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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal.

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Älymxia und der olympische Zeustempel.

authentischen Urkunde, die uns Päonios selbst hinterlassen hat, von der am
Postamente seiner Nike befindlichen Inschrift, an deren Schluß es heißt: "Päonios
machte es ^das Wcrkj, der Mendcier, der auch die Akroterien an dem Tempel
machend siegte." Um die Streitfrage, die sich an diese Worte knüpft, zu erledigen,
gilt es das Wort "Akroterien" in seiner richtigen Bedeutung festzustellen. Die
Einen waren der Meinung, die Akroterien bedeuteten den Giebclschmuck, eine
Auffassung, welche die Richtigkeit von Pausauicis' Angabe zur Gewißheit erheben
würde; die audern behaupteten, mit den Akroterien sei uur der Firstschmuck
gemeint, die zu beiden Seiten des abfallenden Tempeldaches aufgestellten goldnen
Gefäße und die deu First krönende bronzene und vergoldete Nike, ein Sieges¬
weihgeschenk der Lakonier, Diese Akroteriennike, deren Anfertigung dem Pävuios
als Sieger in einer Konkurrenz übertragen worden war, habe die Messenier
später veranlaßt, bei demselben Künstler ein dem Motiv nach ähnliches Werk
zu bestellen, welches somit als eine Wiederholung der auf dem Giebel befind¬
lichen Statue gelten müsse. Die erstere Annahme ist aus Gründen, die hier
nicht dargelegt werden können, gänzlich unstatthaft: Päonios rühmt sich in der
Inschrift als Meister des Firstschmuckes, der zu seiner Zeit unzweifelhaft mit
dem auch bei uns noch gebräuchlichen Namen "Akroterien" bezeichnet wurde.
Allein es wäre, worauf auch hingewiesen worden ist, nicht undenkbar, daß in
der spüteru Zeit der Sprachgebrauch schwankend und die ursprünglich engere
Bedeutung des Wortes auf den ganzen plastischen Schmuck des Giebels aus¬
gedehnt worden sei. Ans diese Weise würde es sich erklären lassen, wie Pausanias
oder der Exeget, dem er seine Mitteilung verdankte, deu Namen des Päonios,
auch mit den Giebelgruppen in Verbindung bringen konnte. Doch würde mit
dieser Auffassung, wenn ihre Nichtigkeit sich bestätigen sollte, nur die Erklärung
dafür gewonnen sein, wie die Überlieferung, die wir besitzen, entstanden ist. Ein
vollgiltiges Zeugnis aber gegen Päonios als den Meister der einen Giebclgrnppe
legt die Inschrift der Nike selbst ab; es ist freilich, wie man zu sagen Pflegt,
nur ein Mgumonwm ex silsirtio, aber ein Zeugnis, das im vorliegenden Falle
von einer Bedeutung ist, wie sie eine positive Angabe in sich schließt. Wenn
Päonios wirklich den Ostgicbel gearbeitet hatte, so wäre es höchst wunderbar,
wen" die Zuschrift eines Bildwerkes, das ohne Zweifel die Aufmerksamkeit eines
jeden ans dem Grunde auf sich lenken mußte, weil es vermöge seiner hohen
Aufstellung alle übrigen Weihgeschenke der Attis überragte, wenn diese Inschrift
nur der Firstbekrönungen und nicht" auch des viel größern und bedeutendern
Werkes gedacht haben sollte. Ein Künstler, der es nicht verschmähte, eines
frühern Werkes seiner Hund zu gedenken, der deu Ehrgeiz besaß, sich als den
Meister der Akrvterienfigureu zu rühmen, hätte gewiß auch diejenigen Skulpturen
erwähnt, die eine weit hervorragendere Stellung im Bereiche seiner Wirksamkeit
eingenommen, seiner Person in Olympia ein besondres Interesse und seinem
künstlerischen Rufe eine erhöhte Bedeutung verliehen hätten. Und diese Überzeugung


