtnis besser anwenden! Na, dir hört mein's aber an, daß dn mal wieder Priestertum gekneipt hast. Und dir, daß du sehr lange in keine Kirche gekommen bist. Die Geschwister langten gleichzeitig mit Julien am Wallgrabenplatz an, und nachdem sich Mathilde entschuldigt hatte, setzte man sich zum Essen. Die dicke Milch war fett und gut, der Zucker sehlte allerdings, da aber niemand zu sagen wußte, wie er aus der Schale gekommen war, meinte Tante Cäcilie: Die Milch ist ohne Zucker viel gesünder. Valer bekräftigte dies eifrig und erzählte der Tante mit erhobener Stimme eine Geschichte, in der eine ganze Familie von Wohlschmeckend an den Folgen des Schweigens in Milch mit Zucker und Zimmet verstorben war. Du sollst nicht so viel Unsinn schwatzen, Bruder, rief Julie, als Tante Cäcilie mit Vergnügen anhörte, wie bereits der zwölfte seinen Geist aufgab. Soll ich vielleicht unter die Trappisten gehen, wie der schöne Ulanen¬ leutnant Danda? Also das ist wahr? fragte der Onkel. Thatsache. Er hat sich aus seinen Schulden nicht herausreißen können, und auch der Alte hat ihn nicht halten können. Das Vermögen der Mutter hat er ganz verputzt. Wir dachten, er würde wie sein edler Bruder in Amerika untertauchen, statt dessen wählt er 1s 'Irn.Wo! Ein so junger Mensch und mit dem Leben so fertig! Die arme Mutter! sagte Mathilde. Die ist auch eine sonderbare Fran. Sie sieht aus, als sei ihr alles gleich- giltig, die eignen Kinder mit eingerechnet. Nun, meinte Tante Cäcilie, einer so saubern Gesellschaft gegenüber ist die Gleichgiltigkeit nicht weiter zu verwundern. Wißt ihr noch, wie wir als Kinder für diese jungen Daidas schwärmten? fragte Mathilde. Ja, weil niemand sie bädigen konnte, sagte Julien nachdenklich. Was ist denn ans dem dritten Sohn geworden? Er ist in österreichische Dienste getreten und hat seinen gleichfalls zer¬ rütteten Finanzen durch eine reiche Heirat aufgeholfen. Die einzige Schwester dieser Brüder ist eine Schönheit ersten Ranges. Kennst du sie? Nein, aber ich kenne etliche der Unglücklichen, die dieser Turandot zu tief

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/250>, abgerufen am 27.09.2024.