Älymxia und der olympische Zeustempel.

authentischen Urkunde, die uns Päonios selbst hinterlassen hat, von der am
Postamente seiner Nike befindlichen Inschrift, an deren Schluß es heißt: „Päonios
machte es ^das Wcrkj, der Mendcier, der auch die Akroterien an dem Tempel
machend siegte." Um die Streitfrage, die sich an diese Worte knüpft, zu erledigen,
gilt es das Wort „Akroterien" in seiner richtigen Bedeutung festzustellen. Die
Einen waren der Meinung, die Akroterien bedeuteten den Giebclschmuck, eine
Auffassung, welche die Richtigkeit von Pausauicis' Angabe zur Gewißheit erheben
würde; die audern behaupteten, mit den Akroterien sei uur der Firstschmuck
gemeint, die zu beiden Seiten des abfallenden Tempeldaches aufgestellten goldnen
Gefäße und die deu First krönende bronzene und vergoldete Nike, ein Sieges¬
weihgeschenk der Lakonier, Diese Akroteriennike, deren Anfertigung dem Pävuios
als Sieger in einer Konkurrenz übertragen worden war, habe die Messenier
später veranlaßt, bei demselben Künstler ein dem Motiv nach ähnliches Werk
zu bestellen, welches somit als eine Wiederholung der auf dem Giebel befind¬
lichen Statue gelten müsse. Die erstere Annahme ist aus Gründen, die hier
nicht dargelegt werden können, gänzlich unstatthaft: Päonios rühmt sich in der
Inschrift als Meister des Firstschmuckes, der zu seiner Zeit unzweifelhaft mit
dem auch bei uns noch gebräuchlichen Namen „Akroterien" bezeichnet wurde.
Allein es wäre, worauf auch hingewiesen worden ist, nicht undenkbar, daß in
der spüteru Zeit der Sprachgebrauch schwankend und die ursprünglich engere
Bedeutung des Wortes auf den ganzen plastischen Schmuck des Giebels aus¬
gedehnt worden sei. Ans diese Weise würde es sich erklären lassen, wie Pausanias
oder der Exeget, dem er seine Mitteilung verdankte, deu Namen des Päonios,
auch mit den Giebelgruppen in Verbindung bringen konnte. Doch würde mit
dieser Auffassung, wenn ihre Nichtigkeit sich bestätigen sollte, nur die Erklärung
dafür gewonnen sein, wie die Überlieferung, die wir besitzen, entstanden ist. Ein
vollgiltiges Zeugnis aber gegen Päonios als den Meister der einen Giebclgrnppe
legt die Inschrift der Nike selbst ab; es ist freilich, wie man zu sagen Pflegt,
nur ein Mgumonwm ex silsirtio, aber ein Zeugnis, das im vorliegenden Falle
von einer Bedeutung ist, wie sie eine positive Angabe in sich schließt. Wenn
Päonios wirklich den Ostgicbel gearbeitet hatte, so wäre es höchst wunderbar,
wen» die Zuschrift eines Bildwerkes, das ohne Zweifel die Aufmerksamkeit eines
jeden ans dem Grunde auf sich lenken mußte, weil es vermöge seiner hohen
Aufstellung alle übrigen Weihgeschenke der Attis überragte, wenn diese Inschrift
nur der Firstbekrönungen und nicht" auch des viel größern und bedeutendern
Werkes gedacht haben sollte. Ein Künstler, der es nicht verschmähte, eines
frühern Werkes seiner Hund zu gedenken, der deu Ehrgeiz besaß, sich als den
Meister der Akrvterienfigureu zu rühmen, hätte gewiß auch diejenigen Skulpturen
erwähnt, die eine weit hervorragendere Stellung im Bereiche seiner Wirksamkeit
eingenommen, seiner Person in Olympia ein besondres Interesse und seinem
künstlerischen Rufe eine erhöhte Bedeutung verliehen hätten. Und diese Überzeugung


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[0242] Älymxia und der olympische Zeustempel. authentischen Urkunde, die uns Päonios selbst hinterlassen hat, von der am Postamente seiner Nike befindlichen Inschrift, an deren Schluß es heißt: „Päonios machte es ^das Wcrkj, der Mendcier, der auch die Akroterien an dem Tempel machend siegte." Um die Streitfrage, die sich an diese Worte knüpft, zu erledigen, gilt es das Wort „Akroterien" in seiner richtigen Bedeutung festzustellen. Die Einen waren der Meinung, die Akroterien bedeuteten den Giebclschmuck, eine Auffassung, welche die Richtigkeit von Pausauicis' Angabe zur Gewißheit erheben würde; die audern behaupteten, mit den Akroterien sei uur der Firstschmuck gemeint, die zu beiden Seiten des abfallenden Tempeldaches aufgestellten goldnen Gefäße und die deu First krönende bronzene und vergoldete Nike, ein Sieges¬ weihgeschenk der Lakonier, Diese Akroteriennike, deren Anfertigung dem Pävuios als Sieger in einer Konkurrenz übertragen worden war, habe die Messenier später veranlaßt, bei demselben Künstler ein dem Motiv nach ähnliches Werk zu bestellen, welches somit als eine Wiederholung der auf dem Giebel befind¬ lichen Statue gelten müsse. Die erstere Annahme ist aus Gründen, die hier nicht dargelegt werden können, gänzlich unstatthaft: Päonios rühmt sich in der Inschrift als Meister des Firstschmuckes, der zu seiner Zeit unzweifelhaft mit dem auch bei uns noch gebräuchlichen Namen „Akroterien" bezeichnet wurde. Allein es wäre, worauf auch hingewiesen worden ist, nicht undenkbar, daß in der spüteru Zeit der Sprachgebrauch schwankend und die ursprünglich engere Bedeutung des Wortes auf den ganzen plastischen Schmuck des Giebels aus¬ gedehnt worden sei. Ans diese Weise würde es sich erklären lassen, wie Pausanias oder der Exeget, dem er seine Mitteilung verdankte, deu Namen des Päonios, auch mit den Giebelgruppen in Verbindung bringen konnte. Doch würde mit dieser Auffassung, wenn ihre Nichtigkeit sich bestätigen sollte, nur die Erklärung dafür gewonnen sein, wie die Überlieferung, die wir besitzen, entstanden ist. Ein vollgiltiges Zeugnis aber gegen Päonios als den Meister der einen Giebclgrnppe legt die Inschrift der Nike selbst ab; es ist freilich, wie man zu sagen Pflegt, nur ein Mgumonwm ex silsirtio, aber ein Zeugnis, das im vorliegenden Falle von einer Bedeutung ist, wie sie eine positive Angabe in sich schließt. Wenn Päonios wirklich den Ostgicbel gearbeitet hatte, so wäre es höchst wunderbar, wen» die Zuschrift eines Bildwerkes, das ohne Zweifel die Aufmerksamkeit eines jeden ans dem Grunde auf sich lenken mußte, weil es vermöge seiner hohen Aufstellung alle übrigen Weihgeschenke der Attis überragte, wenn diese Inschrift nur der Firstbekrönungen und nicht" auch des viel größern und bedeutendern Werkes gedacht haben sollte. Ein Künstler, der es nicht verschmähte, eines frühern Werkes seiner Hund zu gedenken, der deu Ehrgeiz besaß, sich als den Meister der Akrvterienfigureu zu rühmen, hätte gewiß auch diejenigen Skulpturen erwähnt, die eine weit hervorragendere Stellung im Bereiche seiner Wirksamkeit eingenommen, seiner Person in Olympia ein besondres Interesse und seinem künstlerischen Rufe eine erhöhte Bedeutung verliehen hätten. Und diese Überzeugung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_199353/242>, abgerufen am 27.09.2024